U-Ausschuss geplant: ÖVP wälzte Pläne gegen Grüne

2 Okt 2023
ÖVP

Ein aufgetauchtes Geheimpapier legt offen, dass die ÖVP einen U-Ausschuss gegen den Koalitionspartner erwogen hat. Die Grünen bleiben trotzdem an Bord.

Wien. Wieder ist es ein fehlgeleitetes E-Mail, das Österreichs Innenpolitik umherwirbelt. Nach dem SPÖ-Sora-Papier vergangene Woche traf es nun die Volkspartei. Am Montag wurde ein Entwurf der ÖVP öffentlich, in dem die Partei die Einsetzung eines Transparenz-U-Ausschusses fordert. Brisant ist, dass sich dieser neben der SPÖ und FPÖ gegen die Grünen richten sollte.

Das 14-seitige Papier liegt der „Presse“ vor. Die ÖVP bestätigte, dass der Entwurf echt sei. „Aktuell“ sei aber kein solcher U-Ausschuss geplant. Es liegt nahe, dass die ÖVP vorbereitet sein wollte, um im Fall eines Koalitionsbruchs schnell einen Ausschuss auf Schiene bringen zu können. „Dem Wesen der Politik entspricht, dass im Hintergrund viele Varianten vorbereitet, laufend adaptiert und ergänzt werden“, erklärte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. „Es erstaunt, worüber man sich alles Gedanken machen kann, anstatt sich um seriöse Arbeit zum Wohle der Österreicher zu kümmern“, sagte Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer.

Das Papier sei von einem Mitarbeiter des ÖVP-Parlamentsklubs an die Neos geschickt worden, sagte die pinke Parteichefin, Beate Meinl-Reisinger, bei einer Pressekonferenz. Laut ÖVP wurde das Papier „versehentlich an die falsche Adresse“ verschickt. Der Entwurf ist mit 16. September 2023 datiert. Er fordert die Einsetzung eines „Transparenz-Untersuchungsausschusses“. Aufgeklärt werden soll, ob „öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden“.

Zwei Seiten über Grüne

Gerichtet werden soll die Untersuchung gegen die SPÖ, FPÖ und Grünen. Es soll geprüft werden, ob die Parteien während ihrer Regierungszeit im Bund bei Inseratenschaltungen, Medienkooperationen, Umfragen und bei der Beauftragung von Agenturen „aus sachfremden Motiven gehandelt haben“. Als Startzeitraum für die Untersuchung wird der 11. Jänner 2027 genannt, das Ende wird mit „XX. Oktober 2023“ offengelassen.

Warum auch die Grünen untersucht werden sollen, begründet die ÖVP in dem Papier auf knapp zwei A4-Seiten. Demnach sei etwa eine halbe Million Euro für die „kommunikative Begleitung und den Social-Media-Auftritt des Projekts ,Klimarats‘“ des Umweltschutzministeriums ausgegeben worden. Den Zuschlag für diese Tätigkeiten hätten Agenturen erhalten, die den Grünen nahestehen – darunter zwei Agenturen von Lothar Lockl, der etwa die Bundespräsidenten-Wahlkampagne von Alexander Van der Bellen verantwortete.

Tattoo-Kampagne im Visier

Die ÖVP sieht hier und bei anderen Beauftragungen Ungereimtheiten bei der Ausschreibung und Vergabe. Vor allem Kampagnen von Infrastrukturministerin Leonore Gewessler werden hinterfragt. So etwa „ein weiterer nicht transparenter Vorgang betreffend Werbemaßnahmen von Grünen-Ministerin Gewessler“. Diese habe auf einem Musikfestival „mit einem Jahr gratis Klimaticket“ geworben, „wenn im Gegenzug die Person sich ein ,Klima-Tattoo‘ stechen ließ“. „Die Frage stellt sich, nach welchen Vergabekriterien diese Werbemaßnahmen vergeben wurden und welche konkrete Unternehmen diese Aktion durchgeführt haben.“

Bei der FPÖ will die ÖVP etwa Gelder, die unter Türkis-Blau an rechte Zeitschriften geflossen sind, untersuchen. Unter anderem Beauftragungen von Werbeagenturen und Inseratenschaltungen stehen wiederum bei der SPÖ im Fokus des ÖVP-Papiers. „Aufgrund der aktuellen Sora-Affäre der SPÖ wurden Aktualisierungen überlegt.

Möglich wäre die Einsetzung eines U-Ausschusses durch die ÖVP jedenfalls – es handelt sich um ein Minderheitenrecht, das ein Viertel der Abgeordneten durchsetzen kann. Die Grünen brauchten die Volkspartei daher nicht. „Wir gehen davon aus, dass alle in der ÖVP nach einer sicherlich turbulenten Woche wieder Nervosität abbauen und ins Konstruktive zurückfinden“, schrieb Grünen-Generalsekretärin Voglauer in einer Stellungnahme. Die Bevölkerung erwarte „sich von einer Regierungspartei zu Recht, dass sie ihre Energie in die Arbeit für das Land investiert“.

„Niveau“ auf Tiefpunkt

Neos-Chefin Meinl-Reisinger beklagte, dass das Niveau in der österreichischen Innenpolitik einen neuen „Tiefpunkt“ erreicht habe. Es gehe nur noch darum, den politischen Gegner zum Feindbild zu erklären. Seitens der ÖVP sei der Antrag ein „Frontalangriff auf den eigenen Koalitionspartner“, auch ortete sie einen „Bruch der Koalition“. Die Neos forderten Neuwahlen. Dafür plädieren auch die Freiheitlichen und die SPÖ: Für sie ist die Koalition am Ende.

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