Nutella bald vegan: So machte das Nutella-Imperium die Ferreros ...

Nutella gibt es bald als neue vegane Variante. Wird das der nächste Erfolg der Familie, die hinter Nutella steckt und mit dem Haselnussaufstrich reich geworden ist? An ihrem Geschäftssinn gibt es auch Kritik

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Sie ist die Crème de la Crème der süßen Brotaufstriche: Nutella. Pro Kopf vernaschen die Deutschen etwa ein Kilogramm der Nuss-Nougat-Creme im Jahr. Jetzt, 60 Jahre nach ihrer Einführung, sollen noch mehr Menschen in den Genuss der süßen Sünde kommen können. Ferrero verändert die Rezeptur des Aufstrichs und bringt eine vegane Variante auf den Markt. Dabei soll das Milchpulver, das im klassischen Nutella 8,7 Prozent der Zutaten ausmacht, durch eine noch unbekannte, pflanzliche Zutat ersetzt werden. Wie die „Lebensmittelzeitung“ berichtet, soll die „plant-based“ Nutella im Herbst in den Verkauf kommen – zunächst in ihrer Heimat Italien.

Die pflanzenbasierte Version der Haselnusscreme könnte ein weiterer Erfolg in der Unternehmensgeschichte von Ferrero werden. Diese beginnt – schöner kann man es sich kaum ausdenken – im Nordwesten Italiens am Fuß der Alpen: Pietro und Giovanni Ferrero kommen als Söhne bitterarmer Bauern im hügeligen Piemont auf die Welt. Im Überfluss gibt es in dem kleinen Ort nur eins: Haselnüsse. Sie werden sogar an Schweine und Hühner verfüttert. Doch die beiden Brüder wollen keine Bauern werden, sondern eröffnen 1923 ein erstes Café in ihrem Heimatdorf, eine „Pasticceria“, wo sie Süßes und Schokoladiges verkaufen.

Sie expandieren ins nahegelegene Städtchen Alba. Dort bauen sie ihre Konditorei in den vierziger Jahren zu einer kleinen Schokoladenfabrik samt Labor aus. Sie eröffnen eine weitere Konditorei in Turin. Der Zweite Weltkrieg macht weitere Expansionspläne erst einmal zunichte, Kakao ist kaum noch zu bekommen und wenn nur sehr teuer. Doch die Not führt zu einer Erfindung, die den Ruhm und Reichtum der Ferrero-Familie bis heute begründet. Pietro kreiert den Vorläufer der Nutellacreme: das Giandujot. Es besteht im Wesentlichen aus Zuckersirup und gemahlenen Haselnüssen, dazu Kokosbutter und – der Farbe wegen – einer Mini-Prise Kakao. 

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Sattmacher in der Nachkriegszeit 

Die Pseudo-Schokolade verpackt in Stanniolpapier wird zum Hit im ausgehungerten Nachkriegs-Italien: süß, fettig, eine hervorragende Kalorienbombe in einer Zeit, wo es wenig anderes gab und Kalorien noch kein Schimpfwort war. Als Pietro Ferrero 1949 mit Anfang fünfzig an einem Herzinfarkt stirbt, führen Bruder Giovanni und Pietros Sohn Michele das Familienunternehmen weiter. Letzterer entdeckt, dass sich die Schokolade weicher viel besser aufs Brot streichen lässt, „Cremalba“, später umgetauft in „Supercrema“, erobert Italien und Europa. 1956 wird ein erstes Werk in Deutschland eröffnet, das nächste wenig später in Frankreich. Es ist der Auftakt zu einer raschen Expansion in Europa. In den folgenden Jahrzehnten gründet Ferrero weltweit neue Gesellschaften und Produktionsstätten.

Nutella-Vorläufer Supercrema

© Ferrero

Der Name Nutella 

Weil die christdemokratische Regierung der Nachkriegszeit Superlative in Markennamen als Gotteslästerung verbietet, denkt sich Michele Ferrero 1964 einen neuen Namen aus: Nutella. Der Brotaufstrich wird zum Symbol des Wirtschaftsbooms der sechziger Jahre. „Nutella ist mehr als eine Crème aus Haselnuss und Kakao, es ist eine geistige Kategorie. Es ist mehr als ein Brotaufstrich, es ist ein Symbol der Generationen“, jubelte noch jüngst die Tageszeitung „La Repubblica“.

