Quartalszahlen des Chipriesen: Nvidia übertrifft Erwartungen
Der Chipriese Nvidia hat im dritten Quartal Umsatz und Gewinn stärker gesteigert als angenommen. Die Aktie reagiert mit starken Schwankungen.
20.11.2024, 22.30 Uhr
Nvidia-Chef Jensen Huang: Die Zahlen zum dritten Quartal sorgen erneut für starke Schwankungen der Aktie
Foto: Ritchie B. Tongo / EPADer Chiphersteller Nvidia hat am Mittwoch nach US-Börsenschluss seine Zahlen für das dritte Geschäftsquartal vorgelegt und sowohl Umsatz als auch den Gewinn stärker gesteigert als angenommen. Der weltgrößte Anbieter von Spezialprozessoren für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) gab am Mittwoch einen Umsatzanstieg von 94 Prozent auf 35,1 Milliarden Dollar bekannt. Erwartet worden war ein Umsatz von 33 Milliarden Dollar.
Im dritten Quartal verzeichnete das Unternehmen einen Nettogewinn in Höhe von 19,3 Milliarden Dollar – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahresquartal (plus 109 Prozent) und weit über den von Experten prognostizierten 17,4 Milliarden Dollar. Der Gewinn betrug 0,78 Dollar je Aktie. Die Bruttomarge betrug 75 Prozent. Auch damit übertraf der Konzern die Erwartungen der Analysten.
Für das vierte Quartal stellte Nvidia eine Bruttomarge von 74 Prozent in Aussicht. Der Umsatz soll in einer Spanne zwischen 34 und 41 Milliarden Dollar liegen. Analysten nannten den Ausblick auf das vierte Quartal in einer ersten Einschätzung „unspektakulär“, einige Anleger hatten sich mehr erhofft.
Die Aktie reagierte nachbörslich, unmittelbar nach Bekanntgabe der Quartalszahlen, mit starken Schwankungen. Zunächst gab sie um knapp 4 Prozent auf 139 US-Dollar nach, konnte dann aber ihr Minus auf 2,5 Prozent reduzieren und notierte um 22.45 Uhr MEZ bei 142,50 Dollar, nachdem sie vor Bekanntgabe der Quartalsergebnisse ein Rekordhoch von 147 Dollar erreicht hatte.
Nvidias Umsatz bei Technik für Rechenzentren sprang im Jahresvergleich um 112 Prozent auf 30,8 Milliarden Dollar hoch. Das lag über den Erwartungen der Analysten. Im laufenden Quartal will Nvidia erste Systeme mit dem nächsten Chip "Blackwell" auf den Markt bringen. Zugleich schränkte der Konzern ein, dass die Nachfrage sowohl nach "Blackwell"-Prozessoren als auch nach der aktuellen Generation mit dem Namen "Hopper" das Angebot noch in mehreren Quartalen übersteigen werde.
Erneut waren im Vorfeld die Erwartungen an Nvidia hoch: Analysten hatten im Schnitt einen Umsatz von 33 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 17,4 Milliarden Dollar, wie eine Umfrage des Datenanbieters FacSet ergab. Das wäre knapp eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahresquartal: Im dritten Quartal 2023 meldete der Chiphersteller 18 Milliarden Dollar Umsatz und rund 9 Milliarden Dollar Gewinn.
Die Mehrheit der Investoren hatte erwartet, dass die Nachfrage nach den neuen "Blackwell" Chips und Grafikprozessoren (Stückpreis ab 30.000 US-Dollar) so hoch bleibt, dass die Kunden sich auf monatelange Wartezeiten einrichten müssten.
Nvidia entwickelt Grafikprozessoren (GPU) und Hochleistungschips, die vor allem für Trainings- und Anwendungsprogramme der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen. Als „Fabless“ Unternehmen lagert der Konzern die Herstellung an Auftragsfertiger wie TSMC aus, sodass sich die rund 30.000 Nvidia-Mitarbeiter auf die Entwicklung neuer KI-Chipsysteme und spezialisierter Software konzentrieren können, die auch in Fahrzeugen und Robotern zum Einsatz kommen. Nvidia-Chips, an deren Rechenleistung noch kein Konkurrent herankommt, sind damit die Voraussetzung für den aktuellen KI-Boom. Und solange die Großkunden wie Microsoft, Tesla oder Alphabet dem von Jensen Huang (61) gegründeten Unternehmen seine GPUs und KI-Chips zu fast jedem Preis aus den Händen reißen, bleibt Nvidia auch der größte KI-Profiteur.
