Das Traumschiff hat ausgedient – leider

2 Jan 2024

von Thembi Wolf

01.01.2024, 16:15 4 Min.

Unsere Autorin ist ein "Traumschiff"-Ultra. Eigentlich. Doch die aktuellen Folgen zu Weihnachten und Neujahr lassen sie enttäuscht zurück. Zeit, Abschied von einem Format zu nehmen, das so großartig sein könnte.

Traumschiff - Figure 1
Foto STERN.de

Es war ein Flop. Anders kann man es nicht sagen. Das "Traumschiff" fuhr am 26. Dezember die allerschlechteste Quote in seiner Geschichte ein. Nur 4,68 Millionen Menschen schalteten ein, eine Million weniger als am selben Tag vor einem Jahr. Wie schade.  

Bisher habe ich das "Traumschiff" stets verteidigt. Denn ich bin "Traumschiff"-Ultra. Von fast 100 Folgen habe ich deutlich mehr als die Hälfte gesehen. Die meisten liefen bei mir während der Corona-Pandemie, als nicht abzusehen war, ob es sowas wie Urlaub ohne Isolation je wieder geben würde. Also All-Inclusive-Buffets und flirten mit Fremden am Pool, heile Welt und Sonne und strahlend weiße Uniformen. Das "Traumschiff" war für mich der schönste Ort Deutschlands. Volle Kraft voraus Richtung Eskapismus!  

Ein Sheriff mit deutschem Kartoffelakzent 

Doch möglicherweise hatte ich Unrecht. Es war in der aktuellen, der 99. Folge, leider kaum zu übersehen, dass der Tanker ausgedient hat. Die Reise führte in den US-amerikanischen Bundesstaat Utah. Damit, dass Utah eine große Wüste ohne Meerzugang ist, hält man sich nicht weiter auf. Die Kreuzfahrt-Passagiere und das "Traumschiff"-Personal reisen vom Hafen aus mit dem Flieger an. Mitten in der Wüste taucht dann Kai Pflaume auf und spielt mit deutschem Kartoffelakzent einen amerikanischen Sheriff.  Erst einmal ist also alles wie immer: etwas wahnsinnig, aber charmant. 

Das Prinzip der Folgen ist immer dasselbe, drei parallele Geschichten werden erzählt. Meistens: eine lustige, eine spannende und eine Liebesgeschichte. Die Musik ist dudelig und die Narrative rosamundepilchern vor sich hin. Der Kapitän macht in Utah eine Motorradtour und ein Paar namens Annika und Markus möchte seine Ehe retten. Sie hat ihn mit einem Kollegen betrogen. Ein immungeschwächter Rentner geht an Bord, der panische Angst vor Krankheiten hat. Und da geht es los: Er muss fortan für lahme Hypochonder-Witze herhalten, als hätte es nie eine Pandemie mit 6,8 Millionen Toten gegeben.  

Traumschiff - Figure 2
Foto STERN.de

Max Parger (Florian Silbereisen, l) und Martin Grimm (Daniel Morgenroth, r) haben ein Problem: Sheriff Steve McCrown (Kai Pflaume) erkennt ihre Führerscheine nicht an - Szene des Films «Das Traumschiff: Utah», der am  26.12.2023 im ZDF ausgestrahlt wird. 

© Dirk Bartling/ZDF / DPA / Picture Alliance

Die erste "Traumschiff"-Folge lief am 22. November 1981. Sie ist in der Mediathek abrufbar. In "Liebe und Karottensaft" ging es um einen älteren Herrn namens Walter, der versucht, sich vom Buffet fernzuhalten, weil er obsessiv eine Diät einhält. Um ein Ehepaar namens Hermann und Charlotte, das die Reise gewonnen hat und ausschließlich in passiv-aggressiven Dialogen kommuniziert. Ja, das sind, pi mal Daumen, dieselben Figuren wie mehr als 40 Jahre später in Utah. Nur waren die Dialoge damals weniger lahm und die Frauenfiguren durften gelegentlich eigene Konflikte bestreiten.  

Dreierlei vom gekränkten Männerego

In Utah dagegen gibt es Dreierlei vom gekränkten Männerego: Der Kapitän wird mit seinem Motorrad von der Straße gedrängt. Der betrogene Ehemann hat immer wieder Wutausbrüche, bei denen man das Frauenhaus einschalten will. Der Hypochonder-Rentner und Harald Schmidt in seiner Rolle als Unterhaltungsdirektor liefern sich unangenehm schlüpfrige Dialoge mit der armen Collien Ulmen-Fernandes, die als Schiffsärztin an Bord ist. Statt in der Compliance-Abteilung des Kreuzfahrtunternehmens endet dieser Erzählstrang in warmen Worten und Augenzwinkern.  

