Polizeigewalt in den USA eskaliert: Was über den Tod von Tyre ...

27 Jan 2023
StartseitePolitikWas über den Tod von Tyre Nichols bislang bekannt ist

Erstellt: 27.01.2023, 14:43 Uhr

Von: Johanna Soll

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Mahnwache in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee für den durch Polizeigewalt getöteten Afroamerikaner Tyre Nichols

Mahnwache in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee für den durch Polizeigewalt getöteten Afroamerikaner Tyre Nichols © Scott Olson / AFP

In den USA müssen sich fünf inzwischen entlassene Polizisten für den Tod von Tyre Nichols verantworten. Sobald das Video veröffentlicht wird, werden Proteste befürchtet.

Washington, D.C. – Nach dem Tod des Afroamerikaners Tyre Nichols bei einer Verkehrskontrolle im US-Bundesstaat Tennessee ist Anklage gegen die fünf beteiligten Polizisten erhoben worden. Diese sind ebenfalls schwarz, wurden inzwischen entlassen und ihnen wird Mord, schwere Körperverletzung und Entführung vorgeworfen, wie Bezirksstaatsanwalt Steve Mulroy am Donnerstag (26. Januar) mitteilte. Am Freitag soll Videomaterial des Vorfalls in Memphis veröffentlicht werden – daraufhin werden Proteste erwartet. US-Präsident Joe Biden rief zu Besonnenheit auf, Demonstrationen müssten friedlich bleiben.

Staatsanwalt Mulroy sagte, die Polizisten hätten beim Tod des 29 Jahre alten Tyre Nichols unterschiedliche Rollen gehabt. „Sie sind aber alle dafür verantwortlich.“ Nichols war am 7. Januar von der Polizei wegen „rücksichtslosen Fahrens“ angehalten worden. Einem Anwalt der Familie zufolge wurde er dann minutenlang zusammengeschlagen. Drei Tage später starb Nichols im Krankenhaus. Die fünf beteiligten Beamten wurden am Mittwoch aus dem Dienst entlassen. Inzwischen wurden sie nach Medienberichten festgenommen.

Die Polizei hatte miteilt, dass es zu einer „Konfrontation“ gekommen sei, nachdem Nichols gestoppt worden sei. Er sei dann zu Fuß geflüchtet. Dabei habe es eine weiteren „Konfrontation“ gegeben. Memphis‘ Polizeichefin Cerelyn Davis zeigte sich schockiert. „Dieser Vorfall war abscheulich, rücksichtslos und unmenschlich“, sagte sie. „Das ist nicht bloß professionelles Versagen. Dies ist ein Versagen grundlegender Menschlichkeit gegenüber einer anderen Person.“ Dies werde in dem Videomaterial deutlich.

Tyre Nichols: Sein Fall erinnert an Rodney King

Anwälte der Familie beschrieben die Aufnahmen als „abscheulich“. Die Polizisten setzten demnach auch einen Elektro-Taser sowie Pfefferspray gegen Nichols ein und fesselten ihn. Der 29-Jährige erlitt nach einer von der Familie in Auftrag gegebenen Autopsie starke Blutungen durch heftige Schläge. Nichols hatte nach Angaben der Familie für einen Kurierdienst gearbeitet und war Vater eines vier Jahre alten Sohnes.

Die Anwälte prangerten rassistisches Vorgehen der US-Polizei gegen Schwarze im Land an und erinnerten an den Fall Rodney King: Der Afroamerikaner wurde 1991 in Los Angeles nach einer Verfolgungsjagd von der Polizei brutal zusammenschlagen. Der Freispruch der Beamten führte damals zu Unruhen mit Dutzenden Toten. King selbst starb 2012.

Tödliche Polizeigewalt in den USA: 2022 war ein Rekordjahr

Biden kondolierte Nichols‘ Familie. Sie verdiene eine rasche, vollständige und transparente Untersuchung. Zugleich rief er dazu auf, dass Demonstrationen friedlich bleiben. „Empörung ist verständlich, aber Gewalt ist niemals akzeptabel.“ Dass Schwarze häufiger von tödlichen Zusammenstößen mit der Polizei betroffen seien, sei eine Tatsache. Vizepräsidentin Kamala Harris schrieb auf Twitter, die Familie und die Menschen in Memphis verdienten, dass Verantwortung übernommen werde. „Und alle Amerikaner verdienen ein Justizsystem, das seinem Namen gerecht wird.“

In den USA kommt es regelmäßig zu tödlichen Polizeieinsätzen ähnlicher Art. Stellvertretend dafür steht der Fall George Floyd: Der Afroamerikaner wurde im Mai 2020 bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis getötet. Der inzwischen zu über 22 Jahren Haft verteilte Ex-Polizist Derek Chauvin saß Floyd mit dem Knie so lange im Nacken, bis er keine Luft mehr bekam. Auch dieser Fall führte zu landesweiten Black Lives Matter-Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus. In den USA sind die Opfer tödlicher Polizeigewalt überproportional Schwarze. Im Jahr 2022 haben US-Polizist:innen im Einsatz mehr Menschen getötet als in irgendeinem der zehn Jahre zuvor. (jso/dpa)

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