Die Hitserie „The Bear“ und ihre ärgerliche 3. Staffel

14 Aug 2024

Die Serie „The Bear“ rund um den Koch Carmy und seine Truppe sorgt für anhaltende Euphorie. Jetzt erscheint die dritte Staffel auch endlich im deutschsprachigen Raum. Nur leider dümpelt die vor sich hin, ohne wirklich vom Fleck zu kommen.

The Bear - Figure 1
Foto FM4

Von Jan Hestmann

„Let it rip!“ Der Abschiedsbrief des verstorbenen Bruders an den verbissenen Profikoch Carmy sorgt am Ende der ersten Staffel für eine kleine Träne. Der Ausruf ist dabei charakteristisch für die Serie, die die Welt in kürzester Zeit im Sturm erobert hat. „The Bear“ ist High-Speed- und High-Pressure-Unterhaltung. Schon in der ersten Szene der allerersten Folge werden wir unvermittelt ins Chaos einer schmutzigen Kleinküche irgendwo in Chicago geschmissen. Es wird gebrüllt, es wird hantiert, Fett spritzt und die Nerven liegen schnell mal blank.

Dieses Gefühl von stetiger Überforderung versteht die Serie meisterhaft von seinen Protagonist:innen auf sein Publikum zu übertragen. Schnelle Schnitte, pausenloses Stimmengewirr - „The Bear“ hält uns atemlos, und das fasziniert zu Recht. Aber es ist nicht nur die permanente Rastlosigkeit, die „The Bear“ zur Serie der Stunde macht. Es ist vor allem auch das wunderbare Ensemble inmitten dieses Wahnsinns, das uns schnell ans Herz wächst:

„The Bear“ Staffel 3 ist ab 14. August 2024 auf Disney Plus zu sehen.

Carmen „Carmy“ Berzatto (gespielt von Jeremy Allen White), der Sternekoch, der nach einer traumatischen Ausbildung in den leicht abgefuckten Chicagoer Imbiss The Original Beef of Chicagoland seines toten Bruders Mikey (Jon Bernthal) zurückkehrt - mit dem Ziel, hier alles umzukrempeln und den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die junge ambitionierte Sydney (Ayo Edebiri), die bei ihm anheuert, schnell lernt und bald ihr ganz eigenes Ding verfolgt. Der cholerische Cousin Ritchie (Ebon Moss-Bachrach), der im „Beef“ arbeitet und eigentlich nur will, das alles so bleibt, wie es immer schon war.

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Ensembledrama mit Stars und Stress

Sie und viele andere mehr oder weniger liebenswürdige Charaktere, die kommen und gehen und dem Betrieb Leben einhauchen, machen die Serie „The Bear“ so speziell. Das und die unkonventionelle Herangehensweise, einzelnen Episoden keine einheitliche Länge zu verpassen, sondern ihnen einfach soviel Zeit zu geben, wie sie brauchen. So hat die mit Abstand stressigste Folge aus Staffel 1, „Review“, gerade mal eine Lauflänge von 20 Minuten - und das ist auch vollkommen ausreichend, denn danach ist man fix und fertig.

Die Folge „Fishes“ aus Staffel 2 hingegen hat eine stolze Gesamtlänge von einer Stunde und zählt wohl zu den intensivsten Momenten der jüngsten TV-Geschichte. In der Folge, die zuletzt auch jede Menge Emmy-Nominierungen eingeheimst hat, gerät ein Familienessen an Weihnachten gewaltig aus den Rudern - Jamie Lee Curtis brilliert in einem Gastauftritt als Carmys emotional instabile Mutter, Bob Odenkirk als fieser Onkel.

The Bear - Figure 2
Foto FM4

Damit sind wir auch schon bei der steigenden Stardichte, die die Serie ab Staffel Zwei bekommt. In „Fishes“ ist das durchaus charmant. Auch über Olivia Colman als Sterneköchin und Mentorin Terry in der darauffolgenden Folge „Forks“ freut man sich. Gleichzeitig macht sich in Staffel 2 allmählich ein Gefühl breit, das in der jetzt erschienenen dritten Staffel überhand nimmt. Man weiß nicht mehr so genau, wo die Serie eigentlich hin will.

