Peter Kraus im Interview: Hatte nie eine Affäre mit Fans
Herr Kraus, Sie feiern Ihren 85. Geburtstag auf der Bühne mit Ihrem Publikum, Ihrer Familie, Freunden und Weggefährten. Ist es das ultimative Geschenk, das Sie sich selbst machen können?
Das kann man so bezeichnen. Ich habe meinen Geburtstag noch nie so auf der Bühne gefeiert. Aber wir haben uns alle gesagt: Das probieren wir aus.
Sie müssen damit rechnen, von Geschenken überschüttet zu werden…
(lacht) Ich werde den Leuten vom Club noch sagen, dass die Fans besser nichts mitbringen sollen.
Kennen Sie noch das Wort Lampenfieber?
Lampenfieber kenne ich, soweit ich es zulasse. Ein gewisses Fieber, eine mentale Anspannung muss einfach vorhanden sein, bevor man rausgeht ins Bühnenlicht und der erste Applaus kommt. Wir sind ja noch die Generation, die nicht unbedingt cool sein wollte. Wir zeigen es, dass eine gewisse Intensität da sein muss.
Was schätzen Sie: Wie viele Auftritte haben Sie seit Ihrem 15. Lebensjahr absolviert?
Keine Ahnung. Das kann ich nicht schätzen. Ich weiß nicht einmal, wie viele Songs ich aufgenommen habe. (lacht) Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich lese, was ich alles schon gesungen habe, inklusive dem ganzen Operetten- und Jazz-Zeug.
Das meiste davon ist Gottseidank dokumentiert…
Ja, aber nicht bei mir. Ich bin selbst kein Sammler in dem Sinne. Ich habe in meinem Leben immer alles verschenkt.
Wie bitte? Also auch Erstpressungen und Raritäten?
Ja. Irgendwo liegt schon noch etwas herum in den Garagen. Aber ich habe das nicht aufbereitet oder archiviert. Neulich hat mir ein Fan zwei Bücher geschenkt, jedes mindestens fünf Zentimeter dick. Dort sind fotografisch sämtliche Schallplatten und Singles abgebildet, die ich jemals in meinem Leben gemacht habe inklusive aller Kompilationen und Sampler, die ich nie zu Gesicht bekommen habe. Dieser Fan hat tatsächlich alles gesammelt.
Auf der Bühne fühlt er sich immer noch am wohlsten: Peter Kraus. Foto: dpa/Marijan Murat
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Eigentlich müsste man doch bei Ihrem Leben ein kleines Museum füllen können?
Es gibt tatsächlich in Zürich ein kleines Museum von Walter Eck, das man privat besuchen kann. Mir war die Vergangenheit nie wichtig. Ich blicke stets nach vorne.
Lassen Sie uns trotzdem nochmal zurückschauen: Was war das Lustigste und was das Unangenehmste, das Sie auf der Bühne erlebt haben?
(lacht) Es gibt so vieles. Eine Geschichte, die zugleich lustig und unangenehm war: Ich sollte mal in den Achtzigerjahren in „Bio’s Bahnhof“ einen Song singen, den Werner Schneyder mit mir gemacht hat. Er hieß „Nehmt den Kindern nicht ihre Kindheit“, eine Anspielung auf all die Eltern, die ihre Kinder zu Superstars machen wollen. Ein irrsinnig komplizierter Text. Der Auftritt war live, ich verhaspelte mich prompt und sang dann nur noch irgendein Kauderwelsch. Noch am nächsten Tag war ich deprimiert und mit den Nerven fertig. Im Flugzeug spricht mich jemand an mit den Worten: Ich habe Sie gestern gesehen. Ich wollte mich schon umdrehen. Aber er meinte: Endlich hat mal jemand einen tiefsinnigen Text gebracht, der etwas aussagt. Bravo! (lacht) Dabei hatte ich nur spontan Worte aneinandergehängt.
Verraten Sie unseren Lesern, wie man es schafft, „forever young“ zu bleiben? A) Ist es genetisch bedingt, B) haben Sie extrem gesund gelebt, C) hat es mit einer sehr erfüllten Liebe oder D) dem Glücksgefühl zu tun, dass Sie Ihr ganzes Leben mit Ihrer Lieblingsbeschäftigung verbringen durften?
