Der Polizeiruf 110 Funkensommer in der ARD

Geschichten können Funken schlagen, wie sie das in diesem „Polizeiruf“ in den Händen von Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) tun. Buchdeckel brennen, als die Polizistin allein an den Schauplatz eines Brands in einem tristen Gewerbegebiet zurückkehrt.

Polizeiruf 110 - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Eigentümer des Gebäudes, eine Autovermieterfamilie, hatte sich zehn Jahre lang um die Demolierungsgenehmigung bemüht, nun liegt der Verdacht des „warmen Abrisses“ nah. Ein Toter wurde nahe des Brandherds geborgen, zunächst ist er nicht zu identifizieren. Es hilft der Spurensicherung nicht, dass Blohm mitten ins Hauptbeweisstück fällt, aber es wird sich noch als wichtig erweisen.

Bei Blohms erneutem Tatortbesuch ist die Brandleiche wieder da. Sie ist unversehrt und lebendig, als falsche Frau am falschen Ort. Sie geht mit Blohm, die ihr Buch in Händen hält, ihren letzten Weg, durchs Treppenhaus, arg- und wehrlos direkt in den Tod.

Blohm hält die zweisprachige Ausgabe, in der die illegal beschäftigte Putzfrau Valentina Martinez (Veronica Santos Ruiz) las, als könnte sie der Schlüssel sein zu allem. Das Buch, Gustave Flauberts „Drei Erzählungen“, ist von Bedeutung in „Funkensommer“, dem zweiten Münchner „Polizeiruf“ mit neuer Kommissarin.

Ein Herz brennt hier jedenfalls

In den Szenen der Rekonstruktion der letzten Lebensminuten des Opfers zeigt die Kamera von Alexander Fischerkoesen das Besondere dieses „Polizeirufs“. Es ist eine imaginierte Wiederauferstehung der Toten, wie sie vor allem die Literatur ermöglicht.

Kommissarin Blohm, die Unaufgeregte, Dünkelfreie, der Aufklärung verpflichtet, ruht in sich, ist offen, team- und beziehungsfähig. Die erste Erzählung des Flaubertschen Buchs heißt „Ein schlichtes Herz“, aber man lasse sich vom Titel nicht täuschen. Ein Herz brennt hier jedenfalls und wird dem Brandermittler Hanno Senoner (Golo Euler) mit Tränen in den Augen eine schlaflose Nacht bereiten, während Blohm neben ihm schlummert. Um Feuer geht es hier, um Feuer als Faszination und Vernichtung, um Brandermittlung als Metapher, und um Funken, die Begreifen sichtbar machen oder Katastrophen auslösen.

Trailer„Polizeiruf 110: Funkensommer“

Der Fall (Buch und Regie Alexander Adolph) steht in einem großen Gegensatz zu dem Diversitätskrampf, der die Auftaktfolge der neuen Kommissarin in München im letzten September in der Folge „Little Boxes“ bestimmte. Da nahm man sich vor, so richtig ins Wespennest der „Postcolonial Studies“ zu stechen, dort gab der elegant-aristokratische schwarze Kollege Bless Amada (Otto Ikwuakwu) den Verbindungsbeamten und sollte die Kommissare (und uns) über unsere Vorurteile belehren, was manche als satirisch auffassten, was aber hinten und vorn nicht passte.

Amada ist jetzt Geschichte; ein neuer Dritter im Bunde, der Brandermittler Senoner (Euler) mischt hier mit Blohm und Kollege Dennis Eden (Stephan Zinner) mit, berichtet von seiner Frustration wegen Brandstiftern, die davonkommen, hält Vorträge über Feuerursachen, legt Blohm sein Herz zu Füßen, während ihres zu brennen beginnt. Eden (Stephan Zinner) kann ihn nicht leiden, Staatsanwältin Sertl (Jessica Kosmalla) wird ungeduldig, legt den Fall zu den Akten.

Danach aber geht es weiter, treffen Cris und Hanno wieder auf die stinkreichen, unflätigen Autovermieter Hechtle (Frederic Linkemann, Marlene Morreiss und Johann Schuler) und bescheren dem Krimi ein nicht unerwartetes Finale.

Neben Fischerkoesens Kamera und Wokaleks Porträt ihrer Ermittlerin gelingt in „Funkensommer“ ein Nebenhandlungsstrang. Er erzählt die tragische Liebesgeschichte zwischen der Putzfrau Martinez und dem Wachmann Busch (Gerhard Wittmann). In diesen Szenen, auch mit Blohms hochnotpeinlicher Befragung des Gebäudereinigers Tavach (Sascha Maaz) entstehen Gegenbilder zur eindimensionalen Großkotzigkeit, mit der die Unternehmer gezeichnet werden. „Funkensommer“ ist ein „Polizeiruf“, der beim zweiten Sehen gewinnt.

Der Polizeiruf 110: Funkensommer läuft an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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