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Carmy und die Faks

In Staffel 3 regiert die Unentschlossenheit

Die Knackigkeit der ersten Staffel schwindet zunehmend und die weiteren Promi-Auftritte in der neuen Staffel wirken wie Lückenfüller, um die fehlende Handlung zu kaschieren. Der kurze Auftritt von John Cena als der muskulöse Fak-Bruder verleitet kurz zum Schmunzeln, aber bringt die Story auch keinen Millimeter weiter. Das wäre kein Problem, würden das andere Plotpoints machen. Aber Staffel 3 tritt die meiste Zeit auf der Stelle. Zu wenig Relevantes passiert. Und die Szenen mit den Fak-Brüdern, die wohl für einen erhöhten Comedy-Anteil in der Drama-Serie sorgen sollen - immerhin wird „The Bear“ von den Emmys, wieso auch immer, als Comedy kategorisiert - nehmen viel zu viel Platz ein und nerven ziemlich bald.

Die Unentschlossenheit der dritten Staffel zeigt sich auch anhand der Figur Claire (Molly Gordon). In Staffel 2 wird sie als Carmys Love Interest eingeführt. Am Anfang fühlte sich das wie ein etwas überflüssiger Nebenplot an - schließlich soll’s hier ja primär ums Kochen gehen. Aber nach und nach konnte Claire durchaus Sympathiepunkte sammeln, bloß um jetzt in Staffel 3, mit Ausnahme einer kleinen Szene, komplett von der Bildfläche zu verschwinden. Ihre Abwesenheit hängt zwar wie ein Damoklesschwert über Carmy, gleichzeitig fühlt sich diese Abwesenheit aber auch irgendwie egal an.

Schön: Ayo Edebiris Regiedebüt und Weezer

Es gibt natürlich auch schöne Momente in Staffel 3. Die schon im Vorfeld gehypte Folge 6 („Napkins“), bei der Ayo Edebiri - mittlerweile ein Superstar - Regie geführt hat und die sich ganz auf die Figur von Tina (Liza Colón-Zayas) konzentriert, ist ein kleines und sehr berührendes Kunststück. Vor allem die Szene am Ende, in der Tina mit Mikey ins Gespräch kommt und schließlich den Job bekommt, sorgt für Gänsehaut. Abgesehen von dieser Folge etabliert sich vor allem Ritchie, wie auch schon in Staffel 2, weiter als Everybody’s Darling und seine Leidensgeschichte zur interessantesten Sidequest.

Die Charakterentwicklungen von Carmy und Sydney hingegen bleiben weitgehend auf der Strecke. Während Sydney die ganze Staffel lang damit hadert, ob sie in die Küche von Chef Adam (Adam Shapiro) wechseln soll, tüftelt Carmy lieblos an neuen gefinkelten Gerichten - die allesamt im Müll landen. In der letzten Folge von Staffel 3, die mit „In the Garage“ von Weezer eröffnet (der generell tolle Soundtrack von „The Bear“ muss an dieser Stelle erwähnt sein und prägt seit Jahren meine Playlists), und in der Carmy in einer sehr unangenehmen Szene mit seinem früheren Ausbildner David Fields (Joel McHale) konfrontiert wird, kommt dann endlich wieder etwas Bewegung rein.

Aber gerade der starke Abschluss von Staffel 3 ist so ärgerlich, weil man das Gefühl bekommt, neun Folgen Stillstand durchgesessen zu haben, um endlich hier zu landen, wo dann nur „to be continued“ steht. Das wirkt schon sehr dreist - obwohl es natürlich funktioniert und wir jetzt wieder die Tage zählen, bis Staffel 4 endlich erscheint, wenn auch mit etwas gedämpfterer Vorfreude als bisher. Der ursprünglichen Klasse dieser Serie ist das nicht angemessen.

Publiziert am 14.08.2024

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