Sorge vor Gewaltspirale: Trump-Attentat Zäsur im Wahlkampf

15 Jul 2024

Sorge vor Gewaltspirale

Die Schüsse auf den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump haben umfassende Auswirkungen auf den Wahlkampf, der zuletzt von der Diskussion über die Amtsfähigkeit des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden geprägt war. Die Sorge vor einer weiteren Gewaltspirale nach Monaten verbaler Anfeindungen in den stark polarisierten USA ist groß. Fachleute rechnen jedenfalls damit, dass der Vorfall vor allem Trump nützen dürfte.

Trump - Figure 1
Foto ORF

Online seit gestern, 22.54 Uhr

„In diesem Moment ist es wichtiger denn je, dass wir vereint bleiben und dass wir unseren wahren Charakter als Amerikaner zeigen“, forderte Trump am Sonntag zu Einigkeit auf. Der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sagte, dass die politische Rhetorik in den USA zuletzt sehr hitzig gewesen sei und heruntergefahren werden müsse. Auch Biden rief zu Ruhe auf, er veranlasste zudem einen Stopp seiner Wahlwerbung.

Doch schon kurz nach den Schüssen auf den republikanischen Präsidentschaftsbewerber wurden Stimmen bei Republikanern laut, dass Bidens Wahlkampfrhetorik für die Gewalt bei der Wahlkampfveranstaltung verantwortlich sei.

„Kämpfer“ Trump

Dabei bezogen sie sich auf eine Aussage Bidens vor wenigen Tagen im Wahlkampf, nun weniger seine Person, sondern mehr Trump „ins Visier zu nehmen“. Ein republikanischer Kongressabgeordneter warf Biden sogar „Anstiftung zu einem Mord“ vor. Bisher hatte sich stets Trump herabwürdigender und radikaler Sprache bedient. „Wenn das Land vorher kein Pulverfass war, dann ist es das jetzt“, sagte Chip Felkel, ein republikanischer Politikberater, der nicht zu den Trump-Anhängern zählt, gegenüber Reuters.

Trump gab sich bereits kurz nach dem Attentat kampfbereit

Zudem wurden die schon jetzt als ikonisch gewerteten Bilder von Trump nach dem Attentat mit gereckter Faust neben einer Flagge der USA mehrfach geteilt. Kurz nach dem Attentat streckte Trump seine Faust in die Luft und appellierte an seine Anhänger: „Kämpfen, kämpfen, kämpfen!“ Sein Sohn Eric Trump etwa postete diese Szene in den sozialen Netzwerken, begleitet von dem Kommentar: „Das ist der Kämpfer, den Amerika braucht.“

Wenige Stunden nach der Tat startete Trumps Kampagne zudem einen Spendenaufruf mit der Nachricht: „Sie sind nicht hinter mir her, sie sind hinter euch her.“ In einem internen Memo an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Trump-Kampagne wurden diese gebeten, sich nicht öffentlich zum Schusswaffenangriff zu äußern. Zudem wurde auch gebeten, „die politische Polarisierung in dieser hitzigen Wahl zu erkennen“, zitierte Politico aus dem Memo.

„Märtyrer durch Attentatsversuch“

Fachleute gehen davon aus, dass die Gewalt bei der Wahlkampfveranstaltung vor allem Trump nützen dürfte. Es passe zu seinem Narrativ, dass das Land auf dem falschen Weg sei, analysiert der demokratische Stratege Brad Bannon: „Das versuchte Attentat erzeugt Sympathie für Trump.“ Schon in der Vergangenheit präsentierte sich Trump immer wieder in der Rolle des Opfers und Märtyrers.

„Wenn man einen Attentatsversuch überlebt, wird man zum Märtyrer, weil man eine Welle der öffentlichen Sympathie erhält“, erklärte der auf Präsidentschaftsfragen spezialisierte Historiker Douglas Brinkley von der Rice University gegenüber der „Washington Post“. Auch CNN analysierte, dass Trumps Image „als Kämpfer, der ständig von seinen Feinden angegriffen wird“, nun noch tiefer verankert sein werde.

Trump will bei Nominierungsparteitag teilnehmen

Schon am Montag will Trump bei dem viertägigen Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin nach Angaben seines Wahlkampfteams teilnehmen. Dort war auch geplant, dass er den Kandidaten oder die Kandidatin für das Vizepräsidentenamt präsentiert. Er selbst sollte offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden. Schon hier werden die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen, die nun in Angriff genommen werden, spürbar werden.

Brinkley zieht zudem einen Vergleich zu dem ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt. Auf diesen wurde im Wahlkampf 1912 in Milwaukee ebenfalls ein Attentatsversuch verübt. Brinkley: „Der Zeitpunkt, zu dem Trump nach Milwaukee geht, wo Theodore Roosevelt angeschossen wurde, bietet Trump die größtmögliche Bühne.“

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