Exakt getroffen, Sie haben alle Gründe dafür genannt. Es hat schon mit dem Aufwachsen in einer Künstlerfamilie zu tun. Alle Vorteile, aber auch Schwierigkeiten dieses Berufes habe ich schon früh verinnerlicht. Mein Vater war Schauspieler, Kabarettist, Kaffeehausbesitzer, Produzent und so weiter. Ich weiß, wie schwierig das alles war für ihn. Als ich ihm nach dem Film „Das Fliegende Klassenzimmer“, in dem ich als Bub mitspielen durfte, mitteilte, dass ich auf die Schauspielschule gehen möchte, sagte er: Dann musst du mir ein Versprechen abgeben. Du musst wie ein großer alter Apothekerschrank mit tausend Schubladen sein. In jeder Schublade muss etwas drin sein, was du kannst. Die zweite Geschichte die mir dazu einfällt, hat mit meiner frühen Rock’n’Roll-Zeit zu tun…
Erzählen Sie bitte…
Rock’n’Roll galt ja anfangs in Deutschland als der Untergang des Abendlandes. Kritiker meinten, das werde hier nie etwas, die Deutschen seien dafür viel zu prüde, das sei was für die verrückten Amerikaner. Mein Manager sagte mir zu Beginn meiner Karriere: Du bist jetzt ein Vorbild, und ich möchte, dass du dich entsprechend benimmst. Das war für mich sehr entscheidend. Es hat mir sogar Spaß gemacht, das Vorurteil des angeblich unzivilisierten Rock’n’Rollers zu widerlegen. Alle waren gespannt, was ich denn für ein Typ sei. Ich war aber stets pünktlich, diszipliniert und höflich, besonders Frauen gegenüber.
Herr Kraus, vielen Dank für diese zwei schönen Anekdoten, aber meine Frage, wie Sie sich bis heute Ihre geistige und vor allem körperliche Frische bewahrt haben, müssen Sie noch konkreter beantworten.
Richtig. Ich habe darüber kürzlich erst ein Lied geschrieben. Der Titel heißt: „Ich lass den alten Mann nicht rein“. Der Song wird auf der neuen CD und schon in den nächsten Konzerten zu hören sein. Was ich damit sagen will: Es kommt auf die Einstellung an. Ich lass den alten Mann einfach draußen, basta!
Peter Kraus galt als der deutsche Rock‘n‘Roll-Pionier: 1956 eroberte er bereits die Herzen der Damenwelt. Foto: dpa/ Horst Schaefer
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Sie erwähnten gerade schon das Thema Frauen. In den Sechzigerjahren galten Sie als „Schmusesänger“, dem die Frauen zu Füßen lagen. Hat Sie dieses Attribut nie gestört?
Den Begriff Schmusesänger gab es damals eigentlich noch nicht, das hat man erst später über mich geschrieben. Ich wollte immer ein Entertainer sein und die vielen Möglichkeiten dieses Berufes ausschöpfen.
Aber wie kamen Sie denn als junger Mann damit klar, von den Mädels im ganzen Land angehimmelt zu werden?
(lacht) Was soll ich dazu sagen?
Alles, Herr Kraus…
(lacht) Das gehörte eben zu meinem Beruf. Das klingt jetzt fürchterlich nüchtern, und ich höre mich gerade nicht gerne sprechen. Das Lied ist es doch nicht allein. Es kommt darauf an, wie du es rüberbringst, was du damit machst, was du verkörperst. Ich hatte einfach diese Wirkung auf junge Frauen. Aber soll ich Ihnen mal etwas verraten?
Ich bitte darum.
Ich habe nie Bekanntschaften oder Liebschaften mit Fans gehabt.
