Souverän, sogar lässig? Eine Stilkritik an Olaf Scholz mit ...
Einige öffentliche Auftritte muss der Kanzler nun in einer ungewöhnlichen Aufmachung, mit einer schwarzen Augenklappe hinlegen, die ein blaues Auge gerade so verdeckt. Olaf Scholz ist am Wochenende beim Joggen gestürzt – und die Öffentlichkeit bastelt munter Fotomontagen und findet auch sonst Mittel und Wege, dieses Malheur politisch auszuschlachten.
Das kommt nicht alle Tage vor: Olaf Scholz wird eine „souveräne Kanzlerkommunikation“ bescheinigt, etwa vom Politikberater Johannes Hillje auf X früher Twitter).
Und auch die Zeitung „Die Welt“ findet, da blitze gerade des Kanzlers trockener Humor auf. Er kommuniziere „auf jeden Fall selbstbewusst und lässig“. Dabei hatte Scholz einfach das Bild von sich mit schwarzer Augenklappe gepostet und sich Memes dazu gewünscht.
Memes von Dr. Nö bis PiratenkapitänDie kamen sogleich: Scholz als „Dr. Nö“, als neuer Bösewicht bei „James Bond“. Oder dieser Satz, als seien die Ampelpartner handgreiflich geworden: „Ihr solltet mal die FDP sehen!“
„Wir sind Kanzler“, jubelt zynisch die Piratenpartei. Und in Anlehnung an den Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Privatbank Warburg, in den Scholz als Finanzsenator mutmaßlich verstrickt war, titelt der Postillon: „Nach schwerem Sturz: Scholz kann sich plötzlich wieder an alle Treffen mit Warburg-Bankern erinnern.“
Stilkritik für den Piraten-KanzlerDie „Süddeutsche“ versucht sich derweil an einer Stilkritik: Scholz trage die Augenklappe mit einer gewissen Würde. Aber:
„Trotz des einschlägigen und gut sitzenden Accessoires ist der Weg zur Vorstellung noch weit, Olaf Scholz hätte damit dereinst zum Piratenkapitän getaugt. Man versuche nur, sich dies vor Augen zu führen: Die englische Karibik-Flotte würde bedrohlich aufschließen zum Piratenschiff ‚Ampel‘ und die Besatzung ihn anflehen, alle Segel zu setzen; aber Captain Blackeye würde nur gelassen erwidern, er tue grundsätzlich alles, was erforderlich sei.“
Auf zu den ernsteren Themen: „Die Welt“ fürchtet die Rückkehr der „Problem-Regisseure“. Beim Filmfestival von Cannes seien Woody Allen, Roman Polanski und Luc Besson nicht erwünscht gewesen. Beim Filmfestival Venedig nun durften die Weltstars ihre neuen Werke zeigen.
Venedig sei dieses Jahr das Refugium für Filmemacher, die manche Medien als „Problemregisseure“ bezeichneten, obwohl die „Probleme“ zumindest zum Teil aus unbewiesenen, nicht gerichtsfesten Anschuldigungen bestünden.
Da sei zum Beispiel Woody Allen, der von seiner Ex-Frau des Missbrauchs seiner Adoptivtochter beschuldigt wird; ein rechtsmedizinisches Gutachten fand dafür keine Anhaltspunkte, Anklage wurde nie erhoben.
Trailer zu Allens Film „Coup de chance“„Coup de chance“ sei Allens bisher französischster Film, mit französischem Geld finanziert, auch die Besetzung sei eine rein französische. Der Film habe sich damit abgefunden, in den USA wegen der Vorwürfe ignoriert zu werden.
Allen, die Verkörperung von Manhattan, sei aus seiner filmischen Heimat vertrieben worden und jetzt eine Art Woody de Montparnasse.
Allen sagt, er könne sich nicht beklagenDen die NZZ im kleinkarierten Hemd, wie sie schreibt, in einem Hotelsofa vollkommen entspannt eingesunken zum Gespräch getroffen hat. Einen Mann, der den Eindruck mache, alles sei gut, kein Stress. Der allen Ernstes erklärt: Er könne sich beim besten Willen über nichts beklagen, er habe so viel Glück gehabt in seinem Leben.
Ein französisches Kollektiv hatte gerade in einem Statement erklärt, die Entscheidung des Filmfestivals, Polanski, Besson und Allen in ihre Auswahl aufzunehmen, betone „auf beschämende Weise ihre Straflosigkeit“.
Der Tagesspiegel bringt es so auf den Punkt: Im wertekonservativen Italien ist man dem gefallenen Regisseur wohlgesonnen. Wobei es „Coup de chance“ an Originalität und Witz mangele.
Der Film wirke gelangweilt, wie eine filmische Trotzreaktion. „Und so, schreibt der Tagesspiegel, muss man wohl auch diese Einladung an den Lido verstehen.“