Sturm Graz: Charakter zeigen und verlieren

4 Stunden vor

Das späte 2:3 gegen Lille schmerzt Sturm Graz immens, die Champions League verlangt aber höhere Konzentration. Darf Interimslösung Jürgen Säumel Coach bleiben?

Sturm Graz - Figure 1
Foto DiePresse.com

Sturm Graz verkaufte sich teuer, und doch genügte es nicht. GEPA pictures / Avni Retkoceri

Eine starke zweite Hälfte hat Sturm Graz am Mittwoch knapp nicht zum nächsten Punktgewinn in der Champions League gereicht. Nach einem unerwarteten Comeback blieb die Belohnung für eine deutliche Leistungssteigerung bei OSC Lille aus, im Finish gingen die Blackys noch mit 2:3 k.o. Jürgen Säumel stand erstmals mit leeren Händen da, sein Team könne dennoch „viel mitnehmen“, sagte der Interimscoach bei Canal+. Er hofft weiter auf seine Verlängerung.

Ohne den gesperrten Außenverteidiger Jusuf Gazibegovic, der wohl zum 1. FC Köln wechselt und 2025 nicht mehr im Sturm-Trikot zu sehen sein wird, eröffnete Sturm denkbar schlecht. Lille spielte nach Lust und Laune und bestrafte die Mutlosigkeit und Passivität der Gäste durch Osame Sahraoui (37.) und Mitchel Bakker (45.+2). „Ich habe gemerkt, dass die letzte Überzeugung gefehlt hat, wir vorne wenig Druck draufbringen“, erklärte Säumel.

Richtig einordnen? Verloren!

Der bescheidene Start gegen den aktuellen Vierten der Ligue 1 und Achten der CL-Ligaphase habe freilich seine Gründe, betonte der 40-Jährige. „Lille hat es in der ersten Hälfte überragend gemacht, eine bärenstarke Mannschaft. Sie haben vor kurzem nicht umsonst Real Madrid geschlagen. Das muss man schon richtig einordnen“, beschrieb Säumel das nett anzuschauende Treiben der Franzosen, die durchaus höher hätten führen können. „Da waren wir weit weg vom Niveau von Lille“, gestand auch Neo-Sportdirektor Michael Parensen.

Wie aus dem Nichts leitete Otar Kiteishvili aber noch vor dem Seitenwechsel die Aufholjagd ein, kurz nach Wiederbeginn machte Mika Biereth, der vor zwei Wochen mit dem 1:0-Siegtreffer gegen Girona für die ersten CL-Punkte gesorgt hatte, den Ausgleich perfekt. „Für mich läuft es derzeit richtig gut“, sagte der Däne und lobte sein Team: „Wir haben sehr viel Charakter gezeigt.“

Tatsächlich war Sturm danach fast nicht wiederzuerkennen, lieferte den Favoriten ein offenes Duell. „Wir sind mit der zweiten Hälfte richtig gut reingestartet, waren richtig gut im Spiel drinnen. Das ist bitter“, resümierte der Defensivlenker Jon Gorenc Stankovic. Auch Kiteishvili weinte der vergebenen Chance auf Zählbares nach. „Wir waren gefährlicher als unser Gegner“, erklärte der Georgier, musste aber auch einen Kräfteverfall im Finish konstatieren, in dem „Joker“ Hakon Haraldsson (81.) die Entscheidung herbeiführte. „Physisch sind wir dann aber doch recht müde geworden und haben leider das Gegentor bekommen.“

Fünfte Niederlage im sechsten Spiel

Im letzten Pflichtspiel eines insgesamt recht erfolgreichen Herbsts ging der Bundesliga-Tabellenführer trotz der fünften Niederlage im sechsten Spiel aber nicht todtraurig vom Platz. „In ein paar Tagen werden wir stolz sein, weil es keine schlechte Leistung war“, sagte Gorenc Stankovic. „Mit ein bisschen Glück wäre ein Punkt drinnen gewesen“, war Säumel nach der ersten Niederlage im fünften Spiel (3 Siege) unter seiner Führung überzeugt.

Auch wenn die Aufstiegschancen nur noch rein rechnerisch sind, sei Sturm bei der Rückkehr in die Königsklasse nach 23 Jahren Spiel für Spiel gewachsen. „Wir haben auf dem Niveau gezeigt, dass wir mithalten können. Das soll uns Auftrieb für die Zukunft geben.“ Die lautet in der CL im Jänner noch Atalanta Bergamo (21./auswärts) und RB Leipzig (29./heim).

Ob es eine Zukunft mit einem Cheftrainer Säumel ist, bleibt abzuwarten. Dass der Nachfolger von Christian Ilzer der Vereinsführung gewisse Argumente für eine Weiterverpflichtung über den Winter hinaus lieferte, ist nicht abzustreiten. Ob das reicht, ist aber ungewiss. „Er hat einen super Job gemacht“, bestätigte Biereth, und auch Gorenc Stankovic konnte nur das Beste berichten. „Bis jetzt ist es mit Jürgen richtig gut gelaufen“, gab der Slowene an.

Sturm-Urgestein Säumel unterstrich einmal mehr seine diesbezüglichen Ambitionen. „Ich wollte mich für weitere Aufgaben empfehlen, möchte auch Trainer bleiben“, erklärte er. Parensen wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Es gebe noch keinen festen Zeitpunkt für die Bekanntgabe, meinte der Deutsche. Er werde sich nach einer „intensiven“ Einarbeitungszeit in Graz in den nächsten Tagen „aus dem Alltag herausnehmen“, ehe eine Entscheidung anstehe. Die Richtung jedenfalls stimme: „Ich habe in den Champions-League-Spielen eine stetige Entwicklung gesehen.“

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