Verluste an Ukraine-Front: Russland produziert neue Kampfjets SU-34

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Stand: 01.07.2024, 05:48 Uhr

Von: Karsten-Dirk Hinzmann

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Das Bild zeigt einen abgestürzten russischen Kampfjet Su-34 in der Ukraine. Nun ist offenbar ein Kampfjet dieser Bauart in Westrussland abgestürzt.

Was vom Angriff übrig bleibt: das Wrack eins russischen Kampfjets Suchoi Su-34 in der Ukraine. Deren Luftabwehr will inzwischen 30 dieser Bomber vom Himmel geholt haben (Symbolbild) © IMAGO/Ovsiannikova Yuliia/Ukrinform/ABACA

Russland gehen die Gleitbomber aus. Ein Fünftel seiner Su-34-Flotte hat Putin eingebüßt. Doch er will genau diese Verluste im Ukraine-Krieg ersetzen. Mit Erfolg?

Moskau – „Unabhängig davon, wie viele Su-34 sie verlieren, gewinnen die Russen immer noch“, schreibt Brandon Weichert. Der Autor des Online-Magazins The National Interest reagiert skeptisch auf die Verluste des „Rückgrats“ der Luftwaffe Russlands im Ukraine-Krieg. Er mutmaßt, dass Wladimir Putin die verlorenen Maschinen mit allen Mitteln ersetzen wird.

138 Maschinen dieses Typs soll die russische Luftwaffe besitzen – das veröffentlicht der World Air Forces-Index von diesem Jahr. Der Ukrainer Taras Chmut rechnet mit 160 Maschinen, wie er auf X (vormals Twitter) schreibt. Nach Informationen des Militäranalytikers hat Russland in diesem Jahr vier Maschinen produziert. Im vergangenen Jahr immerhin noch zwölf. 2020 sollen 20 Maschinen in Dienst gestellt worden sein. „Das sind keine Schlussfolgerungen, nur Zahlen“, erklärte Chmut laut dem Magazin Defense Express. Die Lieferung zweier Maschinen im April und von zwei Exemplaren im Juni bestätige das Magazin Flugrevue.

Verluste von Su-34-Kampfjets sind hoch: 30 Maschinen im Laufe des Ukraine-Krieges zerstört

30 Maschinen sind im Verlauf des Ukraine-Krieges zerstört worden, schreibt die Statistikplattform Oryx. Insofern hat die Invasionsarmee mindestens ein Fünftel ihrer Flotte dieses Flugzeugtyps eingebüßt und durchaus hohe Verluste zu beklagen. „Russland ringt mit dem Verschleiß seiner Su-34“, wie Patrick Zwerger noch im Oktober geschrieben hatte. Der Autor der Flugrevue hatte berichtet, dass der Ukraine-Krieg vor allem an die Substanz speziell dieses Typs geht. Die Suchoi Su-34 spiele in den Plänen Wladimir Putins demnach eine zentrale Rolle – die Hauptrolle, wie Zwerger Russlands damaligen Verteidigungsminister Sergei Schoigu sagen lässt.

Kaum ein anderer Typ fliege so viele Einsätze wie der „Jagdbomber mit dem Entenschnabel“, sagt Zwerger. „Wir müssen uns anstrengen!“, soll Russlands Ex-Verteidigungsminister behauptet und dabei die Erhöhung der Produktion gemeint haben. Laut Forbes sind die Su-34 die geeigneten Trägersysteme für die präzisesten Waffen Russlands – deren Gleitbomben; beispielsweise der KAB-Serie: „Die Su-34 waren die offensichtlichen Plattformen für diese neuen Waffen. Sie wurden zu Gleitbombern – fast ausschließlich. Die Besatzungen flogen hoch und schnell auf die Front zu und warfen bis zu vier KABs gleichzeitig ab, und das bis zu 20 Kilometern von ihren Zielen entfernt“, wie Forbes schreibt.

