Haifa bis Tel Aviv: Ein Taxi-Fahrer erzählt vom Einfluss des Krieges
Hallo Taxi: «Der Krieg hat meinen Beruf viel schwieriger gemacht.»
Taxifahrer aus aller Welt erzählen im NZZ Folio aus ihrem Leben. Diesmal: Helf Zaidan, Haifa, Israel.
NZZ
Helf Zaidan ist 32 Jahre alt und stammt aus dem Norden von Israel. In Haifa lebt er mit seiner Frau, zur Arbeit kommt er nach Tel Aviv. In der grösseren Agglomeration leben hier knapp vier Millionen Menschen.
Zaidan kümmert weniger die Gefahr, die seit einigen Wochen zugenommen hat, nachdem Israel den Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah getötet und Bodentruppen nach Libanon geschickt hat. Die Schiitenmiliz schickt immer noch täglich Dutzende Raketen über die Grenze. Doch der Taxifahrer findet es vor allem problematisch, dass das fehlende GPS-Signal im Norden seinen Job unmöglich macht.
Zaidan fährt einen weissen Renault Mégane und arbeitet viel: zwölf Stunden am Tag, meistens sieben Tage die Woche. Schon seit drei Jahren fährt er Taxi, doch so schlecht wie jetzt ging es ihm noch nie. Zaidan fährt mit der israelischen Gett-App, die ähnlich wie Uber funktioniert. Eine 25-minütige Fahrt (18 Kilometer) kostet umgerechnet 35 Franken. Der Gazakrieg setzt ihm zu – nicht nur ökonomisch.
Wie hat der Krieg das Taxifahren verändert?
Vor dem 7. Oktober 2023 bin ich gerne Taxi gefahren. Ich mag es, mich mit den Fahrgästen zu unterhalten. Aber der Krieg hat meinen Beruf viel schwieriger gemacht. Gerade am Anfang sind die Menschen eher zu Hause geblieben, und auch jetzt verreisen sie weniger.
Was bedeutet das für Ihre Einnahmen?
Vor dem Krieg habe ich 17 000 Schekel (3900 Franken) im Monat verdient, jetzt sind es 5000 (1150 Franken) weniger. Hinzu kommen Zahlungen an Gett und die Gebühr für meine Taxilizenz in Höhe von 3500 Schekel (800 Franken) monatlich – es bleibt nicht viel übrig.
Sie leben in Haifa – warum fahren Sie nicht dort Taxi?
In Haifa funktioniert es einfach nicht wegen des Kriegs im Norden gegen den Hizbullah. Viele meiner Kollegen fahren hier in Tel Aviv. In Haifa stört die Armee das GPS-Signal, deswegen kann ich dort nicht mit der Gett-App fahren. Ich müsste fest bei einem Taxiunternehmen angestellt sein, nur verdient man da im Moment noch weniger.
Wie ist der Verkehr in Tel Aviv im Vergleich zu Haifa?
Hier ist es sehr viel anstrengender zu fahren – jeder hat ein Auto, und es gibt fast immer Staus. So viele Leute kommen von ausserhalb nach Tel Aviv, um hier zu arbeiten, das ist in Haifa nicht so. Ich habe auch das Gefühl, die Menschen sind misstrauischer geworden. Vor dem Krieg haben viele den Zug, den Bus oder das Taxi genommen. Jetzt fahren sie öfter selber.
Wie haben sich die Fahrgäste verändert, seitdem Krieg herrscht?
Ich arbeite oft nachts. Abends gehen mehr Israeli aus und landen dann komplett betrunken bei mir im Taxi. Aber das kann auch nur Zufall sein.
Wann haben Sie das letzte Mal Ferien gemacht?
Vor fünf Jahren war ich das letzte Mal in den Ferien in Palma de Mallorca mit einigen Freunden. Und davor bin ich oft nach Istanbul gefahren – ich liebe die Stadt. Palma war auch sehr schön, nur das Essen war in Spanien nicht so gut. Dort gab es viel Schweinefleisch und das kann ich nicht essen, weil ich Muslim bin.
Seit Kriegsausbruch gibt es wieder mehr Spannungen zwischen Juden und Muslimen in Israel. Fühlen Sie das auch?
Sehr stark, gerade auch in meinem Job: Wenn Menschen in der App meinen arabischen Namen sehen, stornieren sie wieder. Ich fahre immer sehr schnell, sobald ich eine neue Fahrt angenommen habe, damit die Leute nicht absagen. Viele schauen in der App auch nach den Namen der Fahrer, bevor sie eine Fahrt buchen. Das bedeutet, dass ich weniger Aufträge bekomme.
Woher kommt dieses Misstrauen?
Ich verstehe es nicht. Ich bin genauso ein Israeli wie sie und lebe mit ihnen im gleichen Land, ich bin sogar hier geboren. Meine Vorfahren lebten hier schon, bevor es den Staat Israel gab – und ich habe den Juden nie etwas getan.
Danke für das freundliche Gespräch und Ihre Offenheit. Darf ich Sie noch fotografieren?
Nein, keine Fotos. Zumindest keines, auf dem man mein Gesicht sieht.
Warum nicht?
Die Sachen, die ich über die Juden gesagt habe, werden vielen nicht gefallen. Und mein Job ist ohnehin schon so hart geworden, ich möchte mir nicht noch mehr Schwierigkeiten einhandeln.