TV-Duell gegen Trump: Medien sehen Erfolg für Harris
TV-Duell gegen Trump
US-Medien haben am Mittwoch nach der TV-Debatte zwischen dem ehemaligen republikanischen Präsidenten Donald Trump und der demokratischen Vizepräsidentin Kamala Harris die Demokratin als Gewinnerin des Abends ausgerufen. Trump sei entblößt worden, Harris habe ihn in die Defensive gedrängt, so der Tenor in den US-Qualitätsmedien. Trump indes habe immer wieder dieselben Töne angeschlagen, ohne sich gegen Harris durchsetzen zu können.
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Wiederholt entlockte Harris dem früheren Präsidenten in der 90-minütigen Debatte am Dienstagabend (Ortszeit) wütende Reaktionen auf Themen, die von Abtreibung bis zu Außenpolitik reichten. Harris schaffte es offenbar gleich zu Beginn der TV-Debatte in Philadelphia, Trump aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Die Vizepräsidentin ergriff die Initiative und überraschte Trump, indem sie sich dem Republikaner näherte und ihm zur Begrüßung die Hand entgegenstreckte. Auch danach behielt sie laut einer ersten Umfrage die Oberhand: Laut einer Blitzumfrage des Senders CNN nach der Debatte schnitt Harris bei 63 Prozent der befragten registrierten Wählerinnen und Wähler besser ab als Trump, den nur 37 Prozent als Gewinner sahen.
Harris geht offensiv zu Beginn auf Trump zu und streckt ihm zur Begrüßung die Hand hin „NYT“ lobt HarrisDie „New York Times“ („NYT“) stellte Trump schlechte Noten aus. „(…) Innerhalb von Minuten stieg er (Trump) von einer Diskussion über Zölle zu einer Beschreibung von Immigranten ab – wozu er den ganzen Abend über immer wieder zurückkehrte –, was nur als eine Form selbstbezogener Hysterie beschrieben werden kann“, so die Zeitung.
Den ganzen Abend über habe Harris es immer wieder geschafft, etwas zu tun, was Präsident Joe Biden nicht gelang, als er sich um eine Wiederwahl bewarb: Trump auf eine Art zu provozieren, die entblöße, dass er Lügen und wilde Fantasien von sich gebe.
Die Zeitung sah einen uneingeschränkten Erfolg für Harris, nicht nur, weil sie in der Lage gewesen sei, sich selbst und ihre Pläne zu definieren, sondern auch, weil sie es geschafft habe, „ein paar Knöpfe bei Trump zu drücken und ihn dazu zu bringen, sein wahres Ich zu zeigen“.
„Washington Post“: Harris drehte Spieß umAuch die „Washington Post“ („WP“) sah einen Sieg für Harris. Sie habe sich mit der TV-Debatte einer bedeutsamen Zahl von US-Bürgern und -Bürgerinnen vorgestellt. Trumps Aufgabe sei es gewesen, sie zu diskreditieren. Harris sei klar und eindringlich gewesen. Sie habe mit ihrem Auftreten wahrscheinlich auch neue Wählerinnen und Wähler für sich gewonnen. „Trump war fast den ganzen Abend in der Defensive. Er konnte keinen klaren Angriff auf Harris formulieren, weil er immer noch davon besessen war, Biden zu attackieren“, so die „Washington Post“.
Ein Blick auf die DebatteTrumps Geniestreich habe in früheren Debatten darin bestanden, seine Gegner in die Defensive zu drängen. „Harris drehte den Spieß um und brachte ihn über nahezu die gesamte Nacht in die Defensive. Sie blieb ruhig. Er wurde immer wieder wütend. Sie sah entspannt aus. Er wirkte unglücklich und, gelegentlich knurrend, verärgert“, so die „Washington Post“. Harris habe sich mit ihrem Auftreten für Unentschiedene akzeptabel gemacht, schrieb die Zeitung weiter.
