Tagelang wurde nach dem verschollenen US-Tauchboot „Titan“ gesucht, nun herrscht traurige Gewissheit: Die US-Küstenwache erklärte nach dem Fund von Trümmerteilen in der Nähe des Titanic-Wracks, das private Tauchboot sei durch eine „katastrophale Implosion“ zerstört worden. Alle fünf Menschen an Bord sind tot. Daten sollen nun zeigen, dass die US Navy die Implosion bereits am Sonntag registriert hatte.
Nach tagelanger Suche nach dem im Nordatlantik verschollenen Mini-U-Boot „Titan“ mit fünf Menschen an Bord herrscht Gewissheit: Die US-Küstenwache erklärte am Donnerstagabend nach dem Fund von Trümmerteilen nahe des Wracks der „Titanic“, das private US-Tauchboot sei durch eine „katastrophale Implosion“ zerstört worden. Demnach kamen alle fünf Menschen an Bord ums Leben.
Die genaue Unglücksursache, also was die Implosion bewirkt hatte, war zunächst unklar. Naheliegend ist vor allem ein Bruch der Fensterscheibe: 2018 hatte ein leitender Ingenieur der Titan-Herstellerfirma Oceangate im US-Staat Washington bemängelt, dass das Spezialglas des Fensters für die avisierte Tauchtiefe von 4000 Metern nicht geeignet sei, sondern nur etwa für 1300. Allerdings ging es damals noch ums Testmodell der Titan und es dürfte später eine neue Scheibe eingebaut worden sein. 2020 war von überraschend starker Materialermüdung des aus Kohlefaser bestehenden Rumpfs die Rede. Das wurde angeblich repariert, der Rumpf verstärkt - wie es heißt aus Material der Firma Boeing, dessen garantierte Nutzungsdauer aber schon abgelaufen war und deshalb billiger erworben werden konnte. Bei Boeing war man dieser Tage freilich um die Feststellung bemüht, dass man mit Entwurf und Bau des Tauchboots im Prinzip nichts zu tun gehabt habe.
Admiral John Mauger von der US-Küstenwache sprach bei einer Pressekonferenz in Boston vom „katastrophalen Verlust“ des Mini-U-Boots. „Ich spreche den Familien mein tief empfundenes Beileid aus“, fügte der regionale Leiter der Küstenwache hinzu. Nach Tagen der Ungewissheit für die Familien verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, „dass diese Entdeckung ihnen in dieser schwierigen Zeit etwas Trost bietet“.
Alle fünf Insassen des verschollenen Tauchboots „Titan“ dürften tot sein, teilte der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, bei einer Pressekonferenz mit, nachdem Trümmerteile gefunden wurden. APA / AFP / Joseph Prezioso
Kurz zuvor hatte die Betreiberfirma Oceangate Expeditions erklärt, sie gehe vom Tod der Insassen der „Titan“ aus. „Wir trauern um den Verlust von Leben.“ An Bord des Mini-U-Boots befanden sich der Chef von Oceangate Expeditions, Stockton Rush, der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der britisch-pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman sowie der französische „Titanic“-Experte Paul-Henri Nargeolet.
Die „Titan“ war am Sonntag zu einer touristischen Tauchfahrt zum in rund 3800 Metern Tiefe liegenden Wrack der 1912 mit etwa 1500 Menschen an Bord gesunkenen „Titanic“ aufgebrochen. Nach eindreiviertel Stunden brach der Kontakt zum Begleitschiff ab, von dem etwa 6,5 Meter langen U-Boot fehlte seitdem jede Spur.
Die wievielte Tauchfahrt zur Titanic es war, war übrigens bisher unklar. Die erste kommerzielle Fahrt dieser Art fand sicher im Sommer 2021 statt, nach ersten Informationen hieß es, diese Todesfahrt jetzt sei erst Nummer drei gewesen. In einem Text in einem Fachmagazin vom Herbst 2022 ist allerdings von 13 Fahrten die Rede. Die jetzige war heuer die erste, demnach also Nummer 14.
Implosion bereits am Sonntag „gehört“Wie zuerst das „Wall Street Journal“ berichtete, dürfte allerdings ein akustisches Unterwassererkennungssystem der Navy die Implosion bereits am Sonntag in Echtzeit registriert haben. „Die US-Marine führte eine Analyse der akustischen Daten durch und entdeckte eine Anomalie, die auf eine Implosion oder Explosion in der allgemeinen Umgebung des Einsatzorts des Titan-Tauchboots zurückzuführen war, als die Kommunikation unterbrochen wurde“, sagte ein Sprecher dem Sender ABC. Eine Implosion ist die Zerstörung eines Hohlkörpers durch äußeren Druck, also das Gegenteil einer Explosion.
