Das Theater an der Wien blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Am 12. Oktober meldet sich das Opernhaus nach einer Generalsanierung zurück. Der volle Betrieb wird aber erst im nächsten Jahr wieder aufgenommen.
Es zählt zu den traditionsreichsten Theaterhäusern Wiens - und hat doch in der Geschichte seines 223-jährigen Bestehens zahlreiche fundamentale Richtungswechsel erlebt: das Theater an der Wien, Geburtsort von Beethovens „Fidelio“, Heimat von Volksstück, Operette und Mozartstil, schließlich Musical-Flaggschiff und nun schon längere Zeit wieder Opernhaus - neuerdings unter dem Namen Musiktheater an der Wien.
Der in den vergangenen zweieinhalb Jahren generalsanierte Bau hat schon viel gesehen. 1801 von Emanuel Schikaneder und Bartholomäus Zitterbarth gegründet, zählte das Haus zu den wenigen Vorstadttheatern, die sich außerhalb der Wiener Innenstadt dauerhaft behaupten konnten. Eng verbunden ist das Haus mit Ludwig van Beethoven, der von Schikaneder bereits 1803 als Hauskomponist und Kapellmeister engagiert wurde. Zu seinen Uraufführungen am Theater an der Wien zählen etwa der „Fidelio“ oder die „Eroica“.
Doch schon in den Anfangsjahren - angestoßen meist von Geldsorgen - wechselte die inhaltliche Ausrichtung des Hauses wiederholt. Ab den 1820er-Jahren wird man zur Heimstätte für Raimund und Nestroy, der unter anderem „Lumpazivagabundus“, „Der Talisman“ oder „Das Mädl aus der Vorstadt“ uraufführte, ab den 1860ern beginnt hier der Siegeszug der Wiener Operette: 1874 wird Strauss' „Fledermaus“ im Haus uraufgeführt, unter der Betreiberfamilie Marischka, die das Theater schließlich 1960 an die Stadt Wien verkaufen wird, entstehen fast 40 Jahre lang Publikumserfolge, von der „Lustigen Witwe“ bis „Gräfin Mariza“.
Von „Cats“ und „Elisabeth“ zurück als OpernhausDen Zweiten Weltkrieg übersteht das Theater unbeschädigt und wird unmittelbar danach erneut zum Ort der Stilprägung: Die ausgebombte Wiener Staatsoper bezieht hier ihr Ausweichquartier und bringt Mozart-Opern heraus, die bis heute einen „Wiener Mozartstil“ definierten. Nach Kauf und Umbau durch die Stadt wird das Theater 1962 als Festspielhaus der Wiener Festwochen wiedereröffnet - und schließlich im Verband der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) unter Intendanten wie Peter Weck und Rudi Klausnitzer zur Musicalbühne. Große Erfolge markieren etwa die deutschsprachige Erstaufführung von „Cats“ oder die Uraufführung von „Elisabeth“.
2006 wurde das nächste Kapitel in der Geschichte des Hauses aufgeschlagen: Mit Intendant Roland Geyer kehrte die Oper in die künftig als „Das neue Opernhaus“ firmierende Institution zurück. Das knapp 1.200 Sitz- und Stehplätze fassende Haus läuft seither im Gegensatz zu Volks- und Staatsoper im weltweit dominierenden Stagionebetrieb, zeigt also jeweils eine szenische Inszenierung mehrfach, bevor diese der nächsten Platz macht. So ist hier monatlich eine Premiere zu erleben. Deshalb besitzt man auch kein eigenes Ensemble oder Orchester, sondern engagiert die Beteiligten jeweils für eine konkrete Produktion, wobei auf Orchesterseite vor allem die Wiener Symphoniker und das RSO zu den Stammgästen gehören.
Theater an der Wien meldet sich mit Festakt zurückProgrammatisch orientierte man sich anfangs an der Leitlinie „Bis Mozart“ und der Moderne, auch wenn diese Grenze mit den Jahren vermehrt zugunsten von Werken des 19. Jahrhunderts überschritten wurde. Mit Originalklang, selten gespielten Stücken und spannenden Besetzungen etablierte man sich erstaunlich schnell als Stimme im internationalen Opernbetrieb.
Diesen Weg ging auch der neue Intendant Stefan Herheim weiter, der mit Saisonbeginn 2022/23 die Nachfolge Geyers antrat - allerdings nicht im Traditionshaus am Wienfluss, sondern im Ausweichstandort Museumsquartier. Schließlich wurde der Altbau im März 2022 für eine Generalsanierung geschlossen, die am 12. Oktober mit einem Festakt offiziell abgeschlossen wurde. Die erste szenische Premiere des nun als „Musiktheater an der Wien“ firmierenden Stagionehauses wird aufgrund baubedingter Verzögerungen allerdings am 18. Jänner 2025 erfolgen. Wieder ein neues Kapitel in einem noch nicht zu Ende geschriebenen Buchs Kulturgeschichte. (APA)