WIRTSCHAFT: Siemens-Werk für industrielle Stromversorgung ...

20 Stunden vor
Siemens

WIRTSCHAFT

Auf die Insolvenz der KTM AG und die Schließung des Schaeffler-Werkes folgt diese Woche bereits die dritte Hiobsbotschaft: Siemens schließt bis Ende 2026 sein Wiener Werk für industrielle Stromversorgung. Gewerkschaft und Industrie geraten darüber in Streit.

Online seit heute, 14.35 Uhr (Update: 16.17 Uhr)

178 Beschäftigte sind betroffen. Für sie würden Jobs im konzernnahen Umfeld gesucht. „Derzeit gibt es bei Siemens in Österreich etwa rund 100 offene Stellen“, so der deutsche Elektronikkonzern. Zur Begründung für das Aus hieß es, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit würden weltweit Kapazitäten im Bereich Automatisierung angepasst.

„Ein Teil dieser Maßnahmen sind Veränderungen im Industriebereich bei Siemens Österreich“, so der Konzern. Parallel dazu würden die europäischen Fertigungskapazitäten im Werk in Sibiu/Rumänien „bedarfsgerecht in Anspruch genommen“, erklärte Siemens in einer Aussendung. Durch diese Maßnahme würden Synergien in der von Österreich verantworteten Region gehoben.

Leitung bleibt in Wien

Die Leitung des weltweiten Geschäfts für industrielle Stromversorgung, inklusive des Forschungs- und Entwicklungszentrums und des Produkt- und Qualitätsmanagements, bleibe weiterhin in Wien. Insgesamt arbeiten für Siemens in Österreich rund 9.300 Menschen. Der Umsatz lag im Geschäftsjahr 2023 bei 3,2 Mrd. Euro. Siemens Österreich betreut von Wien aus weitere 25 Länder.

Am Mittwoch hatte der deutsche Autozulieferer Schaeffler bekanntgegeben, dass er sein Werk im niederösterreichischen Berndorf mit Ende des nächsten Jahres schließt. Betroffen sind 450 Beschäftigte. Zuvor war bekanntgeworden, dass der oberösterreichische Traditionsbetrieb KTM in die Insolvenz geschlittert ist. Die Pierer-Mobility-Tochter bereitet derzeit einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung vor.

Industriellenvereinigung ist alarmiert

Die Industriellenvereinigung (IV) schlug am Donnerstag Alarm. „Tagtäglich erreichen uns neue Nachrichten von Betrieben, die in Schwierigkeiten geraten. Werksschließungen, Stellenabbau, Verhandlungen um Gehaltsverzicht und Insolvenzen häufen sich“, so IV-Präsident Georg Knill in einer Aussendung. „Wir warnen seit Monaten vor ähnlichen Szenarien – was muss nun noch passieren, damit endlich gegengesteuert wird?“, fragte er in Richtung Politik.

Die Gründe sind aus Sicht des Industrievertreters „vielfältig und leider auch hausgemacht“. Dabei sprach Knill insbesondere die „hohe Inflation und unverantwortlich hohe Lohnabschlüsse der letzten Jahre“ an. Die Lohnstückkosten seien hierzulande seit 2021 um 30,2 Prozent gestiegen, in Deutschland aber lediglich um 14,3 Prozent, und in Italien gar nur um 7,1 Prozent, rechnete Knill vor. Daher leide die hiesige Wettbewerbsfähigkeit.

PRO-GE kontert IV: „Letztklassig“

Der Vergleich Knills des hiesigen mit dem deutschen Tarifsystem brachte umgehend die Gewerkschaft zum Schäumen. Die IV disqualifiziere sich mit „vermeintlichen Argumenten (…) als Partner für eine aktive Standort- und Industriepolitik“, so der Chef der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE), Reinhold Binder. Die beiden Systeme ließen sich nicht vergleichen, so gelte in der deutschen Metall- und Elektroindustrie beispielsweise in weiten Teilen eine 35-Stunden-Woche.

„Zudem waren auch in der Vergangenheit zentrale wirtschaftliche Kennzahlen unterschiedlich und die Wachstumsraten der österreichischen Industrie weit über jener Deutschlands. Wenn die Analyse der IV stimmen würde, dann wäre Deutschland jetzt eine Konjunkturlokomotive und nicht im Krisenmodus“, so Binder.

Die Energiekosten seien in Österreich seit 2020 auch deutlicher gestiegen als die Löhne in der Industrie. „So zu tun, als würden kollektivvertragliche Lohnabschlüsse nicht sozialpartnerschaftlich vereinbart, sondern von den Gewerkschaften diktiert, ist realitätsfremd“, so Binder. Er unterstellt der IV „das eigentliche Ansinnen, Löhne und Gehälter der Beschäftigten schleichend zu entwerten“. Die Aussagen des IV-Präsidenten seien „letztklassig“ und entsprächen „postfaktischer Propaganda“.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche