Diskussion um "Sterbetourismus" nach Suizid in "Sarco"-Kapsel

4 Stunden vor

Stand: 25.09.2024 14:36 Uhr

Nach dem Tod eines Menschen in einer Suizidkapsel im Schweizer Grenzgebiet ist die Diskussion um Beihilfe zum Freitod wieder aufgeflammt. Es hatte auch Festnahmen gegeben.

Nach dem Fund einer Leiche in einer sogenannten "Sarco"-Suizidkapsel am Montag in einem Wald bei Merishausen nahe der deutschen Grenze sind mehrere Festgenommene weiter in Haft. Wie der zuständige Schaffhauser Staatsanwalt Peter Sticher am Mittwochmorgen mitteilte, handelt es sich um den Co-Präsidenten der Schweizer Sterbehilfeorganisation "The Last Resort", zwei Anwälte und einen niederländischen Journalisten. Strafverfahren wegen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord seien eröffnet worden, die Sterbekapsel sei sichergestellt.

Sorge um "Sterbetourismus" nach "Sarco"-Einsatz in Schaffhausen in der Schweiz

Unterdessen werden Forderungen laut nach einem expliziten Verbot der Suizidkapsel. Es gehe auch darum zu verhindern, so die Parlamentarierin Nina Fehr Düsel von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), dass der "Sterbetourismus" in der Schweiz überhandnehme. Andere plädieren dafür, erst das Ergebnis des Strafverfahrens in Schaffhausen abzuwarten. "Wenn die gesetzlich nicht erlaubte Verwendung der Kapsel keine Konsequenzen hat", sagte der Mitte-Politiker Matthias Bregy dem "Tagesanzeiger", "dann braucht es eindeutig eine Verschärfung".  

Laut Kantonspolizei war am Montagnachmittag bei der Staatsanwaltschaft ein telefonischer Hinweis einer Anwaltskanzlei eingegangen. Polizeibeamte hätten die Suizidkapsel "Sarco" bei einer Waldhütte in Merishausen an der deutsch-schweizerischen Grenze zum Kreis Konstanz gefunden. Die Leiche werde in Zürich obduziert.

Unter den im Raum Merishausen Festgenommenen ist nach Angaben der niederländischen Zeitung "De Volkskrant" auch einer der Fotografen der Zeitung. Er habe Bilder vom Einsatz der Kapsel gemacht. Die Nachrichtenagentur AP berichtete, in der Kapsel habe sich eine 64-jährige US-Bürgerin getötet, die unter einer schweren Immunschwäche gelitten habe.

So war die "Sarco"-Suizidkapsel 2019 in Venedig ausgestellt.

Was ist die "Sarco"-Kapsel? Durch Knopfdruck das Leben nehmen

Nach Angaben des Herstellers, der australischen Organisation Exit International, ist die "Sarco"-Selbstmordkapsel zuvor noch nie verwendet worden. Sie sei so konzipiert, dass sich jemand im Inneren durch Knopfdruck das Leben nehmen könne. Dabei werde Stickstoffgas in die versiegelte Kammer eingeleitet. Der Mensch in der Kapsel soll einschlafen und in wenigen Minuten durch Sauerstoffmangel sterben.

Die sargähnliche Kabine entsteht in den Niederlanden in einem 3D-Drucker, so der Hersteller. 2019 war der "Sarco" auf einer Design-Messe in Venedig vorgestellt worden. Im Juli dieses Jahres wurde die mobile Kapsel in Zürich präsentiert. Das löste eine erneute Diskussion um begleiteten Suizid und Sterbehilfe in der Schweiz aus.

SWR Kultur berichtete im Juli über die Suizidkapsel und die Kritik daran:

Tod in "Sarco"-Suizidkapsel: Rechtliche Bewertung ist unklar

In der Schweiz gelten passive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid als erlaubt, solange keine selbstsüchtigen Beweggründe zugrunde liegen. Allerdings erklärte die Schweizer Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider am Montag in der Fragestunde des Nationalrates, die Suizidkapsel "Sarco" sei nicht rechtskonform. Sie erfülle die Anforderungen des Produktesicherheitsrechts nicht. Außerdem sei die Verwendung von Stickstoff in der Kapsel nicht mit dem Chemikaliengesetz vereinbar.

Hilfe bei Suizidgedanken

Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, bieten verschiedene Organisationen Hilfe und Auswege an: Wer Hilfe braucht und die Telefonseelsorge anrufen will, der kann das unter: 0800 / 111 0 111 , 0800 / 111 0 222 oder 116 123 oder per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de Für Kinder und Jugendliche gibt es außerdem die "Nummer gegen Kummer" - erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800/111 0 333. Eine Mailberatung für junge Menschen gibt es auch über die Website U25 Deutschland und über Jugendnotmail. Hilfe - auch in türkischer Sprache - bietet das muslimische Seelsorge-Telefon "MuTeS" unter 030/44 35 09 821. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sind 24 Stunden am Tag erreichbar. Eine Übersicht weiterer Angebote hat die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention unter suizidprophylaxe.de aufgelistet.

Sendung am Mi., 25.9.2024 14:30 Uhr, SWR4 BW Studio Friedrichshafen

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Südwestrundfunk

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