„Politico“: Auf Trumps Unsicherheiten abgezieltÄhnlich sah es das Politmagazin „Politico“. Harris habe gewonnen, und das nicht knapp. Sie habe die Angel ausgeworfen und Trump immer und immer wieder angebissen. „Im ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden Präsidentschaftskandidaten verspottete sie ihn wegen seiner Zuschauermenge, seiner früheren Konkurse, seines geerbten Reichtums und vielem mehr.“
Indem sie sich über Trumps Statur auf der Weltbühne lustig gemacht habe – sie sagte, dass die führenden Politiker der Welt über Trump lachten –, sei ihr ein Seitenhieb gelungen, der direkt auf Trumps persönliche Unsicherheit abzielte.
„Im Ergebnis geriet Trump in die Defensive – und kämpfte damit, Treffer zu erzielen, selbst als die Diskussion mit Themen wie Einwanderung und Wirtschaft auf ein für ihn freundlicheres Territorium überging“, schrieb „Politico“ weiter.
Die ersten Wortwechsel hätten schnell den Ton für die mit Spannung erwartete Debatte vorgegeben. Harris habe bei einer Reihe von Themen das Kommando übernommen. Während Trump anfangs besonnen und gefasst gewirkt habe – was an seine Konfrontation mit Biden erinnerte –, habe er zunehmend frustriert gewirkt, „als Harris ihn mit Nadelstichen traktierte“, so „Politico“.
„USA Today“: Oberhand gegen TrumpÄhnlich „USA Today“: Trump sei mit seinen rechtlichen Problemen, der Wahlnichtanerkennung, der Opposition früherer Verbündeter und der Aufforderung zum Angriff auf das US-Kapitol in der Defensive gewesen. Sogar seine „geliebten Wahlkampfauftritte“ seien zu Diskussionsfutter geworden, indem Harris über sie gespottet habe, sie seien „voller seltsamer Abschweifungen und so langweilig, dass seine Anhänger oft vorzeitig gehen“.
Menschen beobachten die DebatteHarris habe oft erfolgreich versucht, Trump zu verunsichern und zu ködern. Das habe bei Ihm zu defensiven, wütenden und abschweifenden Antworten geführt, da die Vizepräsidentin über weite Strecken des Schlagabtauschs die Oberhand behalten habe, so die Zeitung. Trump habe sich wiederholt dem Thema Einwanderung, seinem Markenzeichen, zugewandt, aber Mühe gehabt, eine konsistente Angriffslinie aufrechtzuerhalten. Er habe sich oft auf vertraute und falsche Behauptungen gestützt, diese seien aber von den Moderatoren korrigiert worden, so die Zeitung.
Trump lobt sich selbstTrump selbst sah offenbar auch, dass die Debatte ein Debakel für ihn war, wollte aber offenbar nach der Debatte seine Sichtweise des Duells durchsetzen. Nur wenige Minuten nach Ende der Übertragung besuchte er unerwarteterweise den Presseraum des National Constitution Center in Philadelphia.
Es sei seine „beste Leistung“ gewesen, sagte er und betonte erneut, dass das Land im Niedergang sei. Auf seiner Onlineplattform Truth Social warf er zudem den beiden ABC-Moderatoren vor, parteiisch gewesen zu sein. „Es war drei gegen einen“, schrieb Trump.
Auch Fox News sieht Harris als GewinnerinAuch der Trump äußerst wohlgesinnte US-Sender Fox News sieht Harris als Gewinnerin, warnt aber vor der Auffassung, dass der Wahlkampf schon vorbei und das Duell entschieden sei. Auch wird Harris nicht der alleinige Erfolg über Trump gegönnt. Fox News argumentiert genau wie Trump, Harris habe Hilfe von den beiden ABC-Moderatoren erhalten, diese hätten offenbar das Bedürfnis verspürt, praktisch alles, was der ehemalige Präsident gesagt habe, auf Fakten zu überprüfen.