Netanjahu: Krieg durch Sinwar-Tötung „nicht beendet“

2 Stunden vor

Netanjahu

Die Tötung des Anführers der radikalislamischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Jahja Sinwar, bietet laut Israels Premier Benjamin Netanjahu die Chance auf Frieden im Nahen Osten. Der Krieg gegen die Terrororganisation sei aber „noch nicht beendet“, sagte er Donnerstagabend. Die mit dem Iran verbündete libanesische Schiitenmiliz Hisbollah richtete indes eine neue Drohung an Israel.

Sinwar - Figure 1
Foto ORF

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Netanjahu bezeichnete die Tötung Sinwars als „Meilenstein“. „Das ist ein wichtiger Moment in diesem Krieg. Wir werden mit voller Kraft weitermachen, bis alle ihre Lieben, unsere Lieben, wieder zu Hause sind“, sagte Netanjahu in Richtung der Angehörigen der weiter im Gazastreifen von der Hamas festgehaltenen Geiseln.

Biden: Chance auf „Tag danach“

Sinwar galt als Drahtzieher des Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem islamistische Terroristen 1.205 Menschen töteten und weitere 251 in den Gazastreifen verschleppten. „Das ist der Beginn des Tages nach der Hamas“, sagte Netanjahu an die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen gerichtet. Die Menschen in dem abgeriegelten und vom Krieg schwer gezeichneten Küstengebiet sollten sich endlich befreien von der seit Jahren währenden „Unterdrückungsherrschaft“ der Hamas.

US-Präsident Joe Biden sagte, nun könne die Chance auf einen „Tag danach“ im Gazastreifen ohne die Islamisten an der Macht ergriffen werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einer „Gelegenheit, die Freilassung aller Geiseln zu erreichen und den Krieg endlich zu beenden“. Der Tod Sinwars schwäche die Hamas „signifikant“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz betonte Israels Recht auf Selbstverteidigung.

Armee: Sinwar eher zufällig entdeckt

Lange Zeit soll sich Sinwar laut israelischen Angaben in dem Tunnelsystem unter dem Gazastreifen versteckt haben – angeblich stets von Geiseln als menschlichen Schutzschilden umgeben. Nach Angaben der israelischen Armee wurde Sinwar am Mittwoch in Rafah in Südgaza getötet.

Die Armee hatte in dem Gebiet zuletzt verstärkt nach hochrangigen Hamas-Mitgliedern gesucht. Nachdem er und zwei weitere Bewaffnete eher zufällig entdeckt worden sein sollen, habe sich Sinwar in einem Haus versteckt und ein israelischer Panzer eine Granate auf das Gebäude gefeuert, berichtete das Nachrichtenportal Times of Israel.

Schin-Bet-Chef Ronan Bar (l.) und Israels Armeechef Herzi Halevi im Haus, in dem Sinwar starb

Das Militär veröffentliche Aufnahmen einer Drohne, die einen vermummten und von Staub bedeckten Mann – angeblich Sinwar – zeigen soll, der noch lebend in einem ausgebombten Gebäude auf einem Sessel sitzt. Als sich die Drohne nähert, wirft er mit einem Stock nach dem ferngesteuerten Fluggerät. An dieser Stelle bricht das Video ab. Israelische Medien veröffentlichten später Fotos von der zwischen Trümmern liegenden mutmaßlichen Leiche Sinwars mit schwersten Kopfverletzungen.

Über Zahn- und Fingerabdrücke identifiziert

Forensikfachleute der israelischen Polizei stellten die Identität Sinwars laut Medienberichten anhand von Zahnstellung und Fingerabdrücken fest, außerdem wurde ein DNA-Test vorgenommen. Israel verfügt über die biometrischen Daten des Hamas-Chefs, weil er mehr als 20 Jahre in israelischen Gefängnissen eingesessen war.

Hamas-Chef von Israels Armee getötet

Die israelische Regierung hat mitgeteilt, dass Hamas-Chef Jahja Sinwar im Süden Gazas getötet wurde. Sinwar gehörte zu den meistgesuchten Köpfen der Hamas und gilt als Drahtzieher des Terrorangriffs vom 7. Oktober.

Der wegen seiner Brutalität im Umgang mit politischen Gegnern als „Schlächter von Chan Junis“ bekannte Sinwar war einst wegen des Mordes an vier mutmaßlichen Kollaborateuren und zwei israelischen Soldaten zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. 2011 kam er als einer von mehr als 1.000 palästinensischen Häftlingen im Austausch für den in Gaza festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit frei.

Berichte: Sinwar-Bruder könnte Nachfolger werden

Nach Sinwars Tod könnte Medienberichten zufolge sein jüngerer Bruder Mohammed an die Spitze der Terrororganisation rücken. Er war einer seiner engsten Vertrauten und ebenfalls an der Planung des Oktober-Massakers beteiligt. Außerdem organisierte er die Entführung des Soldaten Schalit, mit dem er seinen Bruder aus der israelischen Haft freipresste. Laut einem Bericht des israelischen Nachrichtenportals Ynet überlebte Sinwars Bruder bereits drei israelische Anschläge.

Angehörige: Kein Sieg ohne Geiselrückholung

In Israel wurde der Tod Sinwars von vielen Menschen gefeiert. Präsident Jizchak Herzog dankte den israelischen Streitkräften, dem Inlandsgeheimdienst Schin Bet und allen am Einsatz beteiligten Sicherheitsdiensten. Angehörige der 101 bis heute im Gazastreifen verbliebenen Geiseln begrüßten die Tötung des Hamas-Führers, forderten aber weitere Bemühungen, um ihre Familienmitglieder heimzuholen.

„Wir haben die Rechnung mit dem Massenmörder Sinwar beglichen, aber es wird keinen völligen Sieg geben, wenn wir ihre Leben nicht retten und sie nicht nach Hause holen“, sagte eine Sprecherin der Angehörigen.

Neue Drohung der Hisbollah

Der Iran und die Hisbollah gaben sich unterdessen kämpferisch. Die iranische Vertretung bei der UNO teilte mit, dass nach dem Tod Sinwars „der Geist des Widerstands gestärkt werden wird“. Die Hisbollah-Miliz kündigte eine neue „eskalierende Phase“ in der Konfrontation mit Israel an. Die militärischen Verluste Israels hätten sich seit Beginn des Bodenkrieges im Libanon am 1. Oktober auf 55 Tote und mehr als 500 verwundete Soldaten und Offiziere belaufen.

Die Hisbollah hatte nach dem Hamas-Angriff mit permanenten Luftangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Seit September konzentriert das israelische Militär einen erheblichen Teil seiner Kräfte auf den Kampf gegen die Hisbollah. Durch die Kämpfe wurden bisher mehr als 1.300 Menschen getötet und rund eine Million Menschen vertrieben.

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