Tupperware ist aus unserer emotionalen Vorratskammer nicht wegzudenken. Jetzt musste das Unternehmen trotzdem Insolvenz anmelden.
No Sex, No Sup, Just Tup-Tup-Tup!“ Was wie die Kampfansage heutiger Tradwives (Frauen, die freiwillig in eine prä-emanzipierte Rolle schlüpfen) klingt, begleitete einst einen Befreiungsschlag durch modernste Technik: Den Siegeszug der Tupperware in der Nachkriegszeit, durchgesetzt über soziale Netzwerke, damals noch Partys genannt, bei denen eben weder über Sex gesprochen, noch Alkohol getrunken (Sup) wurde. Sondern nur pastellfarbiges Polyethylen gestreichelt.
Dass es ausgerechnet heutige soziale Netzwerke sind, die den Untergang dieses einst so erfolgreichen US-Unternehmens besiegelten, ist wohl ein Treppenwitz der Geschichte. Jedenfalls hielt die hochpreisige Tupperware der online vermarkteten Konkurrenz schlecht stand; am Dienstag meldete die Firma Insolvenz an. Da half weder der Trend zum Tradwife noch die Adelung durch die Indiskretion, dass selbst Queen Elizabeth II. ihre Müsliflocken in Tupperware verwahrt haben soll.
Dennoch hat sich Tupperware in unser emotionales Gedächtnis eingeschrieben, nahezu jede Familie, auch in Europa, wo Tupperware seit 1961 aktiv ist (der größte Absatzmarkt ist heute übrigens Mexiko), hütet zumindest einen Tupper-Schatz eifersüchtig wie das legendäre Familiensilber: Sei es die „Puderfee“ (die Staubzuckermühle) oder einen der Vintage-Behälter für Knoblauch oder Banane, für die das Motto modernen Designs „Form folgt der Funktion“ erfunden worden zu sein scheint. Und wehe jemand verliert den Deckel.
Kühlschrank nicht selbstverständlichDas erste Produkt, das ein gewisser Earl Tupper (1907-1983) ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Markt brachte, war dagegen noch ein simples Basisprodukt, eine stapelbare Vorratsdose, aus guten Gründen damals allerdings als „Wonderlier Bowl“ bezeichnet. Diese Wunderschüssel war schließlich nicht nur federleicht im Vergleich zum üblichen Geschirr aus Keramik und Glas, sie schloss Verderbliches auch luftdicht ab. In Zeiten, in denen ein Kühlschrank noch keineswegs in jedem Haushalt selbstverständlich war und zum Bedecken von Schalen schon einmal Duschhauben zweckentfremdet wurden, tatsächlich ein kleines Wunder. Das patentierte System Tuppers, das er sich von Farbdosen abgeschaut hatte, ließ die überflüssige Luft per Fingerdruck auf den Deckel entweichen, was zum charakteristischen „Tupper-Seufzer“ führte.
Auch das minimalistische Design stieß auf Anklang, wurde von damaligen Style-Magazinen sogar als „Werk der Kunst um 39 Cents“ gefeiert. Der wirtschaftliche Durchbruch war aber nicht das Verdienst von Earl Tupper. Zum Gesicht der Marke wurde mehr und mehr seine Mitarbeiterin Brownie Wise. Ihre Geschichte ist so außergewöhnlich wie symptomatisch für die Zeit: Die Alleinerzieherin begann aus Not heraus das noch wenig erfolgreiche Tupper-Plastikgeschirr privat zu vertreiben. Wofür sie sich des zwar bereits bekannten Systems des Hausverkaufs bediente, es aber auf unbekannte Weise perfektionierte und eventisierte. Woraufhin Earl Tupper sie ins Unternehmen holte.
Wie keine Frau zuvor startete sie als Verkäuferin durch, wurde als erste auf dem Titelbild der Business Week abgedruckt. Wise gründete eine eigene Zeitung, in der die fleißigsten Vertreterinnen samt ihrer illustren Kundinnen abgebildet wurden. Es gab Prämien wie Cadillacs und Pelzmäntel, jährlich wurde gemeinsam unter verschiedenen Themen gefeiert. Die emotionale Bindung an das Produkt für die Verkäuferinnen und die Kundinnen war enorm.
Film mit Sandra Bullock liegt auf EisZu viel Emotion, zu viel Öffentlichkeit für Brownie Wise. Fand Earl Tupper. 1958 ließen er sie ohne Begründung einfach feuern, ihr Andenken tilgen, ihre Bücher wurden später auf dem Firmengelände sogar „begraben“. Wise wurde Töpferin. Weniger erfolgreich. Sie starb 1992. Bob Kealings Buch „Tupperware Unsealed“ stellte sie 2008 wieder in den Fokus. Sogar ein Film mit Sandra Bullock in ihrer Rolle wurde 2014 angekündigt. Das Filmprojekt scheint von Sony Pictures äußerst gut und luftdicht verpackt irgendwo zu lagern.