Gefahr für Fußgänger: Versicherer beklagen hohe Kosten durch ...

15 Sep 2023
Gefahr für Fußgänger Versicherer beklagen hohe Kosten durch Unfälle mit geliehenen E-Scootern

Die Versicherungsbranche legt beunruhigende Unfallzahlen für E-Scooter vor: Sie beziffert die Höhe der durchschnittlichen Behandlungskosten bei Personenschäden auf 13.000 Euro. Nun fordert der Verband eine drastische Maßnahme.

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Foto DER SPIEGEL

15.09.2023, 14.53 Uhr • aus DER SPIEGEL 38/2023

E-Scooter zum Leihen auf einem Gehweg in München: »Gelegenheitsfahrer sind im Schnitt jünger, nutzen fast ausschließlich Leihscooter für Fahrten in ihrer Freizeit und fahren öfter auf dem Gehweg«

Foto: Wolfgang Maria Weber / IMAGO

Die Stadtverwaltung in Paris hat bereits die Notbremse gezogen. Seit Anfang September sind E-Scooter zum Ausleihen am Straßenrand verboten. Der zunehmende Wildwuchs auf dem Trottoir frustrierte zunehmend viele Einwohner, die sprachen sich schließlich mehrheitlich gegen die Vehikel aus.

Auch in Deutschland gibt es eine Diskussion darüber, ob ein solches Verbot sinnvoll wäre. Denn auch hier blockieren unsachgemäß abgestellte Elektrokleinstfahrzeuge (wie sie im Beamtendeutsch heißen) die Straßen.

Ein anderes Problem ist das der Verkehrssicherheit. Neue Nahrung erhält die Diskussion durch Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Assekuranz gab im vergangenen Jahr insgesamt 15,1 Millionen Euro aus, um Schäden in Folge solcher Roller-Unfälle auszugleichen. Es handelte es sich um 4200 Fälle.

Insgesamt hat die Polizei 2022 laut dem Verkehrsklub ADAC  8260 Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen und Personenschaden registriert, 49 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei gab es elf Tote (davon waren zehn mit einem Roller unterwegs) und knapp 8800 Verletzte (davon waren mehr als 80 Prozent mit einem Roller unterwegs). Den Angaben zufolge kam es verkehrsmittelübergreifend insgesamt zu 288.000 Unfällen mit Personenschaden auf deutschen Straßen.

Die größte Gefahr bei Scootern stellt offenbar nicht jene große Mehrzahl an Rollern dar, die in Privatbesitz sind. Vielmehr wurden 2350 Schäden durch E-Scooter von Verleihern wie Tier, Lime oder Bolt verursacht, obwohl von denen weniger zugelassen sind.

»Gelegenheitsfahrer sind im Schnitt jünger, nutzen fast ausschließlich Leihscooter für Fahrten in ihrer Freizeit und fahren öfter auf dem Gehweg«, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Er warnt, dass überdurchschnittlich viele Fußgänger Opfer von E-Scootern werden.

»Im Schnitt entstehen bei Personenschäden Ausgaben in Höhe von über 13.000 Euro, etwa für Behandlungskosten, Arbeitsausfall und Schmerzensgeld«, so Asmussen. Das ist laut Versicherungsverband eine recht hohe Summe. Dies zeige ein Vergleich zum Pkw: Bei einem Unfall mit Personenschaden verursacht dieser Kosten von etwa 21.000 Euro. Diese Zahl enthält aber auch die bei diesem Unfall zu regulierenden Sachschäden, die bei einem Pkw deutlich höher liegen, als wenn ein E-Scooter einen Unfall verursacht.

In der Versicherungsstatistik tauchen keine Schäden bei unfallverursachenden E-Scooter-Fahrern auf. Denn diese werden von der Haftpflicht nicht getragen. Verletzt sich ein Fahrer, zahlt in der Regel die Krankenversicherung oder die private Unfallversicherung.

Asmussen will kein Verbot der E-Scooter, fordert aber zumindest einen Mofa-Führerschein als Voraussetzung, um ein solches Elektrokleinstfahrzeug zu bedienen. Eine Funktion in der App von Verleihern könnte zudem die Reaktionsfähigkeit von Rollerfahrern testen und jene identifizieren, die offensichtlich unter dem Einfluss von Drogen, insbesondere Alkohol, stehen. Nach den Statistiken der Versicherer war in über 20 Prozent der Unfälle die Verkehrstüchtigkeit der Fahrer eingeschränkt, häufig fuhren die Angetrunkenen auf dem Gehweg. Zu hohe Geschwindigkeit ist in sieben Prozent der Fälle der Grund, mit dem E-Scooter zu verunglücken.

E-Scooter wurden vom damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für den Straßenverkehr zugelassen. Auf Druck der E-Scooter-Verleiher wurde auf eine Helmpflicht oder einen Führerschein als Voraussetzung einer Ausleihe verzichtet. Auch mussten keine Blinker verbaut werden, der Fahrer oder die Fahrerin könne auch per Handzeichen mitteilen, in welche Richtung man abbiegen wolle. Doch einhändig zu fahren gestaltet sich schwierig, weswegen viele Rollerfahrer darauf verzichten. Die zuständigen Behörden hatten ausdrücklich vor den Unfallrisiken durch die Roller gewarnt. Als Kompromiss ordnete man ein Tempolimit von 20 Kilometern pro Stunde an.

Die Kommunen haben auf die Flut der Roller bereits vielerorts reagiert und das Abstellen an unfallträchtigen Orten verboten.

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