Harris vs. Trump: Tag der Entscheidung in den USA
Harris vs. Trump
Nach einem turbulenten Wahlkampf entscheiden die US-Bürgerinnen und -Bürger am Dienstag, ob mit Kamala Harris erstmals eine Frau das höchste Amt im Land übernimmt oder der vor vier Jahren abgewählte Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt. Umfragen legten bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Demokratin Harris und dem Republikaner Trump nahe. Möglich ist damit auch ein langes Warten auf das weltweit mit Spannung erwartete Ergebnis.
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Ob es wie bei der Wahl vor vier Jahren zu einer tagelangen Hängepartie kommt, wird sich erst weisen. Es könnte wenige Stunden, aber auch Tage oder sogar Wochen dauern, bis der Sieger oder die Siegerin feststeht. Als wahlentscheidend gelten die sieben „Swing-States“ Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin.
Nachdem um Mitternacht (MEZ) in Kentucky die ersten und in Indiana der Großteil der Wahllokale schließen, könnte sich eine Stunde später in Georgia, dem „Swing-State“, in dem die Wahllokale als Erstes schließen, ein Trend abzeichnen. Dort ist wie in Indiana, Kentucky, South Carolina, Vermont und Virginia die Wahl um 1.00 Uhr MEZ vorbei. Eine halbe Stunde später folgt North Carolina und um 2.00 Uhr MEZ Pennsylvania. In Arizona, Michigan und Wisconsin wird bis 3.00 Uhr MEZ gewählt, in Nevada bis 4.00 MEZ. Zu Ende geht der Wahltag auf Hawaii um 6.00 Uhr und in Alaska, wo um 7.00 Uhr die letzten Wahllokale schließen.
Millionen Stimmen per Früh- bzw. BriefwahlWann erste Ergebnisse vorliegen, hängt auch an den sich von Bundesstaat zu Bundesstaat unterscheidenden Wahlgesetzen. Grundsätzlich werden zunächst die am Wahltag abgegebenen Stimmen und erst dann jene aus Übersee, von Militärangehörigen und die Früh- und Briefwahlstimmen ausgezählt. Laut US-Medienberichten haben von den über 240 Millionen Wahlberechtigten bis Dienstag über 78 Millionen ihre Stimme bereits vorzeitig im Wahllokal abgegeben.
Besonders Früh- und Briefwahlstimmen können den Auszählungsprozess in einigen Staaten verzögern. Während in North Dakota, Ohio und Utah die Wahlunterlagen bereits am 4. November eingetroffen sein müssen, reicht in anderen US-Bundesstaaten der Poststempel zum Wahltag. In wieder anderen US-Bundesstaaten wie Kalifornien und Illinois werden auch noch nach dem Wahltag eingegangene Briefwahlstimmen gezählt.
Ein erstes Ergebnis gibt es bereits aus dem Dorf Dixville Notch mit sechs registrierten Wählern im Bundesstaat New Hampshire. Ein eigenes Gesetz erlaubt hier Gemeinden mit weniger als 100 Einwohnern, schon um Mitternacht ihr Wahllokal zu öffnen. Die Wahl ging hier mit drei zu drei Stimmen unentschieden aus. 2020 hatte Trumps Herausforderer Joe Biden noch ohne Gegenstimme gegen Trump gewonnen.
Angst vor GewaltIm Auszählungsverlauf kann es somit vorkommen, dass zunächst einer von beiden klar vorn liegt, dann aber überholt wird. So war es 2020 in einigen US-Bundesstaaten, als sich Trump noch während der laufenden Auszählung zum Sieger der Wahl erklärte – und einen Stopp der Auszählung forderte, als er vorübergehend vor seinem Herausforderer Biden lag.
Sein Feldzug gegen den Wahlausgang gipfelte am 6. Jänner 2021 im Sturm seiner Anhängerinnen und Anhänger auf das Kapitol in Washington, den Sitz des US-Kongresses. Trump gesteht seine Niederlage bis heute nicht ein, das schürt Befürchtungen vor neuerlicher Gewalt.
Amtsinhaber Joe Biden sagte dazu, die Wahl werde fair sein – aber er wisse „nicht, ob sie friedlich sein“ werde. In gleich mehreren Bundesstaaten, darunter Washington, Oregon und Nevada, wurde unmittelbar vor der Wahl als Vorsichtsmaßnahme für mögliche Unruhen die Nationalgarde in Bereitschaft versetzt.
Bei den Demokraten stieg nicht wie zunächst geplant Biden, sondern Harris gegen Trump in den Ring Vizepräsidentin sprang für Amtsinhaber einDass nicht Biden, sondern Vizepräsidentin Harris gegen Trump kandidiert, kam im Wahlkampf einem Paukenschlag gleich, mit dem auch die Karten neu gemischt wurden. Die 60-Jährige könnte als erste Frau ins Weiße Haus einziehen. Gewinnt Trump, wäre er mit 78 Jahren der älteste Sieger bei einer US-Präsidentschaftswahl.
Zusammen mit dem scheidenden Präsidenten Biden warnte Harris bis zuletzt vor dem Republikaner Trump als einer Gefahr für die US-Demokratie. Trump würde für seine Absichten „die immensen Machtbefugnisse der Präsidentschaft der Vereinigten Staaten benutzen“, sagt Harris. Sie macht auch keinen Hehl daraus, dass sie Trump für einen Faschisten hält.
Trump untermauerte Befürchtungen der Gegenseite, wonach er die ohnehin großen Machtbefugnisse des Präsidentschaftsamtes noch weit mehr als in seiner ersten Amtszeit auszudehnen gedenke, immer wieder selbst. So kündigte er einmal an, am ersten Tag im Amt wie ein „Diktator“ agieren zu wollen. Zudem werde er „den tiefen Staat vollständig auslöschen“. Mit „tiefer Staat“ meint Trump angeblich illegale Machtstrukturen unter der amtierenden Regierung. Auch gegen „radikale linke Irre“ wolle er vorgehen – notfalls mit Nationalgarde oder Militär.
Rennen um 270 WahlleuteDas US-Wahlsystem sieht vor, dass der Präsident oder die Präsidentin nicht von der Bevölkerung direkt, sondern von den Wahlleuten im „Electoral College“ gewählt wird. Die Zahl aller Wahlleute aus den 50 US-Bundesstaaten und Washington DC summiert sich auf 538. Um ins Weiße Haus einzuziehen, muss ein Kandidat mindestens 270 Wahlleute auf sich vereinen.
Jeder Bundesstaat stellt unterschiedlich viele Wahlleute. Deren Zahl entspricht der Zahl der Abgeordneten, die ein Bundesstaat in Abhängigkeit von seiner Bevölkerungsgröße ins Repräsentantenhaus entsendet, plus zwei – für die zwei Senatoren, die jeder Bundesstaat unabhängig von seiner Größe stellt.
Neue Mehrheitsverhältnisse im Kongress?Zur Wahl stehen nicht nur das Präsidentenamt, sondern auch das Abgeordnetenhaus und 34 der 100 Mitglieder des Senats – damit werden auch die Mehrheitsverhältnisse im US-Kapitol bestimmt.
Hinzu kommen Entscheidungen über Gouverneure und Kongresse vieler einzelner Bundesstaaten, Stadtparlamente, Schulbeiräte, Staatsanwaltschaften und Volksabstimmungen zu Abtreibung, der Frage, ob Maine eine neue Flagge bekommt und ob in Denver künftig Pelze verboten sind – mehr dazu in Kongresswahl im Schatten des großen Duells.