Die Su-34 sind die Träger der russischen Gleitbomben-„Wunderwaffen“ in Russlands Angriffskrieg

Auch im verlustreich umkämpften Awdijiwka sollen FAB-500-Bomben eingesetzt worden sein, wie das Magazin Armyrecognition berichtet hat: „Diese Operation unterstreicht die entscheidende Rolle der Su-34 in der russischen Militärstrategie, da sie in der Lage ist, Angriffe aus sicherer Entfernung jenseits der ukrainischen Luftabwehr durchzuführen.“ Laut dem National Interest resultieren die Verluste der Su-34 vorrangig aus der überholten russischen Taktik: Die Russen setzten ihre Kampfflugzeuge einer größeren Gefahr aus, indem sie sie Einsätze befahlen, vor denen sie sonst in ihrem Angriffskrieg zurückgeschreckt wären: tief über dem Boden und nah an die Front, wie Brandon Weichert schreibt.

Die zu „Gleitbombern“ mutierten Maschinen unterliegen jetzt einer neuen Taktik – und profitieren vom noch bestehenden Veto der USA, bestimmte Flugplätze im russischen Kernland mit Raketen aus der Ukraine heraus unter Feuer zu nehmen. Auf dem Luftwaffen-Stützpunkt Woronesch-Malschewo zeigt Wladimir Putin unverhohlen die Potenz seiner Kampfjets – er weiß, dass der Ukraine die Hände gebunden sind und parkt die Jets des 7. Garde-Bomberregiment unter freiem Himmel.

Su-34-Kampfjets für den Ukraine-Krieg: In der russischen Produktion stehen Zeichen auf Expansion

Das Magazin Forbes stützt sich auf Behauptungen des Open-Source-Infodienstes Frontelligence Insight, wonach Woronesch-Malschewo in Reichweite der in den USA hergestellten ATACMS-Raketen (Army Tactical Missile Systems) läge. „Die Ukraine könnte die gesamte dort stationierte Einsatzflotte außer Gefecht setzen, wenn ihr ein solcher Angriff gestattet würde“, mutmaßt Frontelligence Insight über eine ausbleibende Attacke auf Putins Kampfjets und Bomber auf diesem Stützpunkt. Putin steht unter Zugzwang.

Flugrevue-Autor Patrick Zwerger sieht im Tschkalow-Flugzeugwerk Nowosibirsk „die Zeichen auf Expansion stehen“, wie er schreibt. Mehr als 600 neue Mitarbeiter seien allein in diesem Jahr eingestellt worden, zitiert er Juri Sljusar, den Generaldirektor der staatlichen Flugzeugbau-Holding UAC, und Chef der Flugzeugwerft der Su-34. Sljusar zufolge soll bis Ende des Jahres 2024 auf 1.000 Fachkräfte aufgestockt werden – vom Produktionsmitarbeiter bis zum Ingenieur. Der Chef der Werft versprach dem Magazin neben der Erweiterung des Personals die technischen und logistischen Abläufe zu verschlanken. Er wolle „zusätzliche Reserven“ finden, „um das Produktionsvolumen zu erhöhen“, sagte Sljusar.

Verlust von Kampfjets im Ukraine-Krieg: Kann Russland die Rückschläge ausgleichen?

Der Verschleiß der Maschinen wird in Kürze spürbar die Möglichkeiten der russischen Luftwaffe einschränken: Die würde in diesem Jahr voraussichtlich etwa 60 kalkulierte Flugzeugverluste durch Überbeanspruchung erleiden. „Das entspricht dem Verlust von 26 neuen Flugzeugen“, schreibt Michael Bohnert. Der Analyst des kalifornischen Thinktanks RAND geht davon aus, dass die Verluste die Produktionszahlen vieler Flugzeugtypen übersteigen werden. Die Flugrevue will wissen, dass bis Ende 2027 insgesamt 76 neue Su-34 an die Einsatzstaffeln übergeben werden sollen.

Forbes bleibt skeptisch, wie Autor David Axe schreibt: „Da die Zahl der Su-34-Flugzeuge und ihrer qualifizierten Besatzungen schrumpft und Russland Schwierigkeiten hat, Ersatzjets zu bauen und Ersatzbesatzungen auszubilden, bleibt der russischen Luftwaffe möglicherweise keine andere Wahl, als die Gleitbombermission auf andere Flugzeuge zu verlagern: Die Su-35 und die Su-30 sind die offensichtlichen Kandidaten.“

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