Michele Ferrero entpuppt sich als Naturtalent für Marketing, Produktplatzierung, Kundenbindung, emotionale Kundenansprache und im Branding seiner Süßwaren: Mon Chéri (1956), Nutella (1964), Tic Tac (1969), Kinder-Überraschung (1974) und schließlich Ferrero Rocher (1982) sind bis heute ikonische Namen in der globalen Süßigkeiten-Welt. In seiner Heimat im Piemont gilt der 2015 verstorbene Familienunternehmer als Held, der viele Fabriken gebaut und den armen Bauern Jobs und Wohlstand gebracht hat. 

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Superreicher Familienclan

Bis heute ist der Konzern vollständig in Familienhand. An der Spitze der Ferrero-Gruppe steht seit 2015 Giovanni – Sohn von Michele, Enkel von Pietro. Er betreibt seine Firma von Luxemburg aus, wo der Konzern seinen steuerlichen Hauptsitz hat, berichtet Forbes. Leben soll er in Brüssel. 

Giovanni Ferrero ist nicht nur der reichste Mann Italiens, sondern laut dem „Bloomberg Billionaires Index” gehört er zu den 30 reichsten Menschen der Welt – er belegt Platz 29, um genau zu sein. Sein geschätztes Vermögen beläuft sich auf rund 42 Mrd. Euro. Als Präsident von Ferrero hat Giovanni die ersten Firmenübernahmen in der Geschichte des Unternehmens unternommen — und den ersten Vorsitzenden eingestellt, der nicht zur Familie gehörte, schreibt „Forbes”. Neben seiner Arbeit für die Marke Ferrero schreibt er fleißig Romane, acht sind bereits erschienen. 

Der heutige Ferrero-Chef Giovanni Ferrero (li.) 2011 mit seinem Vater und Firmengründer Michele sowie seiner Mutter Maria Franca

© dpa | Alessandro Di Marco / Picture Alliance

Weltkonzern Ferrero 

Bis heute ist Nutella einer der wichtigsten Umsatzbringer des Ferrero-Konzerns. Jeden Tag werden weltweit 350 Tonnen Nutella pro Tag konsumiert, 770 Millionen Gläser im Jahr, die aneinandergereiht das 1,7-Fache des Erdumfangs ergeben würden.

Die Deutschen gehören seit jeher zu den treuesten Kunden von Nutella. 2022/2023 erzielte Ferrero einen Umsatz von 17 Mrd. Euro. Die Ferrero-Gruppe zählt heute über 47.212 Angestellte, die in 106 Ländergesellschaften und 37 Produktionsstätten tätig sind. Mit Hershey und Mars zählen die Italiener zu den größten Süßwarenverkäufern der Welt.

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Hasso Plattner, Mitgründer des größten europäischen Softwarekonzerns SAP, zieht sich aus dem Aufsichtsrat zurück. Seit 1972 hat der 80-Jährige das Unternehmen durch Höhen und Tiefen gesteuert

Kritik an Produktion der wichtigen Haselnüsse

„Wie Nutella Italien frisst“ ist der Titel einer Abrechnung mit Ferrero im Schweizer Magazin Reportagen. Danach weitet Ferrero derzeit rücksichtslos und mit politischer Unterstützung den Haselnussanbau in Italien aus. Laut dem Plan „Haselnuss Italien“ will Ferrero „mindestens weitere 22.000 Hektar Anbaufläche“ hinzugewinnen und seine Produktion damit um 30 Prozent steigern. 

Hintergrund des Plans sind Probleme mit dem Hauptlieferanten Türkei. Es geht um kurdische Kinderarbeit während der Ernte und die geringere Qualität sowie Menge der Haselnüsse pro Hektar im Vergleich zu Italien. Ferrero hat bereits mit etlichen italienischen Regionen, darunter die Toskana und Umbrien, Pläne unterzeichnet. Die Gegner kritisieren, dass hier völlig ungeeignetes Terrain für die Haselnussproduktion genutzt werde, was zu einer Verödung der Böden und Landschaften führe. Hinzu kommt nachweislich hoher Pestizideinsatz. 

#Themen Ferrero Italien Reichtum Familienunternehmen
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