Champions League: Als Barca gegen PSG das Unmögliche schaffte

10 Apr 2024

Am 8. März 2017 geschieht im Camp Nou Historisches. Gegen Paris Saint-Germain gelingt dem FC Barcelona etwas, das sowohl davor als auch danach nie wieder ein Team in der Champions League schaffen sollte. Jetzt kommt es in der Königsklasse wieder zu dem Aufeinandertreffen.

PSG - Figure 1
Foto SPORT1

Im Fußball wird oft nach Superlativen gesucht. Für überragende Leistungen eines Spielers. Für nicht mehr für möglich gehaltene Last-Minute-Tore. Eine - aus Sicht des Verlierers - grottenschlechte Schiedsrichterleistung. Eine Gänsehaut-Atmosphäre im Stadion. Oder eine unglaubliche Aufholjagd.

Häufig werden sie inflationär eingesetzt, für neutrale Beobachter übertrieben. Doch dann gibt es Fußballspiele, bei denen die Superlative angebracht sind - mehr noch: Man gar nicht um sie herum kommt, um das Geschehene zu beschreiben.

Für kaum ein Spiel gilt das mehr als die Champions-League-Partie, die als „Wunder vom Camp Nou“ oder „La Remontada“ (span. „die Aufholjagd“) in die Geschichtsbücher einging. Das Duell vom Abend des 8. März 2017 war eines der denkwürdigsten Spiele, das die Königsklasse je gesehen hat.

Champions League: Erlebt PSG wieder ein Desaster gegen Barca?

Die Paarung damals: FC Barcelona gegen Paris Saint-Germain - ein Aufeinandertreffen, das die Auslosung des Champions-League-Viertelfinals nun wieder ergeben hat. Fußballfans europaweit dürften sich angesichts der Vorgeschichte auf das Duell freuen - abgesehen von den PSG-Anhängern, die mit allerlei bitteren Gefühlen an damals zurückdenken dürften.

Doch was war im Achtelfinal-Rückspiel 2017 passiert?

Es geschah, was es in der Champions League zuvor noch nie gegeben hatte! Barca drehte als erstes Team überhaupt einen Vier-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel und zog noch in die nächste Runde ein. Dies war 48 Mannschaften vorher nicht gelungen. Und seither auch keiner anderen.

Am Tag des 8. März 2017 schien es zunächst nicht, als stünde ein spannender Europapokal-Abend bevor. 4:0 hatte Paris Saint-Germain die Spanier im Hinspiel im Prinzenpark abgefertigt. Die Franzosen fühlten sich nach dem Kantersieg schon mit einer Hand am Pott. Endlich würden sich die milliardenschweren Investitionen der Scheichs bezahlt machen. Doch es kam anders.

Tatsächlich sagte Barcas Trainer Luis Enrique vor dem Spiel noch diesen Satz: „Wenn Paris im Hinspiel vier Tore geschossen hat, können wir im Rückspiel genauso gut sechs schießen.“ Dabei setzte der Coach auf volle Power in der Offensive, stellte im Vergleich zum Hinspiel von einem 4-3-3 auf 3-4-3 um.

Barcas Ambitionen, welche von vielen eher mit einem müden Lächeln zur Kenntnis genommen wurden, bestätigte auch der brasilianische Superstar Neymar, damals noch bei den Katalanen, vor der Partie: „Wir werden das Spiel der Spiele machen.“

Barca-Ausscheiden schien so gut wie sicher

Früh in der dritten Minute ging Barcelona dank eines Kopfballs von Luis Suárez in Führung. Das leidenschaftliche und offensive Auftreten der Katalanen machte sich direkt bezahlt. Danach passierte spielerisch länger nichts, zweimal reklamierte Barca Elfmeter, hoffte jedoch vergeblich auf den Pfiff des deutschen Referees Deniz Aytekin. In der 40. Minute stolperte der Pariser Layvin Kurzawa nach einem missratenen Pass von Andrés Iniesta den Ball ins eigene Tor - es stand 2:0 zur Pause.

Die zweite Halbzeit startete mit einer weiteren strittigen Szene. Der strauchelnde Thomas Meunier von PSG fiel im Sechzehner in den Laufweg von Neymar. Den Elfer verwandelte Lionel Messi sicher zum 3:0: „La Remontada“ - die Aufholjagd - war in greifbarer Nähe.

Doch in der 62. Minute gelang Paris mit Edinson Cavani der Anschlusstreffer zum 1:3. Aufgrund der damals noch geltenden Auswärtstorregel benötigte Barca nun einen Vorsprung von fünf Toren, um noch in die nächste Runde einzuziehen. Dies hielten einige der anwesenden Barca-Fans für schier unmöglich und machten sich nach dem Gegentreffer auf den Weg nach Hause.

