"Squid Game": Sushi & Spiele für Südkoreas untere Zehntausend

12 Stunden vor

Staffel 2 ist da

Die erfolgreichste und blutigste Netflix-Serie bekommt eine Fortsetzung. Wieder geht es für arme Schlucker darum, eine Reihe potenziell tödlicher Spiele zu überleben und am Ende reich zu werden. Spannend und gleichzeitig gesellschaftskritisch. Ab 26. Dezember.

Squid Game - Figure 1
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Die namen- wie gesichtslosen Wächter stehen sinnbildlich für das brutale "Squid Game"-System

Netflix

Akt.

25.12.2024, 23:45

Uhr

Die erfolgreichste Netflix-Serie aller Zeiten ist auch die mit Abstand blutigste. Der südkoreanische Neunteiler "Squid Game" wurde seit der Veröffentlichung im September 2021 über 1,6 Milliarden (!) Stunden gestreamt – Platz 1 in den ewigen Netflix-Charts, weit vor anderen Erfolgsprogrammen wie "Bridgerton", "Wednesday" oder "Stranger Things".

Und: Mit einem "Body Count" (so nennt man, etwas zynisch, die Zahl der Toten in einem Film oder einer Serie) von an die 500 (so genau weiß man das nicht) ist "Squid Game" die bei weitem "tödlichste" Veranstaltung des Streaming-Giganten. Nun kommt, nach mehr als 3 Jahren Wartezeit, endlich Staffel 2 der Erfolgsproduktion in den Stream – und Fans auf der ganzen Welt flippen vollkommen aus.

Eine geheimnisvolle Visitkarte ist die Einladung in die Welt der Spiele in "Squid Game"

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Worum geht's in "Squid Game? Um die Handlung von Staffel 2 der Erfolgsserie zu verstehen, muss man Staffel 1 gesehen haben. Darin erhält der hoch verschuldete Spieler Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) eine mysteriöse Einladung zu einer Veranstaltung, bei der insgesamt 456 Teilnehmer, allesamt hoch verschuldet, gegeneinander antreten – in Kinderspielen. Wer die Prüfungen besteht, kommt eine Runde weiter, wer verliert, wird disqualifiziert – und das bedeutet in der "Squid Game"-Welt, dass er von Wächtern erschossen wird.

Squid Game - Figure 2
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Ultra brutal Insgesamt sechs Runden müssen die Spieler überstehen, am Ende bleiben 455 Tote und ein Sieger, der sich über den Gewinn von 45,6 Milliarden südkoreanischen Won (umgerechnet etwa 33 Millionen Euro) freuen darf. Und damit das alles nicht auffällt, finden diese Spiele auf einer geheimnisvollen, versteckten Insel, irgendwo vor der Küste Koreas, statt. Hingebracht werden die Teilnehmer betäubt, verlassen tun die Insel die meisten Spieler nicht mehr, ihre Leichname werden vor Ort in einem riesigen Krematorium verbrannt. Soweit die Grundprämisse der Serie.

Ein Schlafsaal für 456 Menschen – aber mit jedem Spiel werden es weniger

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Herr Gi-hun will Rache In Staffel 1 gewinnt Gi-hun die blutigen Spiele und findet sich am Ende mit seinem Gewinn (auf einer Kreditkarte) wieder in seinem alten, tristen Leben in Südkoreas Hauptstadt Seoul. Doch statt, wie geplant, das Geld dafür zu benutzen, seiner geschiedenen Frau und der gemeinsamen Tochter in die USA nachzureisen, entschließt sich Gi-hun in der letzten Szene von Staffel 1 dazu, sich auf die Suche nach den Verantwortlichen für diesen Massenmord zu machen und diese zur Rechenschaft zu ziehen.

Squid Game - Figure 3
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So beginnt Staffel 2 Am Beginn der 2. Staffel, die von Netflix am 26. Dezember weltweit zur gleichen Zeit veröffentlicht wird (in Österreich um 9 Uhr früh, in Südkorea etwa um 17 Uhr nachmittags) sehen wir Gi-hun, der sein neu gewonnenes Kapital benutzt, um den Drahtziehern der tödlichen Spiele auf die Schliche zu kommen.

Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) spielt zum zweiten Mal um sein Leben, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen

No Ju-han/Netflix

Findet die Drahtzieher Dafür bezahlt er eine kleine Armee an Hilfskräften, die sich in der weit verzweigten U-Bahn von Seoul auf die Suche nach dem Rekrutierer für die Spiele machen. Denn auch Gi-hun wurde seinerzeit in der U-Bahn für die "Squid Games" geworben. Mehr als 2 Jahre seien die Männer bereits auf der Suche, erfahren wir, doch bislang keine Spur von dem eleganten jungen Mann im Anzug, der auf der Suche nach verlorenen Seelen ist.