Kaum zu glauben…
Ich weiß, dass es total ungewöhnlich ist. Die meisten großen Stars hatten und haben ihre sogenannten Groupies. Das hat mich nie interessiert. Ich habe tolle Frauen geliebt in meinem Leben, aber alles Frauen, die zu erobern waren. Das ist einfach das Schönste. Deshalb komme ich auch darauf, dass ich es mehr als Beruf gesehen habe. Mir wurde klar, ich bin ein Frauenliebling. Ich mache dazu die Show, und die muss Bestand haben. Aber das war nie mein Leben.
All die BHs, Slips und Sonstiges, was die Frauen auf die Bühne geworfen haben, hat Sie demnach auch nicht interessiert?
(lacht) Nein, das Zeug haben die Roadies eingesammelt und mitgenommen. Schauen Sie, ich habe ja auch parallel immer Filme gedreht und hatte es dort mit traumhaften Partnerinnen zu tun, die mich schon eher interessiert haben.
Conny Froboess zum Beispiel…
Genau. Uns verbindet heute noch eine intensivste Freundschaft, die aber auch darauf basiert, dass wir kein Liebespaar waren.
Was aber die ganze Nation gedacht hat…
Ja, aber Sie war viel zu jung damals, erst 16. Ich war 19 und habe für ältere Frauen geschwärmt. Conny kommt heute noch in meine Konzerte. Kürzlich haben wir noch gemeinsam Interviews vor der Kamera gemacht. In einem Cabrio. Das wird zum Geburtstag im Fernsehen ausgestrahlt. Sie erzählt da von ihrem allerersten Kuss, den ich ihr gegeben habe. Aber das muss sie selbst erzählen. Wir haben ein gutes und schönes Verhältnis.
„Conny und Peter machen Musik“: So hieß 1960 der Film, den Peter Kraus mit Conny Froboess drehte. Foto: imago/United Archives
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Apropos Cabrio: Haben Sie noch Ihre feine Sammlung an Cabrios und Sportwagen?
Ja.
Und die fahren Sie auch regelmäßig noch aus? Sind Sie noch bei Autorennen wie Mille Miglia dabei?
Nein. Ich bin lange genug gefahren. Ich fahre mit meiner Frau spazieren oder mit Freunden irgendwohin. Das ist einfach eine Geschichte, wo man sagen muss, das ist im Alter abgehakt. Ich habe auch mit dem Skifahren, Wasserskifahren und anderen Sportarten aufgehört. Abgesehen davon, ist das Autofahren heute nicht mehr mit damals zu vergleichen. Ich träume immer noch davon, wie einmalig es war, ohne viel Verkehr über die Pässe zu flitzen.
Peter Kraus und sein AC ACE Bristol D2 aus dem Jahr 1958 beim sechsten Arosa Classic Car Rennen 2010. Foto: dpa/KEYSTONE
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Kommen Sie denn in Ihre engen italienischen und englischen Sportwagen noch bequem rein und raus?
(lacht) Also sowas. Ich bin fast noch so beweglich wie früher.
Haben Sie überhaupt keine Zimperlein?
Nein. Selbst von dem Unfall mit der Schulter vor einigen Jahren spüre ich heute nichts mehr. Da ist mir bei so einer verrückten Show ein Kollege ins Kreuz gesprungen. Warum macht man auch so einen Blödsinn mit…
Sie machen immer noch verrückte Dinge. Vor zwei Jahren haben Sie noch bei „The Masked Singer“ mitgemacht…
Oh ja. Das war richtig anstrengend.
Peter Kraus in der Figur des Stinktiers bei „The Masked Singer“ 2021. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd
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Weil man so schwitzt im Kostüm?
Die ganze Situation ist sehr bizarr, weil du in eine fremde Person oder Identität hineinschlüpfst, die du nicht bist. Trotzdem war es ein großes Erlebnis, vor allem der Moment, als ich den Helm abnahm. Alle haben sich gewundert, weil sie dachten, ich hätte ein Junge sein müssen, so wie ich mich bewegt und getanzt habe in dem Stinktier-Kostüm. Denen ist die Kinnlade runtergefallen. Den Moment werde ich nie vergessen.
Herr Kraus, Sie haben noch einen weiteren Superlativ zu bieten: Mit Ihrer Frau Ingrid sind Sie seit 55 Jahren verheiratet. Nennen Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis.
