Anschlag in Magdeburg: Gedenken und Schweigeminute in ...
Stand: 23.12.2024 08:21 Uhr
Weihnachtsmärkte wie in Rostock, Greifswald, Kiel und Schwerin beteiligten sich an bundesweiten Schweigeminuten für die Opfer des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Fünf Menschen starben bei dem Anschlag, mehr als 200 wurden verletzt.
Auf vielen Weihnachtsmärkten wurde am Samstagabend um kurz nach 19 Uhr innegehalten - so auch in Rostock und Greifswald. 24 Stunden zuvor war ein Mann mit einem Mietwagen über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. In Rostock läuteten um 19 Uhr die Glocken der Marienkirche für sechs Minuten. Anschließend versammelten sich Rostocker zu einem Gebet unter der Leitung von Schaustellerpastorin Elisabeth Lange und Stadtpastorin Maria Dietz. Sie hatten die Besucher dazu aufgerufen, Kerzen anzuzünden. Die Kirche war dadurch hell erleuchtet. Die Marienkirche liegt direkt am Rostocker Weihnachtsmarkt.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nahm am Sonntagnachmittag an einer Gedenkveranstaltung auf dem Schweriner Marktplatz teil. Für eine Minute gingen die Lichter auf dem Weihnachtsmarkt aus, die gut 150 Passanten vor Ort hielten gemeinsam inne. Die Tat mache sie wütend und fassungslos, so Schwesig. Sie forderte eine konsequente Aufklärung.
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Auch in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel gab es eine Schweigeminute. "Es ist wichtig, dass wir auch in diesen Zeiten Solidarität zeigen, dass wir an allen Orten - auch auf den Weihnachtsmärkten - dieser Menschen gedenken, so auch bei uns in Schleswig-Holstein, um deutlich zu machen, dass wir zusammenstehen", sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Samstagabend dem NDR. Im Braunschweiger Dom wurde ebenfalls der Opfer gedacht.
Besonders viele Menschen gedachten in Magdeburg der Opfer und ihrer Angehörigen. Allein vor dem Dom beteiligten sich nach ersten Schätzungen der Polizei mehr als 1.000 Menschen am Gedenken - eine große Videoleinwand war aufgebaut, auf die der Gottesdienst aus dem Dom übertragen wurde. Vielerorts in der Stadt legten Trauernde Blumen ab und zündeten Kerzen für die Opfer an.
Neunjähriger aus Niedersachsen unter den TodesopfernAm Freitagabend war ein 50-jähriger Mann mit einem Mietauto in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren. Er soll freigehaltene Rettungsgassen genutzt haben. Es gab fünf Tote, darunter ein neunjähriges Kind. Der Junge stammt nach NDR Informationen aus Niedersachsen. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt.
Tatverdächtiger in UntersuchungshaftDer festgenommene Verdächtige ist ein Islam-Kritiker und Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt. Der Richter hat Haftbefehl gegen ihn erlassen. Der 50-Jährige Taleb A. müsse wegen des Vorwurfs des fünffachen Mordes, mehrfach versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft, teilte die Polizei am frühen Sonntagmorgen in Magdeburg mit. BKA-Chef Holger Münch sagte im ZDF-"heute journal", es gebe - anders als bei ähnlichen Taten in der Vergangenheit - keinen Hinweis auf einen islamistisch motivierten Anschlag. Auch der Generalbundesanwalt sage noch nicht eindeutig, wie der Sachverhalt einzuordnen sei. Der Tatverdächtige habe eine islamfeindliche Einstellung, er habe sich auch mit rechtsextremen Plattformen beschäftigt, sagte der Chef des Bundeskriminalamts. Es sei aber noch nicht abschließend möglich zu sagen, dass die Tat politisch motiviert gewesen sei.
AUDIO: Throm zu Anschlag in Magdeburg: "Ein völlig atypischer Täter" (5 Min)
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) berichtete am Sonntag auf einer Pressekonferenz, dass der mutmaßliche Täter von 2011 bis 2016 in Stralsund lebte und dort Teile seiner Facharztausbildung absolvierte. Laut Ermittlern habe der Mann mehrmals mit Gerichten, Behörden und der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern zu tun gehabt und Straftaten angedroht.
So sprach er In einem Streit mit der Ärztekammer schwere Drohungen aus und verwies auf den Anschlag auf einen Marathon in Boston - dort waren drei Menschen getötet worden und mehr als 140 verletzt worden. 2014 drohte Taleb A. in einem Streit mit Behörden über soziale Unterstützung, er werde "Handlungen von internationaler Beachtung ausführen, an die man sich lange erinnern würde". Nach der erneuten Drohung und Nötigung von Beamten führte die Polizei eine "Gefährderansprache" durch.