Mit einem Börsenwert von 3,4 Billionen Dollar ist Nvidia gemeinsam mit Apple der wertvollste Konzern der Welt. Die beiden Unternehmen sind die beiden Schwergewichte in der Schwergewichtsklasse der "Magnificient Seven": Die US-Techriesen Nvidia, Apple, Microsoft, Meta, Alphabet, Amazon und Tesla machen inzwischen mehr als ein Drittel des S&P 500 aus – ein Index, in dem 500 Unternehmen stecken.
Das bedeutet: Starke Kursausschläge bei Nvidia bekommen nicht nur Nvidia-Aktionäre zu spüren. Sondern auch Millionen Aktiensparer, die ihr Geld per ETF zum Beispiel in den weltweiten Aktienindex MSCI oder einen US-Aktienindex stecken.
Skeptiker mahnen zur Vorsicht: Nach dem kometenhaften Aufstieg muss allein Nvidias Größe irgendwann das steile Wachstum bremsen. Der Konzern hat bereits im Geschäftsjahr 2024 (per Ende Januar) seinen Umsatz auf 60 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt, der Gewinn betrug rund 30 Milliarden Dollar. Um ein solches Wachstum beizubehalten, muss die Nachfrage nach Nvidia-Chips noch stärker steigen als bereits in den vergangenen 24 Monaten. Die Aktie wird laut Factset mit dem 34-fachen der bis Ende 2025 erwarteten Gewinne gehandelt.
Das bedeutet: Sobald Großkunden wie Microsoft oder Alphabet stärker auf eigene Entwicklungen setzen oder die Konkurrenz wie AMD zu Nvidia aufschließen, wird es mit Nvidias Gewinnmargen von rund 50 Prozent und dem jährlichen Umsatzwachstum von mehr als 100 Prozent vorbei sein.
Was es bedeutet, wenn das Wachstumstempo nachlässt, davon bekamen Anleger einen Vorgeschmack, als Nvidia im August seine Zahlen für das zweite Quartal vorlegte. Zwar schlug der Chipriese erneut die Erwartungen, aber nicht ganz so deutlich wie noch in den zwei Quartalen zuvor. Die Folge: Die Nvidia-Aktie brach am Folgetag um rund 7 Prozent ein und verlor bis Anfang September um rund 20 Prozent an Wert, bevor eine Erholung ersetzte.
Der Kursrutsch um rund 9 Prozent vom 3. September ist Anlegern weltweit in Erinnerung: Nvidia verlor an diesem einen Tag 280 Milliarden Dollar an Börsenwert – der größte absolute Tagesverlust eines börsennotierten Unternehmens jemals. Zum Vergleich: Der Börsenwert von VW beträgt rund 50 Milliarden Dollar. Im Ranking der jeweils drei größten Tagesgewinne sowie -verluste in der Börsengeschichte ist die Nvidia-Aktie fünfmal vertreten, mit Gewinnen und Verlusten von jeweils mehr als 200 Milliarden Dollar. Ein Market-Mover in einer neuen Dimension.
Nvidia-Chef Huang expandiert unterdessen weiter. Zahlreiche Unternehmen entwickeln ihre KI-Anwendungen mit Hilfe der Jetson-Plattform von Nvidia, einer Reihe kompakter und leistungsstarker Minicomputer. Die neue Plattform „Jetson Thor“ soll ab 2025 auch Roboterhersteller dabei unterstützen, neue Robotermodelle zu entwickeln: Im rasch wachsenden Robotik-Markt geht Nvidia damit nicht unter die Hersteller, sondern macht sich für die meisten Hersteller als Technologiepartner unverzichtbar.
Statt Geld verhandelt Huang eine Beteiligung am Umsatz heraus – und durchdringt damit immer stärker den Markt. Ein Rezept, dass Huang auch schon in der Auto- und Elektroindustrie erfolgreich angewandt hat.