Thomas Bach tritt 2025 als IOC-Präsident ab

Thomas Bach

Mitte Oktober 2023 eröffnete sich Thomas Bach auf der 141. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Mumbai die Möglichkeit, über 2025 hinaus Präsident des IOC zu bleiben – länger als die vorgesehenen zwölf Jahre die Olympische Welt regieren zu können. Wenn er denn wollte. Die dafür nötige Änderung der Charta, die Rechtsgrundlage einer solchen Grundsatzentscheidung, würde er sich zweifellos schaffen lassen können. Wenn er denn wollte. Mitte August 2024 steht fest: Thomas Bach will nicht. Will nicht mehr. Er lässt die Charta unangetastet.

Das teilte der 70 Jahre alte Jurist am Samstag, dem Schlusstag der 142. Vollversammlung des IOC, in Paris mit. Bach tritt nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit als IOC-Präsident im Juni 2025 ab. Mitte März, auf der nächsten Session in Athen, wird sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin gewählt werden. Dann bleiben drei Monate zur Amtsübergabe. Das ist einmalig in modernen Zeiten. Auch bei Bach selbst in Buenos Aires war es so: Nach der Wahl übernimmt der Sieger – und es waren in den 130 Jahren seit der Gründung des IOC im Juni 1894 in Paris stets Sieger, nie Siegerinnen. Das könnte sich ändern.

Das Geld wird fließen, das ist ein Versprechen, sein Versprechen

„Neue Zeiten verlangen nach neuer Führung“, sagte Bach am Samstag mit Verweis auf Herausforderungen, die der „digitale Tsunami“ mit sich bringe: „In meinem Alter bin ich nicht der beste Kapitän.“ Das Steuerrad des Schiffes gehöre in die Hände einer oder eines anderen.

Das hatte in Mumbai ganz anders geklungen. Nicht von Bach selbst. Aber in den Stimmen der zahlreichen IOC-Mitglieder, die ihn zum Bleiben aufforderten. John Coates, der Australier, Chefjurist, Consigliere im Inneren des Olymps und vielleicht der einzige tatsächliche Freund Bachs in diesem Zirkel, hatte durchblicken lassen, vorbereitet gewesen zu sein. Die IOC-Mitglieder, in wesentlichen Teilen unter Bach eingerückt, sind ihm in großem Maße ergeben.

Bisweilen nahmen IOC-Sitzungen in den acht Jahren Bach personenkultische Züge an. Bei der Wiederwahl 2021, das IOC tagte digital, glitten Ergebenheitsadressen ins Unangenehme ab. Aus diesem Kreis meutert keiner. Es würde auch niemand Bachs Abgang über die Gangway forcieren wie ein junger Kaiser in der berühmten Karikatur zu Bismarcks Abschied. Bach hat angeschafft. Kein Zufall, dass er bei der Abschiedsankündigung auf die 13,5 Milliarden Dollar zu sprechen kam, die bis 2032 garantiert sind. Ergänzung: „Und die Pipeline ist voll.“ Das Geld wird fließen. Das ist ein Versprechen. Sein Versprechen.

Bis Samstag hatte Bach sich alle Optionen offengelassen. Unter Verweis auf einen Rat der IOC-Ethikkommission hatte er eine öffentliche Positionierung auf die Zeit nach Ende der Spiele von Paris geschoben. Nun, da er sich entschieden hat, lässt sich spekulieren. Was hat sich getan in den vergangenen zehn Monaten? Welche Gefahr bestand im Herbst, die nun gebannt scheint? Wer kommt für eine Nachfolge in seinem Sinne in Betracht?

Bach sagte am Samstag, er stehe seinem Nachfolger, seiner Nachfolgerin gerne und jederzeit mit Rat zur Seite, sollte dieser gewünscht sein. Das kann ein Fingerzeig sein. Und: Zeigen die intensiven russischen Attacken, die von Moskau aus geführte Zersetzungskampagne Wirkung? Zu diesen offenen Punkten gibt es mit Schluss der Spiele von Paris keine definitiven Erkenntnisse. Gewiss ist, dass Bach, der am Samstag auch sagte, auf die „Meinung meiner Familie“ gehört zu haben, von seiner Frau Claudia sicher keine Ermutigung zum Weitermachen gehört haben wird. Allein – das dürfte auch vor Mumbai schon so gewesen sein.

Der Wahlkampf um die Nachfolge ist nun offiziell eröffnet. Dass jemand gegen Bachs Zustimmung ins Amt kommt, scheint nahezu ausgeschlossen. Beobachter hatten die Tatsache, dass die IOC-Mitglieder Kirsty Coventry und Juan Antonio Samaranch junior Mitte Juli bei der Hochzeit von Anant Ambani und Radhika Merchant in Indien zu Gast waren, als Hinweis gedeutet, dass das olympische Buhlen begonnen habe. Nita Ambani, die Bräutigammutter und Gattin des Multimilliardärs Nikesh Ambani, ist einflussreiches IOC-Mitglied. In Paris spielten weder Coventry noch der ewige „Juanito“, Sohn von Juan Antonio Samaranch, der das IOC von 1981 bis 2001 geführt hatte und in vielerlei Hinsicht ein Lehrmeister Bachs war, eine Rolle. Sebastian Coe, Chef der Leichtathleten, will eine Kandidatur erwägen.

Sehr viel auffälliger war, wie sich die Prinzessin Reema Bandar Al-Saud einbrachte. Sie, die eloquente Botschafterin des Hauses Saud in Washington D.C., ergriff bei zwei Themen das Wort: Sie baute umgehend eine Brücke, als das IOC den Amerikanern vor das Schienbein getreten und bekannt gegeben hatte, die Umsetzung des Rodchenkov Acts, die weltweite Strafverfolgung von Doping, werde mit einem Sonderkündigungsrecht mit Blick auf die Winterspiele 2034 in Salt Lake City bestraft. Und Reema sprach am Samstag „als arabische Frau“, für Imane Khelif, die algerische Boxerin, und klar und deutlich gegen die Art und Weise, wie mit Khelif in den zurückliegenden Tagen umgegangen worden ist.

Inhalt und Form der Beiträge ragten über die bei den IOC-Tagungen derzeit üblichen Beiträge deutlich hinaus. Und wer würde gegen Saudi-Arabien antreten wollen, das sich, nach Milliardeninvestments quer durch die relevantesten Sportarten gerade erst für zwölf Jahre als Gastgeber olympischer E-Sport-Spiele eingekauft hat, sich in Paris stundenlang präsentieren durfte? Wer würde gegen Saudi-Arabien antreten können? Spekulation auch das. Sicher ist: Bach hört auf. Aber nicht, ohne die Lage in der ihm zusagenden Art und Weise geordnet zu haben. Bis zur nächsten IOC-Session in Athen dürfte diese Ordnung sichtbar werden.

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