Borussia Dortmund trifft in Champions League auf Sturm Graz aus ...
Sturm Graz hat namhafte Fans. Allen voran ist es Österreichs Vizekanzler Werner Kogler. Der Grünen-Chef war einst selbst ein „Schwarzer“, Kogler spielte in der Sturm-Jugend. Allerdings nur als „Beiwagerl“, wie er einmal sagte; so schlug er lieber die Politikkarriere ein, die ihn auf den Parteivorsitz und in die Regierung in Wien führte.
In der Hauptstadt, das ist das Schöne an Österreich, konnte man den Vizekanzler ganz ohne Entourage auch schon mal in einem schlichten Lokal mit vielen Bildschirmen antreffen, wo er sich pflichtbewusst (denn Kogler war auch Sportminister) über das Geschehen im europäischen Spitzenfußball ins Bild setzte.
Einen großen Kummer hat Kogler seinem Herzensklub aber nicht nehmen können: das Stadion. Gut 15.000 Zuschauer passen hinein, womit es allein durch den Besuch aller Vereinsmitglieder bereits gefüllt wäre. Außerdem ist es technisch veraltet und hat wenige VIP-Plätze. Der Europäische Fußball-Verband (UEFA) ließ es für die Champions League nicht zu.
Sturm weicht nach Klagenfurt aus
So muss Sturm, um nicht ins verhasste Wien ziehen zu müssen, für seine Heimpartien in die Kärntner Hauptstadt Klagenfurt ausweichen. Bei der kommunistischen Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr sind die Wünsche nach einem Neubau auf eine spröde Reaktion gestoßen. Kogler bot sich als Mittler an. Aber die Regierung ist im Herbst abgewählt worden, und dass es die Grünen in eine künftige Koalition schaffen, ist unwahrscheinlich.
Anfang Oktober wurde die Entscheidung verkündet: Die „Schwarzen“ vom SK Sturm und die „Roten“ vom Grazer AK müssen sich weiterhin die bisherige Arena in Graz-Liebenau teilen, die aber auf 20.000 Zuschauer aufgestockt und modernisiert werden soll. Dann – wann auch immer – soll dort auch Champions League gespielt werden können.
Für die nächste Partie in der Champions League spielt all das keine Rolle, denn die findet an diesem Dienstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) im Dortmunder Westfalenstadion statt. Vor 80.000 statt 15.000 Zuschauern zu spielen wird für die Grazer eine neue Erfahrung sein. Aber auf einen demütigen Gegner sollte sich die Borussia nicht einstellen, will sie nicht eine unliebsame Überraschung erleben.
Der Sportklub Sturm Graz gehört zwar nicht zu den etablierten Teams der Champions League. Aber vor einem Vierteljahrhundert mischte der Klub aus der steirischen Hauptstadt schon einmal für drei Spielzeiten in der Champions League mit. 2000/01 konnte das damalige Team um Kapitän Ivica Vastic sich sogar gegen Galatasaray, Monaco und die Glasgow Rangers in der Vorrunde durchsetzen.
Graz stößt Salzburg vom Thron
Die Dortmunder Borussia und der SK Sturm haben das Gründungsjahr 1909 gemeinsam. Auch das Auf und Ab, das nach goldenen Jahren bis an den wirtschaftlichen Abgrund führte: Sturm musste 2006 Konkurs anmelden, konnte sich wieder berappeln. Daran hatte auch ein Deutscher Anteil: Franco Foda, der später auch das österreichische Nationalteam coachen sollte. In der vergangenen Saison gelang es den „Schwoazen“, den vom Getränkekonzern Red Bull gepäppelten Serienmeister Salzburg nach zehn Meisterschaften in Serie vom Thron zu stürzen. Zudem holten die Grazer als Titelverteidiger wieder den Pokal.
Die Rückkehr in die Champions League ist allerdings missraten. Bei der französischen Überraschungsmannschaft der Vorsaison, Stade Brest, sowie gegen den FC Brügge und zuletzt gegen Sporting Lissabon setzte es Niederlagen. Das Muster war in den drei Begegnungen ähnlich: Kämpferisch war Sturm mindestens ebenbürtig, spielerisch konnte das Team Akzente setzen, an Abgebrühtheit waren die Gegner überlegen.
Trainer Christian Ilzer versuchte sich nach dem 0:2 gegen Sporting mit einem Heilrezept nach der Art des sprichwörtlichen Dr. Eisenbart: „Jede Niederlage, egal gegen welchen Gegner, muss richtig schmerzen. Dann ist das Lernen viel intensiver.“
Immerhin war es der Vereinsführung nach der vergangenen Saison gelungen, die Meistermannschaft weitgehend zusammenzuhalten. Nur Alexander Prass musste man nach Hoffenheim ziehen lassen. Doch hat man schon früher Spieler lukrativ abgegeben und erfolgreich kompensieren können. Daher könnte der schmerzlichste Abgang einer jenseits des Platzes sein: Anfang Oktober wechselte Sportchef Andreas Schicker ebenfalls nach Hoffenheim.
Sturm mit einem „georgischen Messi“
Das Spiel der Grazer lenkt seit Jahren Otar Kiteishvili, in der Steiermark als „georgischer Messi“ gefeiert. Kapitän Stefan Hierländer soll ihm den Rücken freihalten. Flinke Dauerläufer wie Jusuf Gazibegovic machen Dampf auf den Außenbahnen. Vorne ist der trotz seiner jungen 21 Jahre ziemlich schlitzohrige Däne Mika Biereth in Hochform. Als Graz am 6. Oktober Salzburg mit 5:0 überrollte, schoss Biereth drei Tore.
In der heimischen Bundesliga ist der SK Sturm Tabellenführer, ungeschlagen seit September. Nach der Gala gegen Salzburg trafen sie gegen den Lokalrivalen Grazer AK fünf Mal, gewannen am Ende 5:2. Die Grazer „Roten“ hatten nämlich im Sommer das steirische Fußballglück vollkommen gemacht und sind (nach Konkurs und Neuanfang aus der untersten Klasse) als Zweitligameister wieder ins Oberhaus aufgestiegen.