Hunderte Pager explodiert: Zahlreiche Tote und Verletzte im Libanon

2 Tage vor

Hunderte Pager explodiert

Im Libanon sind mehrere Menschen durch explodierende Pager getötet worden, Tausende sind laut Gesundheitsministerium im ganzen Land zum Teil schwer verletzt worden. Wegen der vielen Explosionen brach Panik unter den Menschen aus. Die Hisbollah wies Israel die Verantwortung für die Detonationen zu und kündigte Vergeltung an.

Pager - Figure 1
Foto ORF

Online seit heute, 15.49 Uhr (Update: 19.02 Uhr)

Der libanesische Gesundheitsminister Firass Abiad sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Beirut, es habe acht Tote gegeben und etwa 2.750 Verletzte. Die meisten Betroffenen hätten Verletzungen „im Gesicht, an der Hand, am Bauch oder sogar an den Augen“ erlitten, so Abiad. Die Geräte detonierten innerhalb von rund einer Stunde im ganzen Land, vor allem aber südlich von Beirut, wo die Hisbollah besonders stark ist, und im Süden des Landes.

Nach Angaben aus dem Umfeld der Hisbollah richteten sich die Explosionen gegen ihre Mitglieder. Die Organisation selbst warf bald nach den Detonationen Israel vor, dahinterzustecken. Israel werde dafür seine „gerechte Strafe“ bekommen, kündigte die Miliz an. Israels Armee kommentierte die Vorfälle im Libanon nicht.

Unter den Toten sind der Sohn eines Hisbollah-Abgeordneten sowie die Tochter eines Mitglieds der Miliz. Das Mädchen sei getötet worden, als sie neben ihrem Vater stand und dessen Pager explodierte, gaben ihre Familie und eine der Hisbollah nahestehende Quelle an. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wurde einem Insider zufolge nicht verletzt, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus ranghohen Hisbollah-Kreisen erfuhr.

Konflikt zwischen Hisbollah und Israel weitet sich aus

Pager sind kleine Kommunikationsgeräte, mit denen kurze Botschaften empfangen werden können – sie waren früher vor allem im Rettungswesen weit verbreitet. Die Hisbollah benutzt sie aus Sicherheitsgründen für die Kommunikation, denn anders als bei Handys oder Smartphones kann ihr Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. Ein gewöhnlicher Pager ist nur ein Empfänger, der nicht in ein Netz eingeloggt ist. Die Geräte sind offenbar erst in den vergangenen Monaten bei der Hisbollah eingeführt worden, wie Mitarbeiter aus Sicherheitskreisen Reuters sagten.

In diesem Auto ist ein Pager explodiert – wie es zu den Detonationen gekommen ist, ist unklar

Ein Hisbollah-Vertreter, der anonym bleiben wollte, sprach gegenüber der dpa vom „größten Sicherheitsdebakel“ in ihrem seit fast einem Jahr währenden Krieg gegen Israel. Eine andere Quelle aus dem Hisbollah-Umfeld sagte, die Vorfälle seien die Folge eines Eindringens Israels in das Kommunikationssystem der Miliz. In einem Bericht der libanesischen Nachrichtenagentur ANI war von einem „beispiellosen feindlichen Sicherheitsvorfall“ die Rede.

Seit dem Beginn des Krieges im Gazastreifen nahmen auch die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der mit der radikalislamischen Hamas verbündeten Hisbollah im Libanon zu. Zuvor hatte die israelische Regierung bekanntgegeben, sie habe ihre Kriegsziele auf den Konflikt mit der Hisbollah im Libanon ausgeweitet. Die Regierung habe die Kriegsziele aktualisiert und um die „sichere Rückkehr der Bewohner des Nordens in ihre Häuser“ erweitert, teilte das Büro von Israels Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag mit.

Die UNO zeigte sich über die Entwicklungen im Libanon extrem besorgt. Man bedaure die zivilen Opfer, sagte UNO-Sprecher Stephane Dujarric. Es bestehe das Risiko einer Eskalation im Libanon. Die Lage sei extrem volatil.

Panik machte sich breit

In Videos von Überwachungskameras war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach auf dem Boden. Krankenwagen fuhren durch die südlichen Vororte der Hauptstadt, wo eine weit verbreitete Panik herrschte.

Das libanesische Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft auf. Das gesamte verfügbare medizinische Personal solle sich in ihre jeweiligen Krankenhäuser begeben, um die große Zahl der Verwundeten zu versorgen. Das Ministerium bat auch um Blutspenden.

Das libanesische Rote Kreuz teilte mit, dass über 50 Krankenwagen und 300 medizinische Notfallhelfer entsandt wurden, um bei der Versorgung der Opfer zu helfen. Die Menschen wurden zudem aufgerufen, keine Pager zu benutzen.

Nach Angaben aus Teheran wurde auch der iranische Botschafter im Libanon verletzt. Das iranische Staatsfernsehen berichtete am Dienstag, Botschafter Modschtaba Amani habe dem Sender selbst mitgeteilt, dass es ihm trotz der Verletzung gutgehe und „keinerlei Gefahr“ für ihn bestehe.

Bericht über Vorfälle auch in Syrien

Auch in Syrien soll es zu ähnlichen Vorfällen gekommen sein. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien bestätigte, dass mehrere Mitglieder der Hisbollah durch explodierende Kommunikationsgeräte in der Nähe der Hauptstadt Damaskus verletzt wurden. Die Informationen der Beobachtungsstelle können nicht unabhängig überprüft werden.

Aus syrischen Sicherheitskreisen hieß es, ein Pager sei unter anderem in einem Auto in der Hauptstadt Damaskus explodiert.

Israelischer Geheimdienst: Hisbollah-Anschlag vereitelt

Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet teilte unterdessen mit, einen Bombenanschlag der Hisbollah auf einen ehemaligen ranghohen Sicherheitsvertreter Israels vereitelt zu haben. Die Attacke sei in den kommenden Tagen geplant gewesen, so Schin Bet.

Der Sprengsatz sei mit einem Fernzünder ausgestattet gewesen, verbunden mit einer Kamera und einem Handy. So hätte die Bombe vom Libanon aus von der Hisbollah gezündet werden können, hieß es in der Mitteilung.

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