Die dünnste Stimme der New Wave: Tom Verlaine ist tot

29 Jan 2023
Tom Verlaine

Tom Verlaine, Sänger der stilbildenden Band Television, ist 73-jährig in New York gestorben.

Eigentlich hieß er ja Thomas Miller, doch mit 23 gab er sich den Namen Tom Verlaine, nach dem symbolistischen französischen Lyriker Paul Verlaine. Schon damit zeigte er, wonach ihm der Sinn stand: nach Seltsamem, Sensiblem, Unsicherem. Nicht das, was man sich heute unter Punk vorstellt. Damals passte es perfekt. Mit einem anderen Querkopf, Richard Meyer vulgo Richard Hell, gründete Miller/Verlaine 1972 in New York eine Band namens The Neon Boys, die im New Yorker Club CBGB spielte, bevor dieser zum legendären Ort wurde. Er wurde es bald mit diesen Buben, mit den Ramones, Patti Smith, Blondie, Suicide, den Talking Heads und vielen anderen.

Große Songs: „Venus“, „Marquee Moon"

1977, als eine Ladung von Platten erschien, die definierten, was man fortan unter New Wave verstehen sollte, profilierte sich Richard Hell mit „Black Generation“ als Prediger einer nihilistischen Punk-Dekadenz. Sein Neon-Boys-Partner Verlaine hatte einen anderen Weg gewählt. Mit der Band Television, gemeinsam mit dem zweiten Gitarristen Richard Lloyd, schuf er einen nervösen Sound, zu dem seine dünne, angerührt, fast weinerlich klingende Stimme passte wie die Fledermaus in die Grottenbahn. Er sang über Augen wie Teleskope, über Licht, das durch die Nacht führt, und über den Zauber der Venus von Milo. Letzteres mit großen Zeilen wie: „The world was so thin between my bones and skin.“ Und das von einem Mann, der damals (siehe Bild) kaum mehr war als Haut und Knochen. Diese Hypersensibilität macht heute noch kribblig, an den innig verflochtenen Gitarrenlinien hört man heute mehr als damals, dass die New Wave nicht völlig konträr zu mancher Musik der Hippies war.

Die Alben „Marquee Moon“ (1977) und „Adventure“ (1978) kamen jedenfalls sofort in den Kanon der New Wave, Verkaufsschlager wurden sie nicht. Die Band hielt nicht viel länger, Verlaine startete eine Solokarriere, die ihn nicht reich machte, aber feine Songs wie „Kingdom Come“ hervorbrachte. Erfolgreichere Kollegen schätzten ihn, etwa David Bowie und Patti Smith, ebenfalls Freundin französischer Lyrik: Mit ihr blieb er sein Leben lang befreundet. Es war auch ihre Tochter Jesse Paris Smith, die als erste der Öffentlichkeit meldete, dass Tom Verlaine nach kurzer Krankheit friedlich im Kreis engster Freunde in New York City gestorben ist. Er wurde 73 Jahre alt.

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