Im Interview auf NDR Info sagte Pegel am Montagmorgen: "Gefährder- oder islamistisches Niveau hat er damals nicht erreicht. Nach Hausdurchsuchungen, die bei ihm durchgeführt wurden, gab es keinerlei Hinweise auf Islamismus." Es scheine auch heute noch so zu sein, dass er eher das Gegenteil eines Islamisten sei. Es habe damals kein Niveau von politischer Motiviertheit gegeben, sodass keine Gefährder-Einstufung erfolgte. "In diesem Fall haben wir erst mal jemanden, der damals vor allem nur an sich selber gedacht hat," sagte Pegel. Im Streit mit der Ärztekammer sei es nicht darum gegangen, ob diese für oder gegen Islamismus gewesen sei. Detailliert ließen sich die damaligen Vorgänge aber nicht mehr nachvollziehen, da die Akten nach zehn Jahren aufgrund der gesetzlichen Löschfristen nicht mehr vorhanden seien.
Einsatzkräfte auf Niedersachsens Weihnachtsmärkten verstärktAls Reaktion auf den Anschlag sind in vielen norddeutschen Städten die Sicherheitsmaßnahmen auf den Weihnachtsmärkten erhöht worden. Die Sicherheitsmaßnahmen in Niedersachsen seien bereits sehr hoch gewesen, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Nach aktuellem Stand gebe es keine direkten Bezüge der Magdeburger Tat nach Niedersachsen, heißt es. Mit der vergrößerten Zahl der Einsatzkräfte sollen die Besucherinnen und Besucher mehr Ansprechpartner auf den Märkten haben. In Celle hat die Stadt als zusätzliche Barriere vor dem Weihnachtsmarkt Sandsäcke aufgebaut.
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Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte am Samstagabend im NDR Fernsehen bei "Hallo Niedersachsen", die Menschen gingen nun wohl nicht mehr so unbeschwert auf die Weihnachtsmärkte wie vor dem Anschlag: "Natürlich macht das etwas mit dem Sicherheitsgefühl", sagte Weil. Seit dem Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz vor acht Jahren seien die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden, aber einen hundertprozentigen Schutz gebe es nicht, "nicht auf Weihnachtsmärkten und nirgendwo". Die Politik tue das, was sie könne. Man dürfe sich die Freude am Leben durch solche Akte nicht vergällen lassen, appellierte Weil.
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Auch Schleswig-Holstein hat die Polizeipräsenz auf den Weihnachtsmärkten des Landes nun erhöht. Es gebe zwar keine konkreten Hinweise, dass derartige Vorfälle auch im Norden geplant sein könnten, erklärte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). "Unabhängig davon sind unsere Einsatzkräfte aber natürlich auch mit den Verantwortlichen der Weihnachtsmärkte in den Orten in Schleswig-Holstein in einem engen Austausch, um die ohnehin hohen Sicherheitsvorkehrungen noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu verstärken." Dabei gehe es auch um die Zugänge der Weihnachtsmärkte.
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"In enger Abstimmung werden - soweit erforderlich - bereits bestehende Sicherheitskonzepte nochmals angepasst", teilte das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin mit. "Ich bin erschüttert über den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg", schrieb Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) auf der Plattform X. Die Polizeipräsenz auf den Weihnachtsmärkten im Land werde verstärkt, kündigte Schwesig an. Weil die Bereitschaftspolizei aber auch ihre Kollegen in Sachsen-Anhalt unterstützt, werden Polizistinnen und Polizisten aus ihrem Weihnachtsurlaub zurückkommen müssen. Schwesig dankte ihnen dafür.
Als Zeichen der Anteilnahme mit den Opfern hat das Innenministerium Trauerbeflaggung angeordnet. Sie gelte ab sofort bis einschließlich Montag an allen Dienstgebäuden des Landes. Auch alle Streifenwagen der Polizei würden mit Trauerflor ausgestattet.
Hamburg hat Polizeipräsenz auf Märkten sofort erhöhtEin Sprecher der Hamburger Polizei sagte NDR 90,3, bereits am Freitagabend sei die Polizeipräsenz auf den Weihnachtsmärkten "sichtbar erhöht" worden. Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte an, bestehende Sicherheitsvorkehrungen zu kontrollieren. "Das Attentat wenige Tage vor Weihnachten ist eine Tragödie für die Betroffenen und ein Angriff auf unsere freiheitliche Gesellschaft", schrieb etwa Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf der Plattform X.
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NDR Info | Hallo Niedersachsen | 21.12.2024 | 19:30 Uhr