Geplante Veganvariante: Newtella
Klassisches Nutella: Konzern plant offenbar vegane Variante
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Die ganz große Revolution ist offenbar nicht geplant, eher ein Nebenrevolutiönchen: Sollte der Ferrero-Konzern, wie italienische Medien das berichten, tatsächlich bald eine vegane Nutella-Variante auf den Markt bringen, bleibt die klassische Version aller Voraussicht nach weiter erhältlich.
Doch allein die Aussicht, dass sich bei Nutella überhaupt etwas ändert, versetzt möglicherweise manche Markentraditionalisten und Fans in Aufregung. Und auch Ferrero sollte wissen, dass so eine Änderung funktionieren oder spektakulär scheitern kann. In der Wirtschaftsgeschichte gibt es Beispiele für beide Varianten.
Die Mutter aller UmbenennungenSelten war die Umbenennung einer Marke so erfolgreich wie im Fall eines Schokoriegels. »Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix«: Der Spruch saß. Mit ihm flankierte der Mars-Konzern Anfang der Neunzigerjahre im deutschen Sprachraum den bereits in vielen Ländern genutzten Namen für seinen Keks-Karamell-Riegel. Marketing und Produktion sollten somit vereinfacht werden.
Der neue Name setzte sich durch, seit Jahrzehnten kauft niemand mehr Raider (es sei denn, es wird augenzwinkernd als Retro-Edition angeboten, wie etwa im vergangenen Sommer ).
Der Slogan ist seinem ursprünglichen Zweck längst entwachsen. »Raider heißt jetzt Twix« ist zum geflügelten Wort geworden, um zu beschreiben, dass alles beim Alten bleibt, auch wenn die Verpackung neu daherkommt.
Colateral damageSie lieben Coca-Cola? Sind seit Jahren treuer Käufer des Produkts? Das lässt sich doch bestimmt ändern! Niemand weiß so genau, was den Getränkekonzern damals geritten hat, aber 1985 präsentierte das Unternehmen seinen Klassiker plötzlich mit neuer, süßerer Rezeptur. »New Coke« wurde das Projekt allgemein genannt, obwohl sich der Name des Produkts gar nicht änderte – und bald schon sprach man vom New-Coke-Desaster: Schlicht und einfach, weil niemand Coca-Cola trinken wollte, wenn sie nicht mehr wie bislang schmeckt. Schnell nahm das Unternehmen die Änderung zurück.
Ein vergleichbares Desaster, wenn auch ein paar Hausnummern kleiner, erlebte übrigens Konkurrent Pepsi 1992 mit dem Versuch, Crystal Pepsi zu etablieren. Der Gedanke dahinter: Einfach den braunen Farbstoff weglassen – und dann wirkt die Brause … ja, was eigentlich? Gesünder? Während die Konsumenten noch rätselten, verschwand das Getränk 1994 wieder vom Markt.
»Great New Taste«, versprach Coca-Cola 1985. Das sahen nicht alle so.
Foto: Todd Gipstein / Corbis / Getty ImagesDoch, doch – das ist Zuckerbrause: Pepsi Crystal
Foto: Bryan BedderVielleicht ist es etwas, an dem Boomer und Angehörige der Generation X sich heute erkennen können: Wer sich noch daran erinnert, wie Kinderschokolade DAMALS verkauft wurde, ist vermutlich nicht mehr in seinen jüngsten Jahren. Von 1973 an war 32 Jahre derselbe Junge auf der Verpackung zu sehen, immer im rot-weißen Oberteil und freudestrahlend. Auch wenn im Lauf der Jahre viel retuschiert wurde, das Ausgangsfoto blieb dasselbe – bis Ferrero 2005 ein anderes Model für die Verpackung wählte. Im orangefarbenen Outfit.
Neu und alt: Kinderschokolade im Lauf der Zeit
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Günter Euringer, der all die Jahre, sich selbst im Supermarkt als Kinderschokoladenkind bewundern konnte (oder musste), nahm den Wechsel mit Humor: »Ich glaube, die bei Ferrero wissen gar nicht, dass ich noch lebe«, sagte er damals. Weniger erfreut waren offenbar die Traditionalisten unter den Kunden: Menschen organisierten Unterschriftenaktionen (»Weg mit Kevin«), einige Händler klagten über deutliche Umsatzrückgänge – am Ende setzte sich der neue Junge aber durch. Und blieb immerhin für knapp 15 Jahre das Gesicht der Kinderschokolade. Der folgende Wechsel im Jahr 2019 fand dann kaum noch Beachtung.
Der Name wohl kaum eines Unternehmens ist so sehr mit Fleischprodukten verbunden wie der von Rügenwalder. Umso bemerkenswerter war es, als das Unternehmen 2014 seine ersten Produkte auf pflanzlicher Basis auf den Markt brachte: vegetarische Frikadellen und Wurst.
Das war auch der Versuch, sich einen neuen Markt zu erschließen. Der Fleischkonsum sinkt, wer sich nicht anpasst, kriegt Probleme. Wie grundlegend der Wandel ist, zeigte sich 2020, als bei Rügenwalder das Veggiegeschäft erstmals mehr als die Hälfte des Umsatzes ausmachte.
Nicht immer ist die Abwandlung eines Produkts nur eine Frage des Lifestyles: Es gibt auch Änderungen bei Marken, hinter denen handfeste gesellschaftliche Debatten stehen. Was kann man sagen und abbilden? Was ist Diskriminierung und verletzt Menschen? Über Jahrzehnte war selbstverständlich, dass die Schokoladenmarke Sarotti mit einer Figur warb, die sie selbst als »Mohren« bezeichnete – irgendwann war das gesellschaftlich nicht mehr vertretbar. Seit 2004 wird die Marke illustriert mit dem »Sarotti-Magier«.
Historische Sarotti-Werbefigur, gezeigt im Kölner Schokoladenmuseum
Foto:Christoph Hardt; / Future Image / IMAGO
Viel Kommunikation über den gesellschaftlichen Wandel dahinter hat sich Hersteller Stollwerck allerdings nicht gegönnt, auf der Unternehmenswebsite heißt es ein wenig nebulös, dass man mithilfe des Magiers die »traditionellen Produkte in einem neuen und modernen Design auf den Markt« gebracht habe.
Ausgestanden ist die gesellschaftliche Debatte damit noch längst nicht: Erst vor wenigen Wochen beschloss in Ludwigshafen der Ortsbeirat Nördliche Innenstadt, dass eine historische Werbetafel der Firma nicht übermalt werden soll .