INDUSTRIEMAGAZIN | Schaeffler schließt Werk in Berndorf: 460 ...
27.11.2024
Lesezeit: ca. 4 Minuten
Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler schließt seinen Standort in Berndorf im Rahmen umfassender Restrukturierungsmaßnahmen. Rund 460 Arbeitsplätze sind betroffen. Die Produktion, spezialisiert auf Radlager und Getriebelager für Nutzfahrzeuge, wird an kosteneffizientere Standorte in Europa und Asien verlagert.
Schaeffler schließt sein Werk im niederösterreichischen Berndorf
- © Guenther PEROUTKA / WirtschaftsBlatt / picturedesk.comAm 5. November 2024 gab der Vorstand der Schaeffler AG weitreichende strukturelle Maßnahmen bekannt, die auf eine langfristige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit abzielen. Neben den bereits benannten, vor allem in Deutschland betroffenen Standorten, wurden nun Details zu vier weiteren europäischen Standorten veröffentlicht.
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Der deutsche Auto- und Industriezulieferer hat die Schließung seines Werks in Berndorf (Niederösterreich) bekannt gegeben. Zum Jahresende 2023 waren dort rund 460 Mitarbeitende beschäftigt. Die Entscheidung ist Teil eines umfassenden Personalabbaus, der bereits Anfang November angekündigt wurde.
Zwei der fünf europäischen Standorte sollen ganz geschlossen werden. In Deutschland seien vor allem die großen Standorte Herzogenaurach, Schweinfurt, Regensburg und Homburg (Saar) betroffen. Ein Werk in China soll ganz wegfallen, der Standort Hameln könnte bald verkauft werden. Insgesamt sind 4.700 Stellen betroffen, davon entfallen 2.800 auf Deutschland und 1.900 auf andere europäische Standorte. Nach Verlagerungen reduziert sich der Nettoabbau auf rund 3.700 Stellen.
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- © IndustriemagazinDie Maßnahmen außerhalb Deutschlands konzentrieren sich auf die Sparte Bearings & Industrial Solutions, die unter einer anhaltenden Konjunkturschwäche, strukturellen Herausforderungen und steigendem Wettbewerbsdruckleidet. Zudem berücksichtigt Schaeffler den Rückgang der Nachfrage nach Verbrennungstechnologien in Europa, was insbesondere die Sparte Powertrain & Chassis betrifft.
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Der Standort Berndorf stellt derzeit Radlager und Getriebelager her, die vor allem in schweren Nutzfahrzeugen wie LKWs und Traktoren verwendet werden. Aufgrund von Kosten- und Preisdruck durch asiatische Konkurrenz sowie gestiegene Material-, Energie- und Personalkosten plant Schaeffler, die Produktion an wirtschaftlichere Standorte in Europa und Asien zu verlagern. "Aufgrund der im Vergleich geringen Größe des Standorts sind diese Schwankungen nur schwer bis gar nicht planungssicher und wirtschaftlich sinnvoll abzufedern", heißt es in einer Pressemeldung. Die Vertriebsmitarbeitenden bleiben in der Region und ziehen in neue Räumlichkeiten um.
Schaeffler-Standort in Berndorf, Niederösterreich - © Guenther PEROUTKA / WirtschaftsBlatt / picturedesk.com
Berndorf steht unter erheblichem Druck durch mehrere externe und interne Faktoren:
Kosten- und Preisdruck: Die Konkurrenz aus Asien verstärkt den Preisdruck auf dem europäischen Markt. Asiatische Hersteller bieten vergleichbare Produkte oft zu niedrigeren Preisen an.Gestiegene Produktionskosten: Material-, Energie- und Personalkosten sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Diese Kosten lassen sich nicht mehr durch Preisanpassungen an die Kunden ausgleichen.Standortgröße: Aufgrund der vergleichsweise geringen Größe des Werks sind die Schwankungen in der Nachfrage schwer abzufedern. Dies führt zu einer geringeren Planungssicherheit und erhöhtem wirtschaftlichen Risiko.Dass der Standort in Berndorf geschlossen wird, kam für viele überraschend, besonders vor dem Hintergrund früherer Aussagen. „Gewisse Einsparungen könnten auch auf den österreichischen Produktionsstandort Berndorf durchschlagen,“ erklärte ein ehemaliger hochrangiger Manager von Schaeffler Austria dem INDUSTRIEMAGAZIN noch Anfang November. Damals betonte er: Dass „das Werk von einem Schließungsszenario gefährdet ist,“ glaube er nicht. Der Standort sei hoch automatisiert, technisch bestens ausgestattet und habe bereits in den letzten Jahren mit einer stark reduzierten Personaldecke gearbeitet. Im Konzern habe sich Berndorf stets gut positioniert.
