EM-Analyse von Julian Baumgartlinger:Wie Österreich gegen Polen ...

21 Jun 2024

Grundordnung: Die Polen starten normalerweise in einem 3-4-2-1, das während des Spiels eher einem 5-4-1 gleicht.

Österreich Polen - Figure 1
Foto Kleine Zeitung

Spiel gegen den Ball: Gegen die Niederlande, die deutlich mehr Ballbesitz hatte und sehr dominant auftrat, verteidigte Polen meist sehr tief. Auf der letzten Linie stand Polen mit einer klaren Fünferkette, da die sehr offensiven Außenverteidiger der Niederländer Polens Schienenspieler daran hinderten, offensiver zu spielen. Auch die beiden 6er agierten sehr defensiv. Die nominell aufgeführten Flügel Sebastian Szymanski und Kacper Urbanski komplettierten diese zweite Viererreihe vor der Abwehr. Einzig Adam Buksa ließ sich nicht komplett zurückfallen. Selbiger machte großteils nur leicht Druck, was der Niederlande sehr viel Ballbesitz ermöglichte. Meist wird auf den tiefen Block gebaut ohne aggressiv nach vorne zu pressen. Polen kündigte nun an, gegen Österreich mehr Druck erzeugen und den Kampf annehmen wollen. Dies lässt vermuten, dass die Außenverteidiger deutlich höher agieren und der Umschaltweg zum gegnerischen Tor geringer gehalten werden soll als in der vorangegangenen Partie. Nachdem Österreich gegen Frankreich oft versucht hat, durchs Zentrum zu kombinieren, wird Polen versuchen, das Zentrum zu verdichten. Polen könnte zwei Stürmer aufbieten, um Österreichs Innenverteidiger im 1:1 anlaufen zu können.

Spiel mit dem Ball: Polen hatte in der Qualifikation im Vergleich zu den anderen EM-Gruppengegnern deutlich mehr Ballbesitz. Im Gegensatz dazu hatte man gegen die Niederlande den mit Abstand wenigsten. Wenn die Polen in Ballbesitz sind, haben sie ganz klare Zielspieler und Schlüsselprotagonisten im Spielaufbau. Jan Bednarek und Jakub Kiwior übernehmen in der Abwehr meist diesen Part und haben ein ordentliches Aufbauspiel. Nicola Zalewski ist über links deutlich offensiver als sein Gegenüber Przemyslaw Frankowski. Ihm passierte aber gegen die Niederlande im Spielaufbau der kapitale Fehlpass, der zum Gegentor von Cody Gakpo geführt hat. Piotr Zielinski ist der Denker, Lenker und beste Fußballer der Polen. Er fordert Bälle, verteilt diese und stellt sich in den Dienst der Mannschaft. Sein Übereifer, aber auch die Abhängigkeit der Mannschaft von seinen Aktionen und finalen Pässen, machen die Polen ausrechenbarer.

Schlüsselspieler: Wojciech Szczesny ist neben Robert Lewandowski der verdienteste und erfolgreichste Spieler dieser Mannschaft. Seine Präsenz und Leistung wird entscheidend für das polnische Endergebnis sein. Bednarek ist dynamisch, zum Führungsspieler gereift und bringt durch seine Zeit in England Robustheit mit. Zielinski, der acht Jahre bei Napoli spielte und jetzt zu Inter Mailand wechselt, kommt eigentlich von der Spielmacherposition, agiert jetzt aber defensiver. Der 30-Jährige ist wie angesprochen der Taktgeber im Spiel der Polen. Ihm sollte einer der österreichischen Balljäger besondere Aufmerksamkeit schenken und ihn nicht ins Laufen kommen lassen. Lewandowski ist mit beeindruckenden 150 Länderspielen und 82 Toren die Identifikationsfigur und die Legende Polens. Da gegen Österreich eine „Do or die“-Partie ansteht, bin ich überzeugt, dass er von Beginn an spielen wird. Der 35-Jährige ist nicht in der Topform wie vor zwei oder drei Jahren, weiß aber immer noch, wo das Tor steht und braucht nur wenige Chancen. Österreichs Innenverteidiger brauchen eine Topleistung gegen ihn.

Fazit: Da beide Teams mit unterschiedlichen taktischen Formationen starten, ist unwahrscheinlich, dass sich die gegnerischen Elemente aufheben. Passen Österreichs Außen­ver­tei­diger ihre Position in Ballbesitz an und locken Polens Verteidiger auf den Flügel, entstehen Räume auf den offensiven Flügeln, in die das ÖFB-Team mit Tiefenläufen und Vertikalspiel gefährlich vordringen kann. Da das Zentrum durch viel Personal von beiden Nationen überladen sein wird, kann ein schnelles Überbrücken des Mittelfelds und Nachrücken auf zweite Bälle schnell zum Erfolg führen. Ein spielentscheidendes Element könnten Standardsituationen werden. Österreich generierte die meisten Standards, Polen jedoch das einzige Tor in Gruppe D. Wer in diesem Bereich Effizienz zeigt, könnte den vorentscheidenden Dreier holen.

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