Ricarda Lang in Bedrängnis – was ist im Wahlkreis Backnang los?
Eine Abstimmung im Backnanger Gemeinderat hat eine bundesweite Debatte ausgelöst: Kooperierten die Grünen mit der AfD? Darum geht es in dem Fall.
Der Backnanger Gemeinderat hat im November 2022 dafür gestimmt, das Bandhaus-Theater mit einer größeren Summe zu fördern. Die Entscheidung hat am Wochenende – rund ein Dreivierteljahr nach der Abstimmung – eine bundesweite Debatte ausgelöst. Weil auch die Grünen dem AfD-Antrag zugestimmt haben. Sacharbeit, sagen die einen, eine einstürzende Brandmauer zur rechten Partei befürchten die anderen. Doch worum geht es in diesem Fall?
Konkret um das städtische Theater von Backnang (Rems-Murr-Kreis) bei Stuttgart. Das Bandhaus-Theater wurde mit voller Wucht von der Corona-Pandemie getroffen. Vor allem die Betreiberinnen Jasmin Meindl und Juliane Putzmann trugen eine große Last und ein hohes Risiko.
Der Gemeinderat beschloss bereits im November 2020 eine Erhöhung des Zuschusses von 75.000 auf 78.000 Euro pro Jahr und setzte die Bedingungen dafür herunter. Floss das Geld vorher nur bei mindestens 50 öffentlichen Veranstaltungen in einem Jahr, wurde diese Bedingung ausgesetzt und die Summe unabhängig davon ausgezahlt. Nur ein Abgeordneter der AfD stimmte dagegen.
Backnang: AfD beantragt 110.000 Euro Förderung für Theater
2022 wurde dann eine weitere Erhöhung beschlossen. Die Stadtverwaltung hatte 85.000 Euro Förderung vorgeschlagen, die AfD-Fraktion beantragte jedoch eine Erhöhung auf 110.000 Euro. Bei nur einer Gegenstimme trugen alle Fraktionen diesen Vorschlag mit.
Die AfD nutzte das für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Die Partei schreibt etwa auf Facebook: "AfD-Antrag angenommen!" Und weiter: "Die Entscheidung für den Änderungsantrag unserer Fraktion zeigt, dass der Backnanger Gemeinderat in weiten Teilen unabhängig der Fraktionszugehörigkeit zum Wohle der Bürger entscheidet." Dies deuteten die Rechten so, "dass die konsequente Sacharbeit unserer Fraktion Früchte trägt".
Ein Dreivierteljahr später wird das Thema wieder aktuell, nachdem der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene erst nicht kategorisch ausschließen wollte – und dann doch zurückruderte. In Backnang verstehen die Kommunalpolitiker offenbar die Aufregung nicht. "Wir sind alle per Du und gehen nach der Sitzung auch zusammen ein Bier trinken", sagte etwa Willy Härtner, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Gemeinderat, der "Backnanger Kreiszeitung". Er meinte damit auch die Politiker der AfD.
"Es gibt da keine ganz gute Lösung"
Ganz ähnlich äußert sich Heinz Franke, Fraktionsvorsitzender der SPD, gegenüber der Zeitung. Auch die SPD habe einen höheren Zuschuss erreichen wollen, als ihn die Stadtverwaltung vorgeschlagen hatte. Die AfD hätte mit ihrem Antrag sogar eine noch höhere Summe gefordert, als es die SPD vorhatte. "Dann war die Frage, stimmen wir dagegen, nur weil der Antrag von der AfD kommt, oder würde eine Mehrheit dazu führen, dass das Bandhaus in dem Sinn, wie wir uns das vorgestellt haben, gut und zukunftsfähig finanziell ausgestattet wird."
Die CDU habe schließlich ebenfalls zähneknirschend zugestimmt, weil man eigentlich dem Vorschlag der Stadtverwaltung zustimmen wollte, dann aber nur noch der Antrag der AfD zur Abstimmung stand – ansonsten hätte es wohl gar keine Erhöhung für das Bandhaus gegeben. So jedenfalls erinnert sich Ute Ulfert, Fraktionsvorsitzende der CDU.
Für alle drei Parteien habe das aber nichts mit AfD-Politik zu tun. "In diesem Fall war es keine Zusammenarbeit mit der AfD, das war alles pro Bandhaus", so Ulfert. Doch auch für sie sei das eine schwierige Entscheidung gewesen. Es sei "wie ein Drama, es gibt da keine ganz gute Lösung", sagte sie der "Backnanger Kreiszeitung".
AfD sieht "Würdigung für unsere gute Arbeit"
Im SWR sagte Wilfried Härtner von den Grünen in der vergangenen Woche auf diesen Vorgang angesprochen: "Egal, was die machen. Wir sind vereidigt zum Wohle der Stadt." Es komme darauf an, was man draus mache, "wenn irgendwelche Sachfragen anstehen". Auch der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (Freie Wähler) hält Brandmauern zur AfD für weltfremd. Man würde sie damit nur zu Märtyrern machen, sagte er dem SWR.
Die AfD-Fraktion feiert die Entscheidung bis heute als Erfolg. "Für uns war das ein Zeichen, dass unsere Arbeit im Backnanger Gemeinderat auch gewürdigt wird", sagte der Fraktionsvorsitzende Steffen Degler dem SWR. Er hatte den Antrag für das Brandhaus damals eingebracht. Es habe lange gedauert, bis Vorbehalte gegenüber der AfD abgebaut werden konnten. Den Beschluss sieht er als "Würdigung für unsere gute Arbeit".