Scholz bereit für frühere Neuwahlen – wenn die CDU der SPD ...
Frühe Neuwahlen nur unter Bedingungen: SPD setzt auf Vereinbarung mit den Christlichdemokraten
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz zeigt sich inzwischen offen dafür, die Vertrauensfrage schon im Dezember zu stellen. Dafür soll ihm die Opposition entgegenkommen. Die spricht jedoch von «Nebelkerzen».
Bernadett Szabo / Reuters
Eigentlich wollte der deutsche Kanzler Olaf Scholz jetzt für stabile Verhältnisse sorgen. «Deutschland braucht schnell Klarheit über den weiteren politischen Kurs», sagte der Sozialdemokrat noch am vergangenen Mittwoch, als er den Bruch der Koalition verkündete. Das vorzeitige Ende seiner Regierung sollte seinem festen Zeitplan folgen – entgegen den Forderungen der Opposition.
Nun wird mit jedem Tag deutlicher, dass dieser Zeitplan Teil einer Verhandlungsmasse ist. Den Termin für Neuwahlen knüpft die SPD inzwischen ganz offen an Bedingungen. Sie setzt darauf, dass die Union ihr entgegenkommt.
Scholz sagte am Sonntagabend in der ARD, er könne sich vorstellen, noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Zwar müsse formal er als Kanzler diesen Schritt auslösen. Doch wenn es eine Übereinkunft zwischen dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und dem christlichdemokratischen Oppositionsführer Friedrich Merz gebe, werde er diese beachten.
Der Forderung von Merz, die Vertrauensfrage am Mittwoch im Zuge der Regierungserklärung im Bundestag zu stellen, wird Scholz jedoch nicht nachkommen. Das teilte der Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag mit.
Sozialdemokraten wollen sich mit Union auf Agenda einigenMützenich hatte zuvor erläutert, welche politischen Projekte eine Vereinbarung mit CDU und CSU enthalten müsste. Als Beispiele nannte er das Kindergeld, das Deutschlandticket, Entlastungen der Industrie und der Zulieferbetriebe sowie den Schutz des Verfassungsgerichts. Das sind Themen, um die bereits die zerbrochene Regierung gerungen hat.
Die Sozialdemokraten sind dennoch hoffnungsvoll, dass sie nun mit der Union einen Kompromiss finden können. «Wenn wir eine solche Agenda vereinbaren können, dürfte es nach der angekündigten Gesprächsbereitschaft des Kanzlers leicht gelingen, einen sinnvollen Termin für die Wahl zu finden», so beschrieb Mützenich die von der SPD avisierte Abmachung mit der Union am Sonntag der «Süddeutschen Zeitung».
Der Kanzler versuchte bereits den Eindruck zu zerstreuen, man wolle die Union mit der Vertrauensfrage zu Zugeständnissen bewegen, von denen die SPD im anschliessenden Wahlkampf profitieren könnte. Diese Bedenken hatte zuvor Merz geäussert.
CDU-Politiker Frei: «Keine weiteren Nebelkerzen werfen»Auf die Frage, ob es nicht unangemessen sei, die Vertrauensfrage damit zu verknüpfen, dass die anderen Fraktionen seine Politik mittragen, sprach Scholz am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Budapest von einer Unterstellung, «die nicht in Ordnung ist». Es sei keine Anforderung, «die ich formulieren würde, dass Politik, die andere Parteien falsch finden, aus diesem oder irgendeinem anderen Anlass von ihnen mitgetragen werden muss; das kann ja gar nicht funktionieren», sagte er weiter.
Die Union hält derweil an ihrer Position fest, dass Scholz zuerst die Vertrauensfrage stellen muss. Erst danach möchte man über mögliche Gesetzesvorhaben sprechen, die die Union in den verbliebenen Geschäftswochen des Bundestages noch mittragen könnte.
«Scholz sollte jetzt keine weiteren Nebelkerzen werfen, sondern zügig die Vertrauensfrage stellen», sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei am Montag der «Bild»-Zeitung. «Dazu sind keine weiteren Absprachen notwendig. Bei diesem Verfahren liegt es allein am Kanzler, das Drama zu beenden und die Tür zum Neuanfang zu öffnen.»
Auch der Oppositionsführer Merz blieb am Wochenende bei dieser Haltung. Jeder Tag mit einer rot-grünen Minderheitsregierung sei «ein verlorener Tag für den notwendigen politischen Neuanfang», sagte er am Sonntag dem Magazin «Stern».
Habeck: Vertrauensfrage nicht an Lieblingsprojekte knüpfenMit dieser Auffassung ist die Union nicht allein. Selbst Scholz’ verbliebener Koalitionspartner mahnte bereits, die Vertrauensfrage nicht an Bedingungen zu knüpfen. «Wo ich sehr skeptisch bin, ist, ob diese guten oder schlechten Gründe – darüber mag man denken, wie man will – vermengt werden sollten mit der Umsetzung politischer Lieblingsprojekte», sagte etwa der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, am Samstag am Rande einer Veranstaltung im brandenburgischen Neuhardenberg.
Dies scheine ihm «der herausragenden Bedeutung dieser Vertrauensfrage nicht angemessen zu sein». Allerdings sei dieser Schritt Sache des Kanzlers selbst und hänge auch davon ab, ob die Wahl in dem Zeitraum sicher durchgeführt werden könne, fügte Habeck hinzu.
Auch der scheidende Parteivorsitzende Omid Nouripour signalisierte, dass die Grünen im Grunde offen für zügige Neuwahlen seien. «Wir Grünen könnten auch gut mit einem früheren Termin leben. Wir haben unsere Arbeit gemacht, sind auf alles vorbereitet», sagte er der «Bild»-Zeitung.
Ursprünglich hatte Scholz angekündigt, die Vertrauensfrage am 15. Januar im Bundestag zu stellen. Sollte Scholz die Abstimmung verlieren, könnte der Bundespräsident das Parlament auf Antrag des Kanzlers innert 21 Tagen auflösen. Eine Neuwahl müsste anschliessend spätestens nach 60 Tagen stattfinden. Nach dem ursprünglichen Zeitplan von Scholz würde dann also im März neu gewählt.