Rafah: Internationale Kritik nach Luftangriff

27 Mai 2024
Rafah

Rafah

Nach einem Luftangriff nahe Rafah im Gazastreifen, bei dem laut Hilfsorganisationen zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten getötet wurden, haben arabische und europäische Staaten am Montag scharfe Kritik an Israels Kriegsführung geübt. Israels oberste Militärstaatsanwältin sprach von einem „sehr schwerwiegenden“ Vorfall und kündigte eine gründliche Untersuchung an.

Online seit heute, 11.53 Uhr

Israels „absichtliche Bombardierung der Zelte der Geflüchteten“ stelle einen „neuen und eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht“ dar, kritisierte das ägyptische Außenministerium. Auch das Außenministerium Saudi-Arabiens warf Israel vor, der Angriff habe auf die Zelte vertriebener Palästinenserinnen und Palästinenser gezielt.

Jordanien verurteilte die „eklatante Missachtung“ der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) scharf. Das Außenministerium in Amman bezeichnete den jüngsten Angriff als „abscheuliches Kriegsverbrechen der israelischen Besatzungstruppen im Gazastreifen“. Der IGH hatte Israel aufgefordert, die Offensive in Rafah sofort einzustellen.

Katar warnt vor Auswirkungen auf Verhandlungen

Der Vermittlerstaat Katar zeigte sich besorgt, dass der Angriff die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg behindern könnte. Das Außenministerium in Doha forderte die internationale Gemeinschaft auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um das „Verbrechen eines Völkermords“ zu verhindern. Aus Kuwait kamen ähnlich scharfe Worte.

Berichte über Tote nach Luftangriff

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Zeltlager mit geflüchteten Palästinenserinnen und Palästinensern in der Nähe von Rafah im Süden des Gazastreifens sind am Sonntag laut Hilfsorganisationen zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden. Israels Armee kündigte eine Untersuchung an. Der Angriff habe hochrangigen Hamas-Mitgliedern gegolten.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mahnten Israel, die Entscheidung des IGH anzuerkennen und umzusetzen. Scharfe Kritik kam aus Italien. Es sei nicht mehr zu rechtfertigen, dass das palästinensische Volk „ohne Rücksicht auf die Rechte unschuldiger Männer, Frauen und Kinder, die nichts mit der Hamas zu tun haben“, unter Druck gesetzt werde, sagte Verteidigungsminister Guido Crosetto.

Hilfsorganisation: Angriff in Schutzzone

Das Bombardement ereignete sich nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds am Sonntag im Nordwesten der Stadt, in der Israels Militär die letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen will. Das vom Luftangriff getroffene Gebiet sei als humanitäre Schutzzone für Menschen ausgewiesen, die wegen der israelischen Kriegsführung flüchten mussten, so die Hilfsorganisation.

In einer Rettungsstelle habe man „Dutzende Verletzte und mehr als 15 Tote“ gezählt, schilderte die Organisation Ärzte ohne Grenzen. „Wir sind entsetzt angesichts dieses tödlichen Vorfalls, der einmal mehr zeigt, dass es (im Gazastreifen) nirgends sicher ist“, kritisierte die NGO. Das UNO-Palästinahilfswerk (UNRWA) zeigte sich entsetzt. „Gaza ist zur Hölle auf Erden geworden“, hieß es.

Das von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen sagte, mindestens 35 Menschen seien getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Die Hamas rief zu Protesten auf. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas forderte eine „sofortige internationale Intervention“.

Armee: Ranghohe Hamas-Führer getötet

Die israelische Armee teilte mit, bei dem Luftangriff sei ein „Hamas-Komplex in Rafah getroffen worden, in dem wichtige Hamas-Terroristen tätig waren“. Der Angriff mit „Präzisionsmunition“ habe sich gegen „legitime Ziele“ gerichtet. „Präzise Geheimdienstinformationen“ hätten auf die Nutzung des Geländes durch die Hamas hingewiesen. Zwei hochrangige Hamas-Mitglieder wurden nach Militärangaben getötet.

Laut Armee handelt es sich bei den Getöteten um Jassin Rabia, den maßgeblichen Kopf hinter den Terroraktivitäten der Hamas im Westjordanland, und den ranghohen Hamas-Terroristen Chaled Nagar. Beide seien maßgeblich an der Planung und Finanzierung von Anschlägen beteiligt gewesen und hätten das Leben israelischer Soldaten auf dem Gewissen, teilte die Armee mit.

Militärstaatsanwältin kündigt Untersuchung an

Die oberste israelische Militärstaatsanwältin Jifat Tomer-Jeruschalmi bezeichnete den Luftangriff am Montag als „sehr schwerwiegend“. Die Einzelheiten würden noch untersucht. Man sei entschlossen, mit größter Sorgfalt vorzugehen, sagte sie auf einer von der israelischen Anwaltskammer ausgerichteten Konferenz. „Die Streitkräfte bedauern jeglichen Schaden an Nichtkombattanten während des Krieges.“

Auch ein Armeesprecher sagte, man sei sich „der Behauptung bewusst, dass infolge des Angriffs und des anschließenden Feuers eine Reihe unbeteiligter Personen getroffen wurden. Der Vorfall wird derzeit untersucht.“

Raketen aus Gazastreifen auf Israel abgefeuert

Sonntagnachmittag hatte die Hamas erstmals seit vier Monaten vom Gazastreifen aus Raketen auf den Großraum Tel Aviv gefeuert. Im Stadtzentrum von Tel Aviv waren mehrere Explosionen zu hören. In mehreren Städten im Großraum der Küstenmetropole gab es Raketenalarm. Der militärische Hamas-Arm reklamierte die Angriffe für sich. Zwei Frauen wurden nach Angaben von Sanitätern leicht verletzt, als sie in Schutzräume eilten.

Israel-Politik: Diplomaten fordern Kurswechsel Österreichs

Trotz starker internationaler Kritik – nicht zuletzt aufgrund der Opferzahlen im Gazastreifen – steht die österreichische Regierung klar hinter Israel. Einige österreichische Diplomaten fordern nun einen Kurswechsel der Bundesregierung in ihrer Israel-Politik.

Nach israelischen Militärangaben wurden acht Raketen aus Rafah auf die israelische Küstenmetropole Tel Aviv abgefeuert. Mehrere Geschoße seien von der Raketenabwehr abgefangen worden, teilte die Armee mit. Zuletzt war Tel Aviv am 29. Jänner mit Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen worden.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten