„Verheerende Folgen“: Scharfe Kritik an Israels Verbot von UNRWA

2 Tage vor
UNRWA

„Verheerende Folgen“

Das vom israelischen Parlament gegen das Palästinenserhilfswerk UNRWA verhängte Arbeitsverbot in Israel stößt international auf scharfe Kritik. Die Umsetzung der Gesetzesentwürfe „könnte verheerende Folgen für die palästinensischen Flüchtlinge in den besetzten palästinensischen Gebieten haben, was nicht hinnehmbar ist“, so UNO-Generalsekretär Antonio Guterres.

Online seit heute, 7.39 Uhr (Update: 11.21 Uhr)

Er werde die UNO-Generalversammlung in Kenntnis setzen und forderte Israel auf, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. „Diese Gesetzesentwürfe werden das Leiden der Palästinenser nur noch verschlimmern, insbesondere in Gaza, wo die Menschen seit mehr als einem Jahr durch die Hölle gehen“, schrieb UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini im Kurznachrichtendienst X.

Die Entscheidung des Parlaments, das Hilfswerk „von seiner lebensrettenden und gesundheitsschützenden Arbeit für Millionen von Palästinensern auszuschließen, wird verheerende Folgen haben“, warnte auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Die USA, die Israels wichtigster Verbündeter sind, sowie andere westliche Länder hatten darauf gedrängt, die beiden Gesetzesentwürfe nicht voranzutreiben. Ihre Verabschiedung werde wahrscheinlich den Druck auf die Regierung von US-Präsident Joe Biden erhöhen, die Militärhilfe für Israel auszusetzen, schrieb das US-Nachrichtenportal Axios.

92 Abgeordnete stimmten für Gesetz

Im israelischen Parlament, der Knesset, mit seinen 120 Sitzen stimmten 92 Abgeordnete der Regierung und der Opposition für das Vorhaben. Das Gesetz sieht vor, „die Aktivitäten des UNRWA auf israelischem Territorium“ zu verbieten, einschließlich im 1967 von Israel annektierten Ostjerusalem.

Medien zufolge hatten auch Vertreter des israelischen Außenministeriums Bedenken hinsichtlich der praktischen Konsequenzen geäußert. Israel wirft der Organisation vor, einige seiner Beschäftigten seien an Terroraktivitäten beteiligt gewesen, etwa an dem Massaker der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober des vergangenen Jahres.

Heftige Debatten in Knesset

Den israelischen Behörden ist jeglicher Kontakt mit der Organisation untersagt, sobald das neue Gesetz in Kraft tritt. Das soll binnen 90 Tagen nach seiner Veröffentlichung geschehen. Eine zunächst vorgesehene offizielle Einstufung von UNRWA als Terrororganisation war nicht mehr Teil von zwei Gesetzesentwürfen zu dem Thema auf der Knesset-Tagesordnung.

Vor der Abstimmung kam es im Parlament zu heftigen Debatten. Ein arabischer Abgeordneter sprach von einem „faschistischen Gesetz“, Ziel sei die fortwährende Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Die Initiatoren reagierten mit lautem Geschrei, eine Abgeordnete musste nach mehreren Mahnungen aus dem Saal entfernt werden.

Israels Verbündete besorgt

Der UNO-Sicherheitsrat, einschließlich der USA, hatte Israel am 10. Oktober vor der Verabschiedung des Gesetzes gewarnt. Die Außenministerinnen und Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas, Australiens, Japans und Südkoreas hatten die israelische Regierung in einer gemeinsamen Erklärung „nachdrücklich“ aufgerufen, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland ortete eine Verletzung des Völkerrechts.

Alle UNO-Organisationen „müssen ihr Mandat ungehindert ausüben können. Gleichzeitig erinnern wir das UNRWA daran, dass es unbedingt seinen Weg der Reformen fortsetzen muss“, teilte das österreichische Außenministerium mit.

EU zeigt sich besorgt

Die EU drückte ihre „ernste Besorgnis“ über das Gesetz aus. Laut einer Aussendung des Auswärtigen Dienstes unter EU-Chefdiplomat Josep Borrell steht das Gesetz „in krassem Widerspruch zum Völkerrecht und zum humanitären Grundprinzip der Menschlichkeit“. Es werde „die ohnehin schon schwere humanitäre Krise noch weiter verschärfen, indem es die Versorgung von Millionen palästinensischen Flüchtlingen in diesen Gebieten mit lebenswichtigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Unterkünften, Bildung und Gesundheitsfürsorge zum Erliegen bringen könnte.“

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist nach eigenen Angaben kein Ersatz für das UNRWA. „Das UNRWA ist für die Menschen im Gazastreifen absolut unverzichtbar“, sagte IOM-Generaldirektorin Amy Pope. „Und ich möchte nicht, dass bei irgendjemandem der falsche Eindruck entsteht, dass die IOM diese Rolle spielen kann, denn das können wir nicht. Aber wir können den Menschen, die sich derzeit in der Krise befinden, Unterstützung bieten.“

Türkei sieht Verstoß gegen Völkerrecht

Die Türkei warf Israel vor, mit dem Einsatzverbot gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Es sei das Ziel Israels, vertriebene Palästinenser an der Rückkehr in ihre Heimat zu hindern, so das Außenministerium in Ankara. Zudem sollten so die Bemühungen um eine Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt unterbunden werden. „Es ist die rechtliche und moralische Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, entschieden gegen Versuche vorzugehen, das durch eine Resolution der UNO-Generalversammlung ins Leben gerufene UNRWA zu verbieten“, hieß es.

UNRWA-Beschäftigte entlassen

Das UNO-Palästinenserhilfswerk war zu Beginn des Jahres in die Kritik geraten, nachdem Israel diesem vorgeworfen hatte, zwölf seiner Beschäftigten seien direkt an dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen.

In der Folge kamen sieben weitere Verdächtige hinzu. Zahlreiche Länder setzten daraufhin ihre Zahlungen vorübergehend aus. Im August wurden neun Beschäftigte wegen einer möglichen Beteiligung am Überfall der Hamas auf Israel entlassen.

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