In den USA hilft ein Netzwerk bei der Neugründung von Kirchen
Der 40-jährige Aaron Burke ist der Prototyp eines Unternehmers Gottes. Dafür spricht schon seine Ausbildung. Der Pastor hat einen Master in Betriebswirtschaft und einen Doktor der Theologie. Ordiniert haben ihn die "Assemblies of God". Doch statt in dem Zusammenschluss der konservativen Pfingstgemeinden tätig zu werden, startete Burke seine eigene Kirche.
Hilfreich zur Seite sprang ihm eine Organisation, die sich auf Kirchenneugründungen spezialisiert hat. Die "Association of Related Churches" (ARC) ergänzte sein durch den Verkauf eines Trödel- und Altkleider-Ladens verdientes Startkapital um 30.000 US-Dollar. Und half mit einer Menge guter Tipps und Expertise. Zusammen mit seiner Frau mietete Burke 2013 ein heruntergekommenes Kino in Tampa und möbelte es mit Freiwilligen auf. Geld floss für den Kauf eines guten Sound-Systems und Bühnenbeleuchtung. Dann ging es los.
Mehr als zehn Jahre später ist seine "Radiant Church" zu einem Netzwerk aus acht Standorten mit fast 8.000 Mitgliedern angewachsen. Burke nahm allein im zurückliegenden Jahr 18 Millionen Dollar an Spendengeldern ein. Der Löwenanteil floss in den Unterhalt der Kirchen, ihre Programme und das Personal. "Radiant" gibt auch Geld für eine weitere Expansion.
Bei Neugründung von mehr als 1.100 Freikirchen involviert
Im Gegenzug profitiert auch das Kirchen-Franchise-Netzwerk von dem Deal. Es erhielt zuletzt 248.000 Dollar als Frucht der frühen Investition in die Neugründung Burkes. Kein schlechtes Geschäft gemessen an dem eingesetzten Kapital.
Insgesamt hatte ARC mit Sitz in Birmingham im frommen US-Bundesstaat Alabama seit 2001 seine Finger bei der Neugründung von mehr als 1.100 Freikirchen im Spiel. Der Dachverband stellt Hilfen für Vertriebssysteme, Dienstleistungen oder Technologien zur Verfügung, während die Kirchen wirtschaftlich und rechtlich unabhängig bleiben.
Religion und Kirche spielen für eine wachsende Zahl von US-Amerikanern keine tragende Rolle mehr für ihr Selbstverständnis. Der Abschied vom Glauben geht langsam, aber stetig vonstatten. Die praktischen Auswirkungen hängen sehr von der Konfession ab.
ARC investierte allein im vergangenen Jahr mehr als sieben Millionen Dollar in neue Kirchen. Gründern wie Burke greift die Organisation mit zinslosen Darlehen bis zu 100.000 Dollar unter die Arme. Geld bekommt nur, wer theologische Kompetenz und finanzielle Kreditwürdigkeit nachweisen kann. Gefragt sind auch ein Geschäftsplan nebst Marketingstrategie und Managementfähigkeiten.
"Wir brauchen Pastoren, die wissen, wie man eine Kirche nach Marktprinzipien führt", erläuterte Pastor Burke unlängst im "Wall Street Journal". "Das ist fast wie ein Risikokapital-Modell aus dem Silicon Valley", beschreibt der Religionswissenschaftler Ryan Burge von der Eastern Illinois University den Ansatz der Netzwerke, deren Franchise-Idee darin besteht, Gemeinden aufzubauen, die anders auftreten sollen wie die traditionellen Institutionen.
Unkonventionelle Form, traditionelle Verkündigung
Burkes "Radiant Church" hat von dem Mitgliederschwund bei Katholiken und protestantischen Volkskirchen profitiert. Tarra Dimanche und Ehemann Damas schwärmen von der Alltagsnähe der Verkündigung in der Freikirche. Nach ihrem ersten Besuch in der Kino-Kirche kehrten sie der "African Methodist Episcopalian Church" den Rücken, der sie jahrelang angehört hatten.
Burke habe die Heilige Schrift in seinen Predigten so aufgeschlüsselt, "dass sie für das Leben auch anwendbar ist". Dabei ist es wohl mehr die unkonventionelle Form, die hauptsächlich bei Jüngeren ankommt. Inhaltlich sind die Predigten etwa bei Themen wie Sexualität und Gender nicht weit von der traditionellen Verkündigung entfernt.
Dass Kirchengründungen nichts für Leute mit schwachen Nerven sind, haben Burke und seine Frau natürlich auch schon erfahren. Doch mit der Unterstützung des Kirchen-Franchise-Netzwerks war es einfacher. Und die Erfolgsquote des Modells spricht für sich: neun von zehn Neugründungen sind nach fünf Jahren noch aktiv.