Olaf Scholz im Bundestag: „Ich will mein eigener Nachfolger werden“
Parlament im Wahlkampfmodus
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Olaf Scholz in der Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag.
Quelle: Frederic Kern
Kanzler Olaf Scholz stellte sich am Mittwochmittag den Fragen der Bundestagsabgeordneten – kurz bevor voraussichtlich ein neuer Bundestag gewählt wird. Der Sozialdemokrat gab sich gelassen und ging bisweilen zum Gegenangriff über.
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Berlin. Der Kanzler lieferte den Satz für die Überschriften relativ früh. Da sagte Olaf Scholz: „Ich will mein eigener Nachfolger werden.“ Zuvor hatte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber von der FDP, erklärt, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Taurus-Marschflugkörpern vier Monate dauern würde, und zugleich die Frage aufgeworfen, ob es nicht sinnvoll sei, mit dieser Ausbildung jetzt zu beginnen. Schließlich könne dann eine mutmaßlich andere Entscheidung eines neuen Kanzlers zugunsten der Taurus-Lieferung an das von Russland angegriffene Land sofort wirksam werden.
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Der SPD-Kanzler unterstrich demonstrativ, dass er mit einem neuen Kanzler gar nicht rechne. Und nicht nur das. Er erinnerte den Liberalen unsanft daran, dass dessen Partei in den Umfragen derzeit nur bei 4 Prozent liege. Damit war vor der nahenden Bundestagswahl ein Ton gesetzt.
Entscheidende WochenDer 66-jährige Regierungschef befindet sich ja mal wieder in entscheidenden Wochen seiner wechselvollen politischen Karriere. Hinter sich hat er die sozialdemokratische „Wahlsiegkonferenz“ im Willy-Brandt-Haus am vorigen Samstag sowie die sich anschließende Reise in die ukrainische Hauptstadt Kiew am Montag. Dort kündigte Scholz weitere Militärhilfen an. Vor sich hat er die Vertrauensfrage im Parlament. Sie findet am 16. Dezember statt. Wenn der Kanzler das Vertrauen verliert, kann die Neuwahl des Bundestages am 23. Februar folgen.
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Am Mittwochmittag nun machte der Regierungschef unter der Reichstagskuppel einen kurzen Zwischenstopp und stellte sich den Fragen der zahlreichen Bundestagsabgeordneten. Es handelt sich bei diesem parlamentarischen Brauch um eine Art Speeddating. Der Kanzler gibt ein Statement. Dann können die Parlamentarier ihrer Wissbegier Raum geben. Das Ganze dauert 70 Minuten. An diesem Mittwoch ab 13 Uhr war es so weit.
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Der Kanzler gab die erwartete Erklärung ab, in der es zunächst um seine Kiew-Reise ging. Scholz sagte, man unterstütze die Ukraine in ihrem Kampf für Unabhängigkeit und Souveränität. Gleichzeitig sagte er, dass es gelte, „einen kühlen Kopf zu bewahren“. Man werde jedenfalls „alles dafür tun“, dass es nicht zu einem Krieg Russlands mit der Nato komme. Dazu gehöre ein Nein zur Taurus-Lieferung.
Bitte um MithilfeIn einem zweiten Schritt kam Scholz auf die Innenpolitik zu sprechen sowie darauf, was bis zur Neuwahl noch zu tun sei: Schritte zur Bekämpfung der kalten Progression, die Erhöhung des Kindergeldes beziehungsweise des Kinderzuschlages, die Fortführung des Deutschlandtickets oder Hilfen für Mieter. Industriearbeitsplätze müssten verteidigt und der Anstieg der Netzentgelte verhindert werden. „Die Zeit des Wahlkampfes ist nicht die Zeit des Stillstandes“, sagte Scholz. „Ich bitte Sie, dabei mitzuhelfen.“ Das war der Versuch, die Opposition in die Pflicht und ihr die Waffen aus der Hand zu nehmen.
Die CDU-Wirtschaftsexpertin Julia Klöckner wollte da nur nicht mitspielen. Sie sagte, dass Scholz ein „Wirtschaftswunder“ versprochen habe. Was daraus denn geworden sei. Tatsächlich gingen gerade Tausende Arbeitsplätze verloren. Der Kanzler erinnerte an die hohen Energiepreise sowie daran, dass es eine Exportnation wie Deutschland derzeit schwer habe. Mit dem von ihm favorisierten Deutschlandfonds könne man allerdings viel Wachstum schaffen. Damit lag der Ball wieder im Feld der Opposition.
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Die Linke Caren Lay wechselte zu den hohen Mieten und damit zum Thema Mietpreisbremse. Scholz konterte, das Problem werde sich nicht lösen lassen, wenn nicht mehr Wohnungen gebaut würden, „zum Beispiel auch in Berlin“, genauer: auf dem Tempelhofer Feld, dem ehemaligen Flughafen, „der da gewissermaßen ungenutzt rumliegt“. Der AfD-Abgeordnete Leif Erik Holm kritisierte unterdessen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und fragte, wann Scholz den grünen Kanzlerkandidaten entlassen werde. Der antwortete: „Das habe ich nicht vor, das werde ich auch nicht tun.“ Immerhin habe es einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien gegeben. Das sei „eine große Leistung“ der gesamten Regierung.
Für ein bisschen Entlastung sorgte die SPD-Bundestagsfraktion, aus der eine Parteifreundin die Rentenpolitik ins Zentrum stellte. Scholz sagte: „Ich möchte, dass wir die Rentengarantie erneuern.“ Eine Absenkung sei „nicht gerecht“. Rentenpolitik hat bei Sozialdemokraten stets Priorität.
Entlastung aus der SPDIm Ganzen galt für die Befragung, was bereits für andere Befragungen gegolten hatte: Je länger sie dauern, desto mehr entweicht die Spannung.
Einen Punkt stellte Olaf Scholz indes noch klar. Denn Außenministerin Annalena Baerbock hatte einen Bundeswehreinsatz zur Friedenssicherung im Falle eines Waffenstillstands zwischen der Ukraine und Russland zuletzt nicht ausgeschlossen. Neben Sicherheitsgarantien wie einer Nato-Mitgliedschaft stehe eine internationale Präsenz zur Absicherung eines Waffenstillstands im Raum, sagte sie. Der Kanzler widersprach: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir in der gegenwärtigen Situation Truppen in die Ukraine schicken.“ Das komme nicht infrage, sagte er.