Es gibt dafür kein Geheimnis. Da sind die Richtigen zusammengekommen. Meine Frau hat sehr früh das erste Mal geheiratet, unglücklich verheiratet, hat ein Kind gehabt. Sie ist mit dem Kind bei Nacht und Nebel aus Holland abgehauen und wollte von Männern nichts mehr wissen. Ich hatte eine wilde Jugend hinter mir, und war auch etwas unglücklich, als mein Plattenvertrag gekündigt wurde. Ich hatte da erstmal die Nase voll vom Showbusiness und begann, in Wien Theater zu spielen. Zum ersten Mal war ich für längere Zeit an einem Ort mit Ruhe, wo ich nur am Abend auf der Bühne stehen musste. In dieser Phase habe ich meine Frau kennengelernt und habe zum ersten Mal eine Beziehung romantisch ohne Zeitdruck begonnen. Bis dahin hieß es bei immer: Jetzt oder nie. Daraus hat sich eine tolle Beziehung entwickelt. Wir haben uns dann für ein Leben abseits des Rummels entschlossen und ein Haus im Tessin gekauft. Ich bin nach Auftritten nachts noch stundenlang nach Hause gefahren, anstatt im Hotel zu bleiben. Wir hatten beide das Gefühl, so ein Glück dürfen wir nicht zerstören.
Sänger Peter Kraus ist mit seiner Frau Ingrid seit 55 Jahren verheiratet. Foto: dpa/David Visnjic
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Werden heutzutage Ehen zu leichtfertig aufgegeben?
Ich denke schon. Das ist kein Vorwurf. Bei uns war es ja eher eine klassische Ehe. Meine Frau hatte vorher Karriere als Model und Botschafterin der Mode gemacht. Und als das Kind kam, hat sie sich gesagt: Ich höre auf und bin mit Leib und Seele Mutter, Hausfrau, Gemahlin und Geliebte. Das war damals einfach eine andere Voraussetzung. Diese Erfahrung können junge Paare heute kaum noch machen.
Sie machen immer den Eindruck, als sei Ihnen alles leichtgefallen. Aber in Wahrheit war es ganz viel Arbeit und Disziplin, oder?
Ja. Es ist viel Disziplin nötig in diesem Beruf. Du musst vor allem ständig dranbleiben. Ich hatte nie den Wunsch, so wie viele Kollegen, irgendwann ganz aufzuhören und nur noch segeln zu gehen. Im Gegenteil: Wenn etwas gut lief, habe ich die Chancen genutzt, noch mehr daraus zu machen und etwas Neues anzukurbeln. Die große Arbeitszeit war für mich immer, wenn ich Riesenerfolg hatte. Ich war immer darauf vorbereitet, dass der Erfolg auch schnell wieder vorbei ist und habe mich nicht auf den Lorbeeren ausgeruht. Das hat mich mein ganzes Leben auf Trab und jung gehalten.
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, gäbe es dann irgendwo eine Korrektur in Ihrem Leben?
Mein Lebenstraum hat sich ja nicht erfüllt.
Welcher?
Ich wollte mit 30 Jahren ein begnadeter Filmregisseur sein. Ich habe mit 21 schon meine eigene Regie gemacht, meine eigene Show gedreht. Ich könnte Ihnen jetzt auch erzählen, dass ich in Deutschland die allererste Comedy-Show im ZDF gemacht habe. Die hieß „Bäng Bäng“ und nicht Klimbim.
Das machen wir das nächste Mal. Wie möchten Sie der Nachwelt in Erinnerung bleiben?
Ein Manager hat mal zu mir gesagt: Du zählst immer auf, was du schon alles gemacht hast und bist stolz darauf. Das ist auch gut so. Aber ich arbeite mit dir nur zusammen, wenn du das weglässt und nur noch sagst: Ich bin der Erfinder des deutschen Rock’n’Rolls. Das war der Start zu einem ganz großen Comeback. Gleichzeitig hat diese Fokussierung dafür gesorgt, dass man im Grunde nicht viel anderes von mir weiß. (lacht) Aber das ist auch in Ordnung so.