Schwere Vorwürfe - Wunsch-Interview im ORF? Reporterin zieht vor ...
ZiB-Journalistin Sonja Sagmeister zieht gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber vor Gericht. Dem ORF wird fehlende Unabhängigkeit vorgeworfen.
Sonja Sagmeister war 20 Jahre beim ORF festangestellt. Hier interviewte sie die US-Botschafterin Alexa Wesner. (Archivbild)
Sonja Sagmeister
Unabhängigkeit ist die Voraussetzung für guten Journalismus – dementsprechend ist sie auch im Redakteursstatut des Österreichischen Rundfunk verankert. Die langjährige ZiB-Mitarbeiterin Sonja Sagmeister spricht allerdings von Vorgesetzten, die Einfluss auf Berichterstattung nehmen wollten und Konsequenzen, als sie sich dagegen wehrte.
Die renommierte Journalistin ist mittlerweile nicht mehr für den ORF tätig. Sie klagt ihren Ex-Arbeitgeber und fordert die Rücknahme der Kündigung und eine Wiederherstellung ihres Redakteurstatus. Der Fall wird ab dem 9. Oktober vor Gericht behandelt.
Kein Wunschinterview für Kocher
Die ehemalige Korrespondentin wurde laut eigener Angabe von der ORF-Ressortleiterin aus Niederösterreich wiederholt unter Druck gesetzt. Sie sollte etwa inhaltliche Wünsche aus dem Wirtschaftsministerium in der "Zeit im Bild" auf Sendung bringen. Es sei ein "bestelltes" Interview gewesen, in dem sie sich auf gewünschte Themen (Arbeitsmarkt-Budget) beschränken solle.
Sonja Sagmeister
Ehemalige ORF-Redakteurin
Sie habe die Themenblöcke von der Pressestelle des Ministeriums schriftlich zurückgewiesen – per Mail an die Ressortleiterin, den Redakteurssprecher und den Generaldirektor. ZiB-Journalisten seien "KEINE Mikrofonständer", so die 49-Jährige. Sie stellte im damaligen Interview dem Wirtschaftsminister, Martin Kocher, auch kritische Fragen zur österreichischen Rekord-Inflation.
Die ORF-Wirtschaftsredakteurin Sonja Sagmeister moderierte unter anderem auch die "Pressestunde" am Sonntag.
ORF-Bildausschnitt
Es habe eine "Abmachung" mit dem ÖVP-Ministerium gegeben, heißt es. Da sich Sagmeister weigerte, wurde ihr demnach von den der Leiterin des Wirtschaftsressorts deutlich gemacht, dass sie "rote Linien überschritten" habe. Dies ließ man sie angeblich auch spüren.
Sagmeister spricht von "arbeitsrechtlichen Schikanen", Zwangsurlaub und die vorübergehende Weigerung, sie in der üblichen Dienstplanung zu berücksichtigen. Sie wird ins "Todesarchiv" versetzt. Über Monate überarbeitet sie Nachrufe auf noch lebende Personen, ihre Recherche-Vorschläge zu tagesaktuellen Wirtschaftsthemen seien am laufenden Band abgelehnt worden.
ORF-Chef genehmigte Kündigung
Sagmeister klagte gegen ihre Versetzung – der Personalchef soll sie daraufhin gekündigt haben. Das Kündigungsschreiben trage die persönliche Unterschrift von Generaldirektor Roland Weißmann.
Mittlerweile ist Sagmeister seit einem Jahr freigestellt und hat sich an die Arbeiterkammer gewandt. Auf öffentlichen Beistand von ihren Kolleginnen und Kollegen könne sie nicht hoffen, da "diese um Job und Einkommen fürchten", heißt es. Drei Kolleginnen bzw. Kollegen aus der Wirtschaftsredaktion haben dem ORF demnach den Rücken gekehrt. Die ehemalige Ressortleiterin aus Niederösterreich, welche auf Sagmeister Druck ausgeübt haben soll, arbeite mittlerweile in der ORF-Parlamentsdirektion ("Hohes Haus").
Auf "Heute"-Nachfrage sagt ein Sprecher des ORF, dass man eine umfassende Überprüfung durchgeführt habe: "Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Vorwürfe von Frau Sagmeister unzutreffend sind und es zu keiner Einflussnahme auf die journalistische Tätigkeit von Frau Sagmeister gekommen ist."
Grund für die Kündigung waren demnach "mehrere Verfehlungen von Frau Sagmeister, welche mit ihrer dienstlichen Stellung als Journalistin des ORF nicht vereinbar waren. Die erhobenen Vorwürfe stehen hingegen in keinem Zusammenhang mit der Kündigung."