Wären sie nur geblieben.

Drei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit fehlten den Katalanen immer noch drei Tore, sodass die Franzosen bereits gedanklich mit dem Viertelfinale planen konnten. Barca warf jedoch alles nach vorne. Es begann die Neymar-Show: Nach beinem traumhaften Freistoß in der 88. Minute, den der Brasilianer ins linke obere Eck schraubte, stand es 4:1.

Marc-André ter Stegen wird zum heimlichen Held

Wenig später die Aufreger-Szene des Spiels: Barcelonas Angreifer Suárez ging in einem Laufduell mit Paris-Verteidiger Marquinhos nach einem leichten Kontakt zu Boden. Aytekin entschied auf Elfmeter - Paris verstand die Welt nicht mehr und wütete gegen den deutschen Referee. Den Strafstoß in der ersten Minute der Nachspielzeit übernahm Neymar. Wieder traf der Brasilianer gegen Torhüter Kevin Trapp, der damals noch das PSG-Tor hütete.

Während Trapp eines der bis dato bittersten Spiele seiner Karriere erlebte, avancierte auf der Gegenseite ein anderer deutscher Torwart zum heimlichen Helden - und leitete die Entscheidung ein, die den Wahnsinn komplett machte.

Marc-André ter Stegen, damals noch 24 Jahre jung, sollte am Ende mehr Pässe zu seinen Mitspielern zu verzeichnen haben als jeder PSG-Profi auf dem Platz. Alleine diese Statistik wäre verrückt genug. Doch die Aktion, die besonders im Gedächtnis bleiben würde, ereignete sich in der 95. Minute.

Barca bekam einen Freistoß zugesprochen. Der deutsche Nationalkeeper rannte mit in den PSG-Strafraum. Im ersten Versuch klärten die Franzosen den Ball aus der Gefahrenzone. Doch ter Stegen sprintete mit nach hinten und erkämpfte den Ball an der Mittellinie zurück.

Marc-Andre ter Stegen (links) wurde von Marco Verratti rüde gefoult

PSG-Profi Marco Verratti grätschte den Deutschen rüde um: Freistoß. Wieder drängte sich ter Stegen in die Spielertraube im Strafraum, ging nach dem langen Ball ins Kopfballduell, sodass das Leder über eine weitere Station bei Mitspieler Neymar landete.

6:1 in der Nachspielzeit: Das katalanische Wunder war perfekt

Der Rest ist Geschichte: Flanke auf Sergi Roberto. Der hielt seine Fußspitze in die Flugbahn des Balles. Tor zum 6:1.

Das katalanische Wunder war perfekt - die Remontada geglückt. Luis Enrique hatte recht behalten und das ganze Stadion sprudelte über vor Emotionen - der Jubel der Fans nach dem Last-Minute-Treffer konnte später sogar als leichtes Erdbeben gemessen werden. Freudentränen bei Anhängern und Spielern von Barca, Niedergeschlagenheit auf Pariser Seite.

Die spanische Presse feierte Barca überschwänglich - das Medienecho für PSG in Frankreich war vernichtend.

So feierte die spanische Marca: „Eine Aufholjagd für die Geschichtsbücher.“ Die Mundo Deportivo schrieb: „Das wunderbarste Wunder. Barca druckt eine der sensationellsten Seiten der Geschichte des Fußballs. Das Camp Nou verwandelte sich zum Theater der unmöglichsten Träume, die Wirklichkeit werden. Dieser Abend bleibt jedem Blau-Roten auf ewig im Gedächtnis.“

PSG bis heute ohne Champions-League-Titel

Die französische L‘Équipe fand drastische Worte für PSG: „Ein historischer Schiffbruch. Durch diese Erniedrigung wird das gesamte ‚Projekt Paris‘ infrage gestellt. Paris ist eine Tragödie. Das hätte nie passieren dürfen. Auf dem Gipfel der Desillusion. In katarischem Besitz ist Paris bislang viermal im Achtelfinale gescheitert.“ Le Figaro titelte: „Ein historisches Fiasko. Barcelona macht Paris‘ Träume zunichte. Die Mannschaft von Unai Emery war nicht wiederzuerkennen. Es war ein geistiges Kollektiv-Versagen.“

Bis heute haben die katarischen Scheichs mit den enormen Summen, die in das Projekt PSG investiert wurden, den Champions-League-Titel nicht erreicht. Der fünfmalige Champions-League-Sieger Barcelona scheiterte 2017 eine Runde später im Viertelfinale an Juventus Turin - doch an das „Wunder vom Camp Nou“ werden sich die Fans noch lange erinnern.

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