Klimaprotest: Diese Strafen drohen bei Kleben, Blockieren & Co.

29 Jan 2023

Stern Montage zu Klimaprotest

Beschädigte Kunstwerke: Die "Letzte Generation" verschiebt die Grenzen des Protests.

© STERN-MONTAGE, FOTOS: IMAGO/IP3press; bpk/RMN - Grand Palais/Michel Urtado

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Klimaprotest kann teuer werden. Wer sich auf der Straße festklebt, riskiert eine Geldstrafe, die schnell vierstellig werden kann. Mittlerweile fallen einige Urteile aber auch milde aus, während manche Strafverfolger größere Geschütz auffahren.

Festkleben, blockieren, mit Brei werfen: Seit gut einem Jahr protestiert die "Letzte Generation" für mehr Tempo beim Kampf gegen den Klimawandel. Jüngst haben Aktivistinnen und Aktivisten angekündigt, ihre Aktionen bundesweit auszudehnen und den deutschen Alltag zu "unterbrechen". Konservative Kreise nutzten die Ansage prompt, um erneut vor einer Radikalisierung der Proteste zu warnen. Doch wo die oft beschworenen "roten Linien" genau verlaufen, müssen Gerichte weiter von Fall zu Fall klären – und nur manchmal haben die Klimaschützer Glück.

Richterin mit Verständnis für Klimaprotest

So hatte Anfang Januar eine Richterin in Flensburg mit einem der wenigen Freisprüche für einen Protestler für Aufsehen gesorgt. Der Angeklagte wollte mit Hilfe einer Baumbesetzung ein Wäldchen vor der Abholzung retten. Zwar befand die Amtsrichterin, dass es sich dabei um Hausfriedensbruch gehandelt habe, dennoch hielt sie die Aktion für legal. Ihre Begründung: Die Fällung des Baums würde den Klimawandel beschleunigen, der Klimaschützer könne sich daher auf "Notstand" berufen.

Ronni bei Aufräumarbeiten auf der Campwiese in Lützerath

Wie weitreichend das Urteil sein wird und ob es einer Revision standhalten würde, ist noch nicht absehbar. Die meisten Juristen halten es bislang eher für eine Minderheitenmeinung. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren angemahnt, dass die Bundesregierung ihrer eigenen Klimaschutzgesetzgebung nicht gerecht werde. Fraglich ist nur, ob sich daraus eine Art Recht auf Widerstand ergibt und welche Formen des Protests einen "Verfassungsschutz" genießen – und natürlich welche Strafen daraus resultieren.

2500 Anzeigen gegen "Letzte Generation"

Bislang zeigen die Strafverfolgungsbehörden und auch viele Gerichte jedoch eher wenig Verständnis, wenn es um Klimaproteste geht. Allein in Berlin wurden um die 1000 Strafanzeigen gegen Mitglieder der "Letzten Generation" gestellt. Mehr 2500 sollen es laut der "Süddeutschen Zeitung" bundesweit sein. In vielen Fällen geht es dabei um Nötigung. So wurde vor dem Berliner Landgericht jüngst die erste Berufung eines Aktivisten verhandelt. Der 21-Jährige hatte mit Mitstreitern eine Autobahn blockiert, er wurde zu 30 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt.

Nötigung (Geldstrafen)

Wer eine Straße blockiert begeht Nötigung und macht sich strafbar. Vor allem dann, wenn nicht nur kurzzeitig geplant ist, wie etwa beim Festkleben. In der Regel steht darauf eine Geldstrafe, die bis zu hundert Tagessätze hoch sein kann. Wer das Geld nicht hat oder zahlen will, kann auch ins Gefängnis gehen. Dabei gilt: ein Tagessatz gleich ein Tag in Haft.

In einer ähnlichen Dimension lag auch die aktuelle Entscheidung des Nürnberger Amtsgerichts gegen vier sogenannte "Klimakleber". Die Angeklagten hatten sich vor einem Jahr auf dem viel befahrenen Frankenschnellweg festgeklebt und ihn so blockiert. Alle müssen eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zahlen. Die genaue Höhe ist abhängig vom Einkommen, und beträgt in diesen Fällen zwischen zehn und 60 Euro. Ob die Betroffenen in Berufung gehen werden, ist, anders als in der Hauptstadt, noch nicht klar.

"Verfassungsgericht ist der Ort, um das zu diskutieren"

Das Berliner Landgericht bestätigte vergangene Woche das Urteil gegen den 21-Jährigen, weil der Angeklagte "durch die Blockade Gewalt angewendet" habe. Für den Verurteilten und seinen Anwalt ist die Berufungsentscheidung keine Überraschung. Vielmehr gehen sie davon aus, sich durch die Instanzen bis vor das höchste Gericht zu klagen: "Das Verfassungsgericht ist der richtige Ort, um das zu diskutieren", so der Verteidiger.

Renate Künast und Theo Schnarr über Klimaprotest

Die Bandbreite von Vorwürfen gegen die Klimaschützer war bislang relativ überschaubar: Im Allgemeinen reicht sie von Nötigung über Hausfriedensbruch bis zu Sachbeschädigung. In den meisten Fällen werden dafür Geldstrafen fällig, nur in Bayern ticken die Uhren anders. So wurden dort 33 Protestierende, die mehrfach Straßen blockiert hatten, in Präventivhaft genommen – um sie von weiteren Aktionen abzuhalten. Diese Art von vorauseilender Strafe ist umstritten, Verfassungsgerichte befassen sich bereits damit. Einige der Aktivisten und Aktivistinnen jedenfalls mussten sogar die Weihnachtstage in Gewahrsam verbringen.

Klimaaktivisten eine "kriminelle Vereinigung"?

Mittlerweile fahren die Strafverfolger aber auch größere Geschütze auf. So ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen Mitglieder der "Letzten Generation" wegen des Verdachts zur Bildung einer kriminellen Vereinigung. Anlass: Attacken auf eine Raffinerie in Schwedt. Dort kommt eine Erdöl-Pipeline aus Polen an, sie wurde im Frühjahr vergangenen Jahres mehrfach Ziel von Sabotage und Blockaden. Anschließend gab es Razzien bei einem Dutzend Klimaschützer. Später, auf einer Innenministerkonferenz, forderten einige unionsgeführte Bundesländer dann, die "Letzte Generation" als kriminelle Organisation zu behandeln.

Quellen: DPA, AFP, Verfassungsblog,Tagesschau, Taz, BR24

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