Stille Nacht – vor 130 Jahren offenbar „neu“ gemacht - Bauernzeitung
Seit fast 40 Jahren beschäftigt sich Martin Reiter aus St. Gertraudi mit der Erforschung der Verbreitung von „Stille Nacht“, dem bekanntesten Weihnachtslied der Welt. Immer wieder fand und findet er Interessantes, Kurioses und Außergewöhnliches zum „Weltfriedenslied“, das im Jahr 1818 erstmals in Oberndorf bei Salzburg in der dortigen Nikolauskirche erklang. Auch heuer hat Martin Reiter wieder ein Kuriosum entdeckt, und zwar im Tiroler Volksboten vom 21. Dezember 1893. Dort findet sich eine abgeänderte Textfassung von „Stille Nacht“.
„Hier hat wohl Sebastian Rieger – später bekannt als Reimmichl – Hand angelegt“, ist sich Reiter sicher. Rieger schrieb bereits damals fürs „Bötl“, wie die Zeitung auch genannt wurde, und wurde einige Jahre später deren Redakteur. Begründet wurde die neue Textfassung damals vom Autor wie folgt: „Allerorts wird in der heiligen Weihnachtszeit das schöne Lied ,Stille Nacht‘ gesungen; leider ist nur die erste Strophe dieses Liedes gut sangbar. In der vorliegenden Fassung dürfte dieser Uebelstand behoben sein.“ Der adaptierte Text vom Jahr 1893 lautet wie folgt:
Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur der Hirten hochheilige Schar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlafe in himmlischer Ruh’!
Stille Nacht, heilige Nacht! Droben zieh’n Sternlein sacht, und die Englein singen so leis’ hold und lieblich die himmlische Weis’: „Ehre sei Gott in der Höh’!“
Stille Nacht, heilige Nacht! Christkindlein, wie es lacht; Oh, wie macht uns sein rosiger Mund große, selige Freude kund: „Friede den Menschen auf Erd’!“
„Stille Nacht“-Forscher Martin Reiter erzählt über den Werdegang des „Reimmichl“: „Der Priester und Dichter Sebastian Rieger, der Reimmichl (geb. 28. Mai 1867 in St. Veit i. D.; gest. 2. Dezember 1953 in Heiligkreuz, Hall), erlangte als Volksdichter große Bekanntheit und Beliebtheit bei der Bevölkerung. Als Volksdichter veröffentlichte er erste Erzählungen und Geschichten im Tiroler Volksboten. Dort arbeitete er ab 1897 als Redakteur mit.“
Aus dieser Zeit stammt sein Pseudonym „Reimmichl“, in Anlehnung an ein damals in Sexten lebendes Original, den „Michl“, einen Schuster, der sich als Geschichtenerzähler hervortat. Von 1914 an wirkte er bis zu seinem Tod als Kaplan in Heiligkreuz bei Hall in Tirol. Seit 1925 erscheint „Reimmichls Volkskalender“. Er schrieb Romane, Erzählungen und heitere Geschichten.
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