Bei seinem ersten Auftritt an der Seite Kamala Harris‘ gab Tim Walz den humorigen Scharfmacher gegen Donald Trump. Er ist sich der Außenwirkung bewusst: Popkultur als Politik.
Kamala Harris überrascht dieser Tage. Zuerst mit einer perfekten Übernahme der demokratischen Wahlkampfoperation von Joe Biden. Dann mit einer Kampagne, die die eigene Partei wieder jubeln lässt – und beim Gegner, Donald Trump, zu Panik geführt hat. Und jetzt mit ihrer Wahl eines Vizepräsidentschaftskandidaten: Mit Tim Walz, dem Gouverneur Minnesotas, hatte eigentlich niemand gerechnet.
Doch Harris‘ Instinkt scheint der richtige zu sein. Walz hielt am Dienstag in Philadelphia seine erste Rede in der neuen Rolle – unter ohrenbetäubendem Jubel des Publikums. Der 60-Jährige schien selbst mehrmals an dem Abend überwältigt zu sein von dem historischen Moment, in dem er sich wiederfand.
Weg mit der OberlehrerhaftigkeitDas hinderte ihn nicht daran, ordentlich auszuteilen. Harris hat den Mann nämlich mit gutem Grund ausgesucht. Oberflächlich mag Walz den netten Lehrer geben, den zugewandten Onkel, doch geht es um den Angriff auf den politischen Gegner, kennt sich der Ex-Football-Coach und Armeeveteran aus. Walz kann jedes Meme referenzieren, das im Internet herumschwirrt; J. D. Vance, der Trumps Vizepräsident werden will, musste am Dienstag heftig einstecken.
Harris gefällt‘s, wie es scheint. Sie konnte gestern Abend nur mit Mühe sich das Lachen verkneifen. Das Publikum in Philadelphia musste freilich nicht staatstragend bleiben: Hier kam Walz richtig gut an. Das neue demokratische Führungsduo mag es offenbar humorig, und der frische Wind, den man nach Bidens Abgang spüren kann, beflügelt die Partei. Nach Jahren, in denen die Demokraten versuchten, Trump mit Oberlehrer-Artigkeit das Wasser abzudrehen, greifen ihn Harris und Walz nun mit seinen eigenen Waffen an. Entertainment und Witz; Popkultur statt Politik.
Trumps Angriff ging nach hinten losReicht das aber, um eine Wahl zu gewinnen? Die USA steuern möglicherweise auf eine Rezession zu, und die Wähler haben konsistent eine Sorge: dass das Leben schlicht zu teuer wird. Bislang hat Harris wenig dazu verraten, wie sie mit den großen Fragen, die die Bevölkerung umtreiben, umgehen will. Man erkennt nur: Sie will einen launigen, lustigen, positiven Wahlkampf führen, und die Walz-Wahl ist ein weiteres Indiz dafür. Dass er – wie sie – als progressiver Demokrat gilt, und ihre Kandidatur dadurch noch weiter nach links schiebt, scheint sie wenig zu kümmern. Man kann ja mit Memes Wahlkampf führen, scheint das Credo der Harris-Kampagne zu sein.
Übrigens: Die Trump-Maschinerie sucht indes bereits nach Lücken in Walz‘ Lebenslauf. Dank Walz, lautete ein Slogan am Dienstag, dürften in Minnesota auch verurteilte Straftäter wählen gehen. Eine überraschende Wortwahl: Immerhin ist Trump selbst genau das.