Aufregung um Wahlkampfkonzept des Sora-Instituts für die SPÖ

28 Sep 2023

Den Auftakt des „Waldviertler-Festes“ am Wiener Rathausplatz mit Schmankerln und Handwerkskunst aus der Region hat sich Andreas Babler gestern als Etappe seiner „Comeback-Tour“ ausgesucht. Doch aus dem Bad in der Menge wurde aus der Sicht des SP-Vorsitzenden eine unangenehme Konfrontation mit Aktuellem.

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Was akut an dem unabsichtlich vom Meinungsforschungsinstitut Sora veröffentlichten „SPÖ-Strategiepapier“ lag. Darin hatte Sora-Sozialforscher Günther Ogris nach eigenen Angaben eine „persönliche Hypothesensammlung“ angelegt, um sich ohne Auftrag von der SPÖ bei Babler für eine „eventuelle Beratungstätigkeit“ vor der Nationalratswahl 2024 zu bewerben. Diese sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen, wie Ogris erklärte.

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Was dennoch geschah, weil die Unterlagen an einen falschen Verteiler mit rund 800 Empfängern versandt wurden.

Das führte gestern zu schwerwiegenden Folgen für das Institut. Zunächst teilte Sora-Mitbegründer Christoph Hofinger mit, dass sein Co-Geschäftsführer Ogris „einvernehmlich“ und „mit sofortiger Wirkung“ aus dem seit Jahren für den ORF tätigen Wahlanalyse-Team ausscheiden werde.

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Doch zu diesem Zeitpunkt hatte man beim ORF bereits die Reißleine gezogen: Weil „insbesondere bei Wahlen Glaubwürdigkeit und Objektivität von essentieller Bedeutung sind, muss jeglicher Anschein von Einseitigkeit unterbunden werden“, begründete man beim ORF die fristlose Kündigung der Zusammenarbeit mit Sora. Welches Institut Hochrechnungen und Analysen an Wahlsonntagen übernehmen soll, ließ man offen.

Ogris erklärte, dass er sich „seit Jahrzehnten“ neben der Wahlforschung auch dem Erstellen strategischer Modelle widme. In dem „Geheimentwurf“, der den OÖNachrichten vorliegt (Details siehe unten), werden drei Ziele definiert: Die SPÖ wird Wahlsiegerin, sie wird stärkste Kraft links der Mitte und erreicht eine Ampel-Mehrheit, um eine schwarz-blaue Koalition zu verhindern. Außerdem schlägt Ogris ein rotes Schattenkabinett vor und gibt Tipps für die Konfrontation mit dem Hauptkonkurrenten, FP-Chef Herbert Kickl.

Letzterer sprach von einem „Aufmarschplan für eine links-linke Bundesregierung“. Das seien „Silberstein-Methoden“, verwies Kickl auf den ehemaligen SP-Berater Tal Silberstein.

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VP-Generalsekretär Christian Stocker forderte von der SPÖ in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz „vollständige Transparenz“ ein. An sich seien für Stocker Kooperationen mit Meinungsforschungsinstituten nichts Verwerfliches, bei einem Kooperationspartner mit dem ORF sei das aber anders gelagert.

Ärger im Kleingarten

Zurück zu Bablers nicht nur wegen der Temperaturen schweißtreibendem Auftritt am Rathausplatz: Der SP-Chef betonte, dass er zwar Ogris’ Überlegungen in Grundzügen kenne, diese aber „ohne Auftrag durch die SPÖ“ entstanden seien. Ihm tue Sora wegen der „Panne, die klar bei ihnen liegt, leid“.Ärger hat die SPÖ in Wien auch wegen mehrerer Kleingartengrundstücke, die viel zu günstig an Genossen verkauft worden sein sollen. Mittlerweile sind zwei rote Bezirksvorsteher involviert. Babler forderte von den Wiener Parteifreunden „Aufarbeitung und dann natürlich Konsequenzen“.

Der langjährige Hochrechner der Nation Günther Ogris Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER Sora-Strategiepapier: Babler-Liebe statt Kickl-Hass

„Das Wahljahr 2024 – Strategische Überlegungen“ steht auf dem Deckblatt der 42-seitigen Powerpoint-Präsentation, die Sora-Geschäftsführer Günther Ogris erarbeitet hat. Darin enthalten sind Vorschläge für die SPÖ, wie sie sich in einem Wahlkampf erfolgreich behaupten kann. Offeriert wird eine Kooperation zwischen SPÖ und Sora bei der Hochrechnung und der Wahltagsbefragung.

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Gleich zu Beginn weist Ogris im Strategiepapier auf die Dichte an Wahlen im Jahr 2024 hin. „Jedes Ergebnis einer Wahl beeinflusst die Stimmung für die folgenden Wahlen“, schreibt er.

Ziel der SPÖ müsse es sein, die stärkste Partei zu werden und eine Mehrheit von ÖVP und FPÖ zu verhindern. Gelingen solle dies, indem die SPÖ von der FPÖ Arbeitnehmer ohne Matura und von der ÖVP ältere Frauen im ländlichen Raum als Wähler zurückholt. Zudem müsse die SPÖ Nichtwähler ansprechen und im urbanen Raum eine Mehrheit erzielen. Die Neos sollten wiederum im urbanen Gebiet und die Grünen im ländlichen Raum der ÖVP Stimmen wegnehmen.

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Babler müsse ein Image als Kanzler aufbauen und verstärkt Themen setzen, schlägt Ogris vor. Die ÖVP solle als Partei, die blockiert und (in Anlehnung an die Chats von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid) als „Hure der Reichen“ dargestellt werden. Die SPÖ sei die Partei, die die Blockade löse, die Teuerung stoppe, Mieten senke und die Kinderarmut bekämpfe.

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In dem Ogris-Papier wird Babler empfohlen, seine Stärken mehr auszuspielen. Die Erzählung müsse sein: Babler liebt die Menschen und fühlt sich ihnen verbunden. „Liebe statt Hass = Babler statt Kickl.“ Die FPÖ sei jene Partei, die Jugendliche, die arbeiten wollten, kriminalisiere und den Hass gegen Menschen, die gendern oder nicht mit einem eindeutigen Geschlecht geboren seien, schüre.

Ogris hat in dem Konzept auch gleich ein Schattenkabinett zusammengestellt: Medienmanager Gerhard Zeiler als Finanzminister, ÖBB-Vorstandsmitglied Silvia Angelo für die Infrastruktur, der Vorstand der steirischen Stadtwerke Manfred Wehr für die Wirtschaft, Volkshilfe-Chef Erich Fenninger als Sozialminister, SP-Klubvize Eva-Maria Holzleitner als Frauenministerin und die Wiener SP-Frauenchefin Marina Hanke für die Bildung.

Ogris war im Juni beim SP-Parteitag in Linz. Der 63-Jährige zeigte im Gespräch mit den OÖN in der Vorsitzfrage gewisse Sympathien für den Kurs Bablers.

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Redakteur Innenpolitik

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