Russisches Roulette Aber dann werden Gi-huns Männer doch noch fündig. Und der Sieger von 2021 muss sich – um an die benötigten Informationen zu kommen – unversehens mit dem Anzugträger in einem Wettstreit messen, der schnell für einen der beiden tödlich enden könnte. Dazu kommt es tatsächlich – aber es ist Gi-hun, der überlebt. Und so begleitet der Serien-Zuschauer in der Folge den von den Gräueln seiner ersten Spiele noch sichtlich Gezeichneten dabei, wie er sich auf die Spur der skrupellosen Veranstalter macht.

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Der geheimnisvolle Rekrutierer im Anzug sucht in Seouls U-Bahn nach verschuldeten Spielern

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Überraschungserfolg Dass die Serie von Autor und Regisseur Hwang Dong-hyuk 2021 förmlich durch die Decke ging, hatte mehrere Gründe. Zum einen war die Idee hinter "Squid Game" damals komplett neu für den westlichen Mainstream-Serienmarkt. Das Konzept der brutalen Auslese gehört in Ostasien seit Jahrzehnten zum kulturellen Kanon, im Westen wussten darüber bis dato nur Zuschauer mit einem ausgefallenen Konsum-Geschmack Bescheid.

Eine andere Welt Dazu kam das exotische Dekor. Südkorea ist zwar ein hochmoderner, hochtechnisierter Industriestaat, gleichzeitig aber auch eine archaische, patriarchalische und kulturell uralte Nation mit ihren ganz eigenen Regeln und Verhaltensweisen. Diese für die meisten Zuseher im Westen gänzlich neue Welt wurde mit "Squid Game" niederschwellig transportiert.

Einfach nur spannend Und last but not least ist "Squid Game" eine wirklich top gemachte, sehr spannende Serie, bei der so gut wie jeder Seher wissen möchte, wie es weiter geht. Nicht wenige, die die 9 Folgen der ersten Staffel in einem Rutsch angesehen haben.

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Der Mann hinter dem Erfolg von "Squid Game": Hwang Dong-hyuk, Autor, Regisseur und Produzent

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So geht es weiter Ohne zu viel über den Inhalt von Staffel 2 zu spoilern, sei verraten: Gi-hun brennt darauf, die Macher hinter den Spielen für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Und damit das gelingt, nimmt er nach 3 Jahren erneut an den Wettkämpfen teil. Doch die Regeln der Spiele wurden mittlerweile sanft modifiziert.

Jeder gehen jeden Mit der Folge, dass die Konkurrenz innerhalb der 456 Spieler von den geheimnisvollen Veranstaltern massiv angeheizt wird und die Kandidaten nicht nur gegen ein übermächtiges System antreten müssen (repräsentiert durch allgegenwärtige, schwer bewaffnete Wächter), sondern auch gegeneinander. An Solidarität ist dabei kaum zu denken – aber gerade die wäre nötig, um einen scheinbar unbezwingbaren Gegner ins Wanken zu bringen.

8 Jahre Entwicklungsarbeit Mit der Idee zu "Squid Game" ging Serien-Schöpfer Hwang Dong-hyuk lange schwanger, die Umsetzung der 1. Staffel dauerte am Ende gute 8 Jahre. Für Staffel 2 hatte Hwang gerade einmal 3 Jahre Zeit. Und da er "Squid Game" ursprünglich als singuläres Ereignis angelegt hatte, musste sich der Autor zunächst darüber klar werden, wie er die Serie inhaltlich weiter drehen könnte. Er entschied sich, alles auf eine Karte zu setzen. Und so schrieb und inszenierte er Staffel 2 UND Staffel 3 in einem Aufwaschen.

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Staffel 3 folgt 2025 Die nun veröffentlichte 2.Staffel besteht aus "nur" 7 Episoden – vergleichsweise wenig gegenüber der 1. Staffel, die 9 Folgen hatte. Doch wer die Serie schaut, merkt rasch, woran das liegt. Denn Hwang Dong-hyuk drehte offensichtlich eine sehr lange Staffel (mit mindestens 14, eher noch mehr Folgen) – und schnitt diese einfach in der Mitte entzwei. Staffel 2 endet extrem abrupt und mitten in einer Szene. Es ist davon auszugehen, dass Staffel 3, die vermutlich Ende 2025 anlaufen wird, genau dort weiter machen wird.

Im Spiel "Rotes Licht – grünes Licht" hat eine überdimensionale Kinderpuppe Bewegungssensoren in den Augen, die erkennt, ob sich Spieler nach dem "Stop"-Signal noch bewegen

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Erfolg vorprogrammiert Dass auch die Fortsetzung der Erfolgsserie punkto Zuseher-Zahlen durch die Decke gehen wird, ist zu erwarten. Denn einerseits beherrscht der Serien-Macher das Spiel mit den Cliffhangern am Ende jeder Episode wirklich perfekt. Und andererseits zieht die Marketingabteilung von Netflix alle Register, um das weltweite Interesse an "Squid Game" zu steigern (siehe Instagram-Posts unten). In zahlreichen Städten wurden aufwändige Events veranstaltet, etwa auf den Pariser Champs-Elyssée, wo eigens eine riesige Kinderspielfigur, wie man sie aus dem "Squid Game"-Spiel "Rotes Licht - grünes Licht" kennt, aufgebaut wurde.

