Olaf Scholz' Taktik ist nicht besonnen, sondern stur (Meinung)
Meinung
Kanzler in der Krise Olaf Scholz wirkt nicht besonnen, sondern stur
Olaf Scholz am Tag nach dem Europawahl-Debakel
© Markus Schreiber / POOL / AFP
Die Europawahl war für Olaf Scholz und die SPD ein weiterer Rückschlag. Wählerinnen und Wähler trauen dem Kanzler nichts mehr zu. Er muss sich neu erfinden – und zwar schnell.
Die CDU hat, als Kurt Georg Kiesinger regierte, Wahlplakate mit dem Satz geklebt: "Auf den Kanzler kommt es an." Die SPD hat in diesem Europawahlkampf Olaf Scholz auf Plakate gedruckt. Allerdings sagten diese nichts über die Unersetzlichkeit des Kanzlers aus. Vielleicht hatten Scholz' Wahlstrategen eine Vorahnung. Denn der Satz ist immer noch richtig, auf den Kanzler kommt es an. Genau das ist aber das Problem von Olaf Scholz und der SPD.
Natürlich lässt sich nun viel analysieren, warum die Sozialdemokraten auf unter 14 Prozent abgestürzt sind, weniger als halb so viel wie die Union, deutlich hinter der Alternative für Deutschland (AfD), die sich nicht einmal am Wahlabend traute, ihren Spitzenkandidaten auftreten zu lassen. Immerhin lagen die Sozialdemokraten vor den Sonstigen, wenn auch knapp. Man könnte den ewigen Ampel-Zoff als Grund anführen, die Messerattacke von Mannheim, welche berechtigte Ängste vor Islamismus wieder weckte. Und vielleicht dieser ganze verflixte Deutschlandblues, der selbst ein EM-Sommermärchen gerade so unwahrscheinlich wirken lässt.
Olaf Scholz braucht all diese Analysen aber nicht zu lesen, er muss nur in den Spiegel schauen. Es wird ein schmerzhafter Blick: Denn die Deutschen wollen ihn nicht mehr als Kanzler. Vielleicht wollten sie ihn nie richtig, die vorige Bundestagswahl hat eher Armin Laschet, mit tatkräftiger Unterstützung von Markus Söder, verloren als Scholz sie gewonnen hat. Dieser hat daraus abgeleitet, Visions- und Kommunikationsverweigerung, ja fast gelebte Langeweile, seien nicht Schwachstellen, sondern Erfolgsrezepte. Bloß keine Aufregung, das hatte doch auch für Angela Merkel funktioniert? Aber sie regierte in glücklicheren, ruhigeren Zeiten.
Ein anderer Olaf Scholz? Die Chancen stehen schlechtMerkel gelang zudem das Kunststück, dass sich zwar viele über ihre Politik aufregten, sie aber populär blieb. Merkel galt irgendwann als kultig, als klug sowieso. Scholz wird Klugheit auch nicht abgesprochen, dafür aber so gut wie jede andere positive Eigenschaft, allen voran: Selbstkritik. Wer trotz miserabler Umfrage- und Wirtschaftsdaten eisern an seinem engsten Team festhält und immer wieder betont, dem Land ginge es doch gut, wirkt irgendwann nicht besonnen, sondern stur.
Es ist ja gar nicht so sehr Scholz' Politik, mit der viele Deutsche fremdeln. Mindestlohnerhöhung, wie gerade im stern gefordert? Breite Unterstützung. Sichere Rente? Ein Wahlkampfschlager. Keine Abenteuer in der Ukraine? Auch dafür könnte Scholz eine Mehrheit hinter sich vereinen. Nein, man muss es so brutal hinschreiben: die Leute trauen dieser Person im Kanzleramt nichts mehr zu.
Kurzum, Scholz muss sich neu erfinden. Das ist schon anderen Politikern schwergefallen. In den USA wollte Präsidentschaftskandidat Michael Dukakis, ein spröder Intellektueller, sich 1988 als Kriegsherr inszenieren. Aber er saß dann so unglücklich in einem Panzer, dass jeder dachte: Der kann das nicht. Markus Söder hat mal Kreuze aufgehängt, mal Bäume umarmt, doch er ist irgendwie immer Markus Söder geblieben. Dass Olaf Scholz wirklich anders wird, wirkt etwa so wahrscheinlich wie die Vorstellung, dass Uli Hoeneß mal ein harmlos-entspannter Ruheständler wird. Der Kanzler ist so überzeugt von sich und seinem Kurs, jede ernsthafte Typ-Beratung gliche einer Nötigung. Nun hoffen Scholz' Leute darauf, dass die Deutschen Friedrich Merz noch weniger als Kanzler wollen. Die Strategie könnte sogar aufgehen, dessen Beliebtheitswerte sind sogar geringer als die von Scholz. Nur: Worauf soll Deutschland dann eigentlich hoffen?
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