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Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete der Standort 241,9 Millionen Euro. Besonders hervorzuheben ist, dass die Produktsortimente des Werks auch in elektrifizierten Fahrzeugen Verwendung finden – ein Hinweis auf die strategische Bedeutung Berndorfs für den Wandel in der Automobilindustrie.
© Schaeffler Austria
Die aktuelle Restrukturierung des Schaeffler-Konzerns, die unter anderem die „Zentralisierung von Funktionen“umfasst, hinterlässt jedoch auch im Kompetenzzentrum für Kegelrollenlager in Berndorf ihre Spuren. Während das Geschäft mit Kegelrollenlagern für Lkw als Hauptumsatztreiber gilt, stellt der Bereich der kleineren Lager für Industrieanwendungen in Österreich einen vergleichsweise kleinen Marktanteil dar.
Neben dem bereits bestätigten Werk in Berndorf, Österreich, sind weitere Schließungen vorgesehen. Konkret betroffen ist der Standort Sheffield in Großbritannien, der der Sparte Powertrain & Chassis zugeordnet ist. Dort werden derzeit Kupplungssysteme für Pkw und Traktoren produziert. Aufgrund sinkender globaler Nachfrage nach manuellen Schaltgetrieben und der Elektrifizierung des Antriebsstrangs plant Schaeffler, die Produktion in Sheffield einzustellen und den Standort zu schließen.
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Die Produktion wird wie folgt verlagert: Pkw-Kupplungen nach Szombathely (Ungarn), Traktorkupplungen nach Hosur (Indien), einem wachsenden Markt. Schaeffler plant, Mitarbeitende in Zentralfunktionen in Birmingham zu integrieren. Matthias Zink, Vorstand Powertrain & Chassis, betonte: „Die Aufgabe der Fertigung in Sheffield sichert die Wettbewerbsfähigkeit des globalen Kupplungsgeschäfts zum Vorteil unserer Kunden.“
Die Umsetzung der Maßnahmen ist für die Jahre 2025 bis 2027 geplant. Schaeffler strebt dabei eine sozialverträgliche Umsetzung an und hat angekündigt, die gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationen mit den Arbeitnehmervertretungen an den betroffenen Standorten aufzunehmen.
Der Standort Brasov wird im Zuge der Restrukturierungsmaßnahmen weiterentwickelt und bleibt das globale Leitwerk für Großlager mit einem Durchmesser von bis zu vier Metern. Im Rahmen der geplanten Maßnahmen wird die Produktion effizienter gestaltet und neu ausgerichtet. So sollen die Produktionskapazitäten für Standardlager nach Asien verlagert werden, um die Kostenstruktur zu optimieren. Gleichzeitig ist der Aufbau neuer Produktionskapazitäten für Industrieprodukte vorgesehen, die speziell auf die Bedürfnisse europäischer Kunden zugeschnitten sind. Zudem werden Linearprodukte, die bisher an den Standorten Homburg und Taoyuan gefertigt werden, in Brasov konsolidiert. Diese Maßnahmen machen Brasov zum zentralen Produktionsstandort für Linearkomponenten, was die strategische Bedeutung des Werks weiter stärkt.
Auch der Standort Kysuce in der Slowakei wird umfassend strategisch ausgebaut. Er bleibt ein wichtiger Produktionsstandort für Verbrennungs- und Hybridantriebe sowie für den Chassis-Bereich. Im Zuge der Maßnahmen wird Schaeffler in zusätzliche Fertigungslinien investieren, wobei Kapazitäten aus Berndorf nach Kysuce verlagert werden. Darüber hinaus wird der Standort auf die Anforderungen der E-Mobilität ausgerichtet, was seine Rolle in Schaefflers zukunftsorientierter Strategie unterstreicht.
Sascha Zaps, Vorstand Bearings & Industrial Solutions, betonte die Vorteile der Maßnahmen: „Durch die notwendige Konsolidierung unseres europäischen Produktionsnetzwerks verbessern wir unsere Kostenstruktur und unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
Erstveröffentlichung
27.11.2024
Letzte Aktualisierung
27.11.2024