Das ist altbacken und dröge. Und vermutlich unterschätzen die "Traumschiff"-Autoren ihr Publikum damit kolossal. In der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen schauen nämlich immerhin 14,5 Prozent zu. Mehr von ihnen landen allerdings vermutlich auf Netflix. Zum Beispiel bei der großartigen Reality-Serie "Below Deck", auf der eine Crew mit einer Luxusyacht um die Welt schippert. Ähnliches Setting, aber viel bessere Stories. 

Traumschiff - Figure 3
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Am Format liegt es also nicht. Lächerliche Karikaturen gemeinsam auf ein Kreuzfahrtschiff zu sperren ist dramaturgisch gesehen eine großartige Idee. So viele gute Plots könnten dabei herumkommen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer polyamorösen Familie, die sich am Pool neu verliebt? Mit ein paar diversen Charakteren? Gelegentlich auftretenden nichtweißen Figuren beim "Traumschiff" ist es vorbehalten, Sekt zu servieren, Gepäck in Kofferräume zu verfrachten und am Ende mit den Wunderkerzentorten zum Kapitänsdinner aufzulaufen. Die knapp 30 Prozent Deutschen mit Migrationshintergrund, die auch vor den Fernsehern sitzen, dürften sich davon veralbert fühlen.  

Sascha Hehn, Heide Keller, und Heinz Weiss in der TV Serie "Das Traumschiff", 1981.

© Cola Images / Imago Images

Auch die Ignoranz für die Reiseziele ist langsam peinlich und leider genau das, was deutschen Touristen weltweit nachgesagt wird. Mal wird eine Schildkrötenaufzuchtstation besucht, mal ein Tempel, mal eine Farm. In Indonesien – wohin das "Traumschiff" zur 100. Folge ablegt – führt Florian Silbereisen eine Affäre mit einer verheirateten Frau. Das wäre eine gute Gelegenheit, zu erwähnen, dass Sex unter Unverheirateten dort seit 2022 unter Strafe steht. Das Gesetz gilt auch für Ausländer. Stattdessen kommt in den wenigen Sätzen über das Land das kolonialrassistische Klischee zum Vorschein, die Einheimischen wären so ansteckend fröhlich.  

Wir wäre es mal mit der Klimakrise?

Oder Utah. Die wunderschönen Nationalparks, die Annika und Markus als Kulisse für ihre zähen Beziehungsstreits dienen, sind in Gefahr – die Klimakrise könnte sie unbesuchbar machen. Die Gefahr für Brände steigt und wuchernde Algen produzieren giftige Gase. In Utah gibt es kein Mindestalter für Klagen und eine Gruppe Kinder und Jugendliche hat den Staat gerade verklagt, damit der endlich etwas gegen den Klimawandel tut. Das wäre doch mal eine Geschichte! 

Warum kann ein Format mit einem so breiten Publikum nicht auch harte Themen anpacken, Abtreibung und Sterbehilfe? Migration und Flucht? Oder wie wäre es sonst wenigstens mal mit echten Liebesgeschichten und Beziehungskonflikten? Und Protagonisten, denen ihre Ecken und Kanten zwischendurch ein bisschen auf die Füße fallen? Wo bleibt der Me-too-Moment für die übergriffige Rolle, die Harald Schmidt spielt? Und warum müssen Ehen eigentlich immer "gerettet" werden? 

Die «Traumschiff»-Besatzung von 2017: Sascha Hehn als Kapitän Victor Burger (l-r), Heide Keller als Chefstewardess Beatrice von Ledebur und Nick Wilder als Schiffsarzt Dr. Wolf Sander. 

© Dirk Bartling/ZDF / dpa / Picture Alliance

Die Idee des "Traumschiffs" kommt aus den USA. Dort lief das Format "The Love Boat" neun Staffeln lang beim Sender ABC. Im November 1988 bestiegen das Boot: Ein Ehepaar das gemeinsam einen Diebstahl plant. Eine Frau, die Andy Warhol vermeiden will, weil sie die Zeit vergessen will, als sie in einem seiner Filme mitspielte, und die Crew, die eine Gehaltserhöhung fordert. 

Auf das Happy End muss man trotzdem nicht verzichten. Klimakrise gelöst, Ehe geöffnet, Tarifverhandlung erfolgreich. Auch das wäre eine "Traumschiff"-würdige heile Welt. Und um einiges weniger trist als Annika und Markus, die sich in Utah darauf einigen, ihre lieblose Ehe weiterzuführen – in getrennten Betten. 

#Themen Traumschiff Florian Silbereisen
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