Nach dem Bruch der deutschen Ampel-Koalition positionieren sich die Parteien nach und nach für die anstehenden Neuwahlen, die vermutlich im März 2025 stattfinden werden. Bei den Grünen war schon länger spekuliert worden, dass Vizekanzler Robert Habeck diesmal Spitzenkandidat wird. Im Laufe des Freitags dürfte das nun offiziell werden, deutsche Medien berichten jedenfalls, dass dies bereits ausgemachte Sache sei.
Habeck hatte den Schritt bereits am Vortag in sozialen Medien angedeutet. Fast sechs Jahre nach seinem Abschied von Twitter und Facebook meldete er sich auf der Plattform X zurück. „Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht. Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X“, heißt es in einem Post des Grünen-Politikers. Auch auf Instagram gibt es jetzt wieder einen Account von Robert Habeck.
In einem weiteren Post ist Habeck zu sehen, wie er ein Textmanuskript redigiert. Im Hintergrund steht ein Kalender, auf dem der 8. November, also der heutige Freitag, rot umrandet ist. Dazu summt er die Melodie des Hits von Herbert Grönemeyer „Zeit, dass sich was dreht“. Überschrieben ist der Post mit „Von hier an anders“ - dem Titel eines Buches von Habeck.
Der Bruch der ersten deutschen Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene war Mittwochabend nach einem erbitterten Richtungsstreit über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Budgetpolitik zwischen Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erfolgt. Als Reaktion zog die FDP ihre Minister aus dem schon seit vielen Monaten heillos zerstrittenen Bündnis ab - und besiegelte somit das Ende der Ampel. Der SPD-Politiker und Staatssekretär im deutschen Kanzleramt, Jörg Kukies, wurde am Donnerstag als Lindners Nachfolger ernannt. Die Minister der Grünen bleiben in der Regierung.
Der ewige Richtungsstreit der GrünenDie Grünen kämpften im Herbst zuletzt mit internen Richtungskämpfen. Im September war die Parteispitze zurückgetreten. Kurz nachdem Ricarda Lang und Omid Nouripour ihre Entscheidung öffentlich gemacht hatten, verkündeten überraschend alle Mitglieder des Bundesvorstandes der Grünen Jugend wegen ideologischer Meinungsverschiedenheiten mit dem Partei-Establishment ihren Austritt aus der Partei.
Habeck steht für einen Realo-Kurs und hofft, Wähler aus der Mitte zu gewinnen. Als Vizekanzler hat er Kompromisse mit ausgehandelt, die dem linken Flügel seiner Partei übel aufstießen - so zum Beispiel Verschärfungen in der Migrationspolitik. Mit der Abgrenzung zur eigenen Partei, mit der er immer wieder kokettierte, kann es Habeck als Kandidat aber nicht zu weit treiben - ihr Kreuzchen machen Wählerinnen und Wähler schließlich immer noch bei einer Partei.
Außenministerin Annalena Baerbock hatte bereits erklärt, sie wolle es nicht noch einmal als Spitzenkandidatin versuchen. Seither galt Habeck als gesetzt. Am Freitag dürfte er seinen Hut für die Kanzlerkandidatur der Grünen in den Ring werfen. Wobei Umfragen zufolge eine grüne Kanzlerschaft auch nicht annähernd in Reichweite sein dürfte - im Gegensatz zur letzten Bundestagswahl 2021, als die Grünen zeitweise in den Umfragen sogar vorne lagen.
Wie er sich den Bundestagswahlkampf vorstellt, das skizzierte Habeck Ende August bei einem Wahlkampfauftritt in Sachsen, wo seine Partei wenige Tage später herbe Verluste einstecken musste und mit Ach und Krach den Wiedereinzug in den Landtag schaffte. Habeck glaubt, an die Möglichkeit eines Stimmungsumschwungs zum Besseren. „Und es muss nur irgendein Kristallisationspunkt kommen, wo wir uns selbst beweisen, dass wir viel, viel besser in Deutschland sind, als die Stimmungslage und die Umfragen es im Moment zeigen. Wenn das passiert, dann kann wirklich alles passieren“, sagte er damals.
Die besten Chancen für den gemeinsamen Vorsitz der Grünen werden dem Bundestagsabgeordneten Felix Banaszak und Franziska Brantner eingeräumt. Banaszak wird dem linken Flügel zugerechnet. Brantner spielt schon lange eine führende Rolle bei den „Realos“. Für Brantner würde der Parteivorsitz wohl bedeuten, dass sie ihren Platz als parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium räumen müsste. (APA/Ag.)