Ukraine-Krieg: Putin bereitet die neue Elite Russlands vor

8 Jun 2024
Putin
„Zeit der Helden“ So bereitet Putin die neue Elite Russlands vor

Putin baut in Russland eine neue Elite auf und lässt diese in einem eigenen Programm speziell für Kriegsveteranen ausbilden. Es ist nicht die einzige Masche, mit der Männer in den Militärdienst gelockt werden sollen.

Geht es nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dann braucht sein Land eine neue Elite – weg von denjenigen, die in den Neunzigerjahren nach dem Zerfall der Sowjetunion zu Reichtum kamen, hin zu denen, die am Krieg teilnehmen. Das stellte er bereits im Februar bei seiner Botschaft an die Föderalversammlung klar: „Die wahre, echte Elite sind all jene, die Russland dienen, Arbeiter und Soldaten, zuverlässige, vertrauenswürdige, bewährte und würdige Menschen, die ihre Treue zu Russland durch Taten bewiesen haben.“ Und diese neue Elite müsse an der Regierung des Landes mitwirken.

Mit dem Versprechen, als Kriegsveteran zur russischen Elite zu gehören, taktiert Putin schon seit Monaten. Die Umsetzung nimmt er selbst in die Hand: mit einem neuen Ausbildungsprogramm, welches den bescheidenen Namen „Zeit der Helden“ trägt. Hier werden seit Ende Mai „hochqualifizierte, kompetente Führungskräfte aus dem Kreis der Teilnehmer der militärischen Sonderoperation“ ausgebildet, um später Positionen in staatlichen und kommunalen Behörden sowie staatlichen Unternehmen zu übernehmen, heißt es auf der offiziellen Website. Von 44.000 Bewerberinnen und Bewerbern nehmen aktuell 83 Personen an dem Programm teil. Auftraggeber sind neben Putin die Russische Präsidentenakademie für Volkswirtschaft und öffentliche Verwaltung.

Aber wieso braucht es überhaupt eine „neue Elite“?

Zum einen schafft es Putin so, loyale Menschen, die ihn politisch unterstützen, in seine Kreise und ins Militär zu holen. Laut dem russischen Ökonomen und Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg Andrei Yakovlev sind in der gegenwärtigen Elite viele Menschen, „die mit der Entwicklung der letzten zwei Jahre, dem Krieg und der Isolation Russlands, nicht glücklich sind“. Das Programm „Zeit der Helden“ ist dabei der erste Schritt, um „diese alte bürokratische Elite zu ersetzen“.

Gleichzeitig bietet Putin mit der Aussicht, zur Elite zu gehören und durch Programme wie „Zeit der Helden“ hohe Position einzunehmen, einen Anreiz, einen Militärdienst anzutreten. Während Programme wie „Zeit der Helden“ aber vor allem auf Offiziere und Personen mit einem akademischen Hintergrund ausgerichtet sind, holt Putin zudem die breite Masse mit Geldgeschenken und weiteren Vorteilen ab. Der Großteil derjenigen, die für die Armee mobilisiert werden, kommt aus armen Regionen, wo die Gehälter weit unter dem nationalen Durchschnitt liegen. Für diese Freiwillige ist nicht die Aussicht auf eine hohe Position ausschlaggebend, sondern die auf ein besseres Leben. „Hier kann Geld der wichtigste Anreiz sein“, erklärt Yakovlev.

Putins Anreize, um Männer zu mobilisieren

So bekommt Putins „neue Elite“, die russischen Freiwilligen, bei ihrer Einberufung ein monatliches Gehalt von mehr als 200.000 Rubel, umgerechnet rund 2040 Euro, versprochen. Das ist mindestens dreimal so hoch wie der nationale Durchschnitt.

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Zusätzlich bekommen sie eine Pauschalzahlung bei Dienstantritt, können früher in Rente gehen, bekommen höhere Rentenzahlungen, haben Zugang zu zinsverbilligten Darlehen, um Wohnungen zu kaufen, und werden krankenversichert. Auch Studienplätze werden kostenlos für Militärangehörige und ihre Familien angeboten und es gibt Stipendien für Studenten, die an der Front gedient haben. Anfang April riet die russische Luftfahrtbehörde den Fluggesellschaften sogar, „Teilnehmern an der militärischen Sonderoperation“ beim Einchecken, beim Passieren der Sicherheitskontrollen und beim Betreten von Flügen Vorrang einzuräumen.

Hohe Gehälter und soziale Ungleichheit

Die hohen Gehälter führen zu einem weiteren Nebeneffekt: In den strukturschwachen Regionen, aus denen die meisten Soldaten rekrutiert werden, steigt durch die hohen Gehälter die Kaufkraft. Im ganzen Land steigt etwa die Nachfrage nach Autos. „Die russische Wirtschaft hat weder genügend Produktionskapazitäten noch genug Arbeitskräfte, um dieser Nachfrage gerecht zu werden“, so der Ökonom. Deswegen boomt der Import von Autos aus China. Im vergangenen Jahr war Russland Chinas größter Autoexportmarkt mit einem Absatz von 841.000 Fahrzeugen – rund zweieinhalbmal so viel, wie die Chinesen in Europa verkaufen, und rund fünfmal so viel wie noch im Jahr 2022.

Während die hohen Gehälter zwar die soziale Ungleichheit zwischen reichen russischen Metropolen wie Sankt Petersburg und Moskau und den ärmeren Regionen teilweise abfedern, verschärfen sie gleichzeitig die lokale Ungleichheit. „Teilweise haben die Familien, deren Angehörige beim Militär angestellt sind, drei oder vier Mal höhere Einkommen als ihre Nachbarn, die in Schulen und Krankenhäusern arbeiten“, erklärt Andrei Yakovlev. Und das in einer Zeit extrem hoher Inflation. Die Inflationsrate in Russland hat im März 2024 rund 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat betragen. „Das führt zu sozialen Spannungen in diesen Gemeinschaften“.

Die Familien, die von den Militärboni profitieren, dürften das zusätzliche Geld trotzdem eher begrüßen als hinterfragen. Und die neue Elite, die es in die „Zeit der Helden“ geschafft hat, ohnehin, schließlich ist bedingungslose Treue der Preis für Putins Aufstiegsversprechen.

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