Das Vergnügen war sein zweiter Vorname, das ist diesmal keine bloße rhetorische Volte: Quincy Delight Jones Jr., das klang stets nach Jazz, Swing, Rhythm’n’Blues, und es war nicht einmal ein Künstlername, denn es stand bereits in der Geburtsurkunde des Arbeiterkinds, das in Chicago, Illinois, an der rauen Südseite der Stadt, im März 1933 zur Welt gekommen war.

Quincy Jones - Figure 1
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Über mehr als sieben Jahrzehnte erstreckt sich Jones’ Karriere. Als Teenager in Seattle, wo sein Vater neue Arbeit gefunden hatte, musikalisierte er sich: Er versuchte sich an einer Vielzahl an Instrumenten, umgab sich mit Musikern wie dem jungen, kaum drei Jahre älteren Ray Charles, von dem er sich das Komponieren beibringen ließ und mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. „Ich saß nächtelang zu Hause und schrieb Musik, bis mir die Augen bluteten“, erinnerte sich Quincy Jones später an seine Jugendjahre – „und ich liebte es!“ Mit 15 spielte er bereits in Nachtclubs, gehörte zu den bad boys, wie er das nannte, die in den härteren Kneipen der Stadt auftraten. 

1951 ging er nach New York City, schloss sich als Trompeter der Big Band Lionel Hamptons, einer der erfolgreichsten Jazz-Truppen des Landes, an, da war er gerade 18. Auf Tour durch den amerikanischen Süden lernte er Rassismus und Segregation kennen, die Erinnerungen daran verfolgten ihn bis in seine späten Lebensjahre. 

Sein erster Tonträger erschien 1953. Als Komponist, Arrangeur, Dirigent und Produzent verschaffte er sich früh Respekt. Der Pianist und Bandleader Count Basie und die Sängerin Dinah Washington protegierten Jones, legten ihn als hochbegabten Arrangeur den Chefs der Labels nahe. Mit Dizzy Gillespie tourte er 1956 durch den Nahen Osten, lebte ab 1957 ein paar Jahre lang in Paris, wo er Platten produzierte und nebenbei bei Nadia Boulanger Musiktheorie studierte. Mit unnötiger Tiefstapelei hielt er sich nicht auf: „The Great Wide World of Quincy Jones“ hieß 1959 eines seiner Big-Band-Jazzalben. Musikalische Grenzen und Kategorien mochte er nie: Den Jazz stellte er ganz selbstverständlich neben Funk, Soul, Disco und Rap. 

Nachtseitige Musik 

In New York wurde er 1961, mit 28, zur ersten schwarzen Führungskraft im Musikgeschäft. Er produzierte bei Mercury Records Pophits wie „It’s My Party“ und schrieb sogar selbst Gassenhauer wie „Soul Bossa Nova“ (1962). In den Sixties begann Jones, Hollywood für sich zu entdecken, Film-Soundtracks zu schreiben. Er zog nach Los Angeles, komponierte die Musik zu Sidney Lumets „The Pawnbroker“ (1964) und Edward Dmytryks spätem Noir „Mirage“ („Die 27. Etage“, 1965). Die eisige Truman-Capote-Adaption „In Cold Blood“ (1967) versorgte er 1967 mit nachtseitigem Jazz und orchestraler Suspense, im selben Jahr schrieb er auch die Musik zu dem antirassistischen Thriller „In der Hitze der Nacht“.

Dass Jones 1982 das weltweit erfolgreichste Pop-Album aller Zeiten, Michael Jacksons „Thriller“ produzierte, steht in fast sämtlichen Nachrufen nun ganz oben, als wäre die ökonomisch effizienteste Leistung naturgemäß auch die bedeutendste. Aber die Meriten des Musikers Quincy Jones sind damit nicht einmal ansatzweise abgedeckt. Jackson und er hätten damals einfach drauflos gewerkt, erklärte Jones vor einigen Jahren ironisch, man habe keine Zeit für „paralysis from analysis“ (Lähmung durch Analyse) gehabt.

Von den späten 1970er-Jahren an zollte auch die HipHop-Szene ihm Tribut, indem sie Klangfragmente der Stücke, die er geschrieben hatte, sampelte und popularisierte, während Jones unablässig daran arbeitete, sein kreatives Spektrum zu erweitern; 1985, als er für Steven Spielberg die Musik zu dessen Film „Die Farbe Lila“ schrieb, begann er neben seinen musikalischen und Charity-Projekten zu produzieren: fürs Kino und Fernsehen, Serien und Spielfilme. Und er blieb bei alldem, bis zuletzt.

Am vergangenen Sonntag starb Quincy Jones, 28-facher Grammy-Preisträger, 91-jährig in seinem Haus in Los Angeles, im Stadtteil Bel Air. Die Welt hat er entscheidend klangschöner gemacht, man kann ihm dafür gar nicht genug danken. Sir, das Vergnügen war ganz unsererseits.

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.