Um welches Horchsystem es sich handelt, vermeldete das Wall Street Journal auf Bitte der US Navy nicht. Sofern es aber nicht etwas eher Neues ist, liegt‘s auf der Hand, dass es sich um SOSUS (Sound Surveillance System) handelt. Das sind Mikrophone (hier sagt man Hydrophone), die bereits ab den 1950er-Jahren auf dem Meeresgrund oder auf Bojen platziert wurden, um Schiffsbewegungen zu erkennen, wobei es primär um sowjetische U-Boote ging; heute natürlich um solche insbesondere der Russen und Chinesen. Wegen der im Vergleich zu Luft um ein Vielfaches schnelleren und daher weiteren Ausbreitung von Schall im Wasser kann jede dieser Stationen Hunderte Kilometer weit hören.
Die Existenz von SOSUS wurde erst 1991 offiziell eingeräumt, war aber viel früher vermutet und auch angesprochen worden - unter anderem im Buch „Der Dritte Weltkrieg“ des früheren australisch-britischen Generals Sir John Hackett von 1978, in dem dieser einen fiktiven Weltkrieg mit Schwerpunkt Europa anno 1985 beschreibt. Der endet übrigens mit der Niederlage der Sowjets, in erster Linie ausgelöst durch einen Putsch von ukrainischen (!) Nationalisten im Kreml.
Schwerpunkte von SOSUS waren/sind die Lücken zwischen Grönland, Island und Schottland, die Küstengebiete der USA, die Aleuten im Nordpazifik. Einzelne Stationen gab oder gibt es noch etwa im Mittelmeer, im Südatlantik und Indischen Ozean. Glaubt man einer verbreiteten Karte, sind zwei SOSUS-Stationen südlich bzw. südwestlich von Neufundland. Beide waren demnach dem Unglücksort der Titan sehr nahe. Dass die Implosion nicht schon am Sonntag für Alarm gesorgt hatte, dürfte einfach daran liegen, dass der Knall zu leise und kurz war und im allgemeinen Geräuschhintergrund kaum auffiel.
Vermutete SOSUS-Hydrophone Mitte der 2000er-Jahre. gemeinfrei
Am Donnerstagabend gab die US-Küstenwache jedenfalls den Fund eines „Trümmerfeldes“ nahe des Wracks der „Titanic“ bekannt. Im Umkreis der Titanic liegen zwar viele Trümmer sowie Objekte aus dem Schiffsinneren, doch wurde bestätigt, dass es sich diesfalls zweifellos um Teile der „Titan“ handelte. Die Trümmer lagen rund 500 Meter vom Bug der Titanic entfernt auf dem Meeresboden.
Klopfgeräusche schürten HoffnungEinsatzkräfte hatten in den vergangenen Tagen aus der Luft und mit Schiffen unter Hochdruck nach der „Titan“ gesucht. Es bestand die Hoffnung, dass das Tauchboot trotz des enormen Wasserdrucks in den Tiefen des Ozeans unbeschädigt sein könnte und die Insassen noch leben könnten.
Allerdings war von Anfang an klar, dass für eine Suche nur wenig Zeit bleibt. Auch wenn das Tauchboot noch intakt gewesen wäre, der Sauerstoffvorrat hätte nur für 96 Stunden ausgereicht. Theoretisch wäre der Sauerstoff damit im Verlauf des Donnerstag ausgegangen.
Zwischenzeitlich hatte die Ortung von Unterwasser-Klopfgeräuschen für neue Hoffnung gesorgt. Es blieb aber unklar, woher die ab Dienstag registrierten Geräusche kamen. Sie könnten tierischen Ursprungs gewesen sein (etwa Klickgeräusche von Walen) oder Folge von tektonischen Bewegungen im Meeresboden bzw. der Kontinentalplatte.
Rettungseinsatz mit neun SchiffenFür den Rettungseinsatz war eine Reihe von Schiffen, einige davon mit Tauchrobotern und weiterem Spezialgerät, in das riesige Suchgebiet geeilt, das knapp 650 Kilometer vor der Küste der kanadischen Provinz Neufundland liegt. Zuletzt befanden sich neun Schiffe in der Region, sie stammen aus Kanada, den USA, Großbritannien und Frankreich. Gefunden hat das Wrack letztlich ein kanadischer Tauchroboter namens „Odysseus 6k“. Wo die Körper der Vermissten sind, wurde unterdessen bisher nicht gesagt.
Der Tod der fünf Insassen des Mini-U-Bootes sorgte für bestürzte Reaktionen. US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas sprach den Angehörigen sein Beileid aus und dankte der US-Küstenwache und den an der Suche beteiligten Partnern für ihren Einsatz. Der britische Außenminister James Cleverly sprach auf Twitter von „tragischen Neuigkeiten“ und sprach den Angehörigen der Toten ebenfalls sein Beileid aus.
Die Betreiberfirma Oceangate teilte mit, die fünf Männer an Bord seien „echte Forschungsreisende“ gewesen, mit „speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt“. Man trauere und sei mit den Herzen bei den Angehörigen, hieß es weiter. Auch für die Mitarbeiter sei es eine „extrem traurige Zeit“. (ag./Greber)