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Eine Serie als Systemanklage Dabei ist der Inhalt von "Squid Game" im Grunde eine unverhohlene Systemanklage. Ob rüchsichtsloser Kapitalismus, grenzenlose Konsumgesellschaft oder koreanisches Gesundheitssystem, "Squid Game" richtet sich dagegen, und das sehr klar und leicht verständlich. Denn es ist immer die Gier der Einzelnen oder der Mangel an adäquaten Sozialsystemen, die die Menschen in die Arme der Spiele-Macher drängt. Dass die Serie trotz all dieser Kritik ein dermaßen breites Publikum gefunden hat, spricht entweder für ihre Genialität – oder für die Ignoranz vieler Zuseher. Im Zweifel ist es wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.

Armes Südkorea Und noch ein Bild verfestigt sich beim Sehen der 2. Staffel: das von Südkorea als merkwürdig anachronistisches Land, das einerseits zu den erfolgreichsten und vermögendsten in ganz Ostasien gehört, sich andererseits aber scheinbar unzählige Menschen die Kosten für medizinische Behandlungen nicht leisten können. Und die aufgrund dieses Mangels einer sozialen wie seelischen Verwahrlosung ausgeliefert sind, wie sie einer reichen Industrienation unwürdig ist.

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Die bei den Spielen getöteten Kandidaten werden in einem riesigen Krematorium verbrannt

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Ein paar Wermutstropfen Doch bei aller gebotenen Spannung und dem sozialen Realismus der Serie, gibt es doch auch ein paar Wermutstropfen bei Staffel 2 von "Squid Game" zu beklagen. Da wäre zunächst das – für europäische Seh-Gewohnheiten – teils grauenvolle "Over-Acting" mancher Schauspieler. Einige der Protagonisten grimassieren sich durch die Handlung, als hätten sie sich aus einer schlechten Slapstick-Veranstaltung hierher verirrt. Das mag in Südkorea gewünscht sein, in einer internationalen Produktion dieses Kalibers ist es einfach nur störend.

Wer sind die Wächter? Ein weiterer Kritikpunkt: Die Frage, wer die anonymen Wächter sind, die ohne Skrupel Menschen erschießen, die sie nicht kennen und die ihnen nichts getan haben, wurde in Staffel 1 überhaupt nicht und wird in Staffel 2 nur ganz kurz und am Rande thematisiert. Und auch, dass hunderte Menschen aus der Mitte der Gesellschaft einfach verschwinden, sich in Luft auflösen, und keiner je nach ihnen sucht, wird kaum thematisiert. Für eine Serie, die ihre soziale Haltung sonst vor sich her trägt, ist das sehr schwach.

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Cui bono? Und last but not least: Auch die Frage, für wen diese Menschenschlachterei im Cinemascope-Format letzten Endes eigentlich veranstaltet (und finanziert) wird, findet bislang kaum Beachtung. Jene "VIPs" aus Staffel 1, die für das "Finale" der Spiele eigens eingeflogen wurden und mit ihren Tiermasken aussahen wie Kandidaten aus "The Masked Singer", sind ein etwas dürftiges Publikum für den betriebenen Aufwand. Weil irgendwer muss ja für den ganzen Spaß – die Kosten für die 456 Kandidaten, die Wächter, die Anlage, den Siegespreis usw. – aufkommen. Wer bezahlt das alles? Und weshalb?

Der geheimnisvolle maskierte "Frontman" der Spiele ist Herr über Leben und Tod der Kandidaten

No Ju-han/Netflix

Fazit "Squid Game", Staffel 2, ist über weite Strecken das, was die Mehrheit der vielen 100 Millionen Fans auf der ganzen Welt wohl erwartet hat. Nicht weniger – aber auch nicht mehr. Das Spannungselement wird perfekt durchexerziert, man will immer wissen, wie's weiter geht. Der Cliffhanger am Ende der Staffel ist brutal (in mehrfacher Hinsicht) und die Spiele, die dieses Mal gespielt werden müssen (einige davon sind neu) sind in ihrer Schnörkellosigkeit wirklich schaurig.

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Andererseits werden zahlreiche Aspekte, die die Serie nachvollziehbarer machen würden, komplett ignoriert bzw. nur sehr am Rande angesprochen. Das ist schade, weil es der erfrischenden Skrupellosigkeit der Serie noch einen Schuss Realität verpassen würde. Aber auch ohne das gehört "Squid Game" auch weiterhin zum Spannendsten, was die Serien-Landschaft derzeit zu bieten hat.

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