Nina Proll als Kanzlerin? Keine Antworten auf die falschen Fragen ...

14 Tage vor
Nina Proll

Politik? Ist doch alles nur Inszenierung, meint die nicht provokationsscheue Schauspielerin – und fragt in „Kann ich Kanzler?“ auf Puls 4 allerlei Ex-Kanzler, ob sie es nicht genauso gut könnte.

Soviel vorweg: Den Beruf der Kanzlerin strebt Nina Proll offenkundig nicht an. Wenn schon, dann will sie Kanzler werden. „Kann ich Kanzler?“, fragt sie in ihrer gleichnamigen zweiteiligen Dokutainment-Sendung auf Puls 4 eine Reihe an Gesprächspartnern. Schließlich war unter den bisherigen 18 Menschen, die das Amt inne hatten, mit Brigitte Bierlein nur eine Frau, „und die wurde nicht gewählt“. Also schließt Proll: „Da können wir uns das Gendern sparen.“

Dass der Bundeskanzler in Österreich auch sonst genau genommen nicht gewählt, sondern ernannt wird, betrachten wir jetzt einmal als Petitesse. Denn die Prämisse hinter der neuen Sendung, die am 5. und 12. September auf Puls 4 zu sehen ist, ist eine durchaus interessante: Eine alles andere als provokationsscheue – und in gesellschaftspolitischen Dingen, geht es um MeToo oder Coronamaßnahmen, regelmäßig polarisierende – Schauspielerin versucht herauszufinden, was ein Kanzler eigentlich können muss, wie viel Inszenierung in der Politik steckt und ob sie mit ihrer Film- und Bühnenerfahrung den Job nicht auch übernehmen könnte.

Damit spielt Proll, die sich gern als Frau positioniert, die besonders mutig und offen heraus ihre Meinung sagt, freilich auf allerlei vage Ideen an, die mitunter hinter der Politikverdrossenheit vieler Menschen stecken dürften: Hackeln die in der Regierung überhaupt was? Ist nicht alles irgendwie von Medien und Beratern gesteuert? Könnte man da nicht eh jeden hinsetzen? Anstatt diesen Sentiments reflektiert nachzuforschen – oder gar tatsächliche Erkenntnisse zum Spannungsfeld zwischen Politik und Medien, zwischen Inhalten und Inszenierung zutage zu fördern –, lässt man Proll im ersten Teil der Sendung im Grunde lang eine Stunde lang ihren Anfangsverdacht wiederholen.

Zählt nur die Inszenierung? Nein, sagt Kurz. Zu 99,7 Prozent, sagt Kern

Und stellt diversen Altkanzlern und anderen Ex-Politikern, die sie der Reihe nach abklappert, dieselben unscharfen Fragen. Etwa: „Wieso werden wir permanent abgelenkt von Bullshit-Themen?“ „Wie sehr treiben Medien und Journalisten die Politiker vor sich her?“ Und wie ist das jetzt mit der Inszenierung? Sebastian Kurz, der gar nicht wie ein Altkanzler spricht, darf dann erklären, dass Inszenierung in der Politik „am Ende des Tages kaum relevant ist“. Entscheidend sei, dass man als Politiker eine „Vision“ habe. Wahlkampf sei gar nicht so wichtig, es zähle die tägliche Arbeit! Christian Kern widerspricht: „99,7 Prozent“ seien Inszenierung. Konkreter wird‘s in der Sache nicht.

Und was braucht es nun für den Posten? Franz Vranitzky, der für Proll aus einer Zeit kommt, in der Politiker einander noch respektiert haben („etwas, das mir in der heutigen Politik total abgeht“), sagt: „Man muss entschieden und entschlossen sein“. Also muss man es eigentlich nur wollen? Man müsse es vor allem aushalten wollen, meint Nicht-Ex-Kanzler Matthias Strolz, mit dem Proll durch den Wald spaziert – und, ja, auch Bäume streichelt. Er betont, dass Politiker „ihr Leben in den Dienst der Republik“ stellen. Nix mit Work Life Balance!

Dazwischen eine Puls-4-Studiotour

Weitgehend routinierte Nicht-Antworten also: Statt Originelles herauszukitzeln, sammelt Proll mit ihrem betont naiv-goscherten Zugang auch nur Phrasen ein. Und Puls 4 kann dazwischen ein bisschen Eigenwerbung platzieren: Von Infochefin Corinna Milborn lässt sich Proll zwischendurch ausgiebig durch das Studio des Privatsenders führen.

Von „Falter“-Chef Florian Klenk, mit dem Proll während der Pandemie fiese Tweets ausgetauscht hat, lässt sie sich attestieren, dass sie natürlich Kanzler(in) werden könnte. Ronald Reagan hat’s in den USA ja auch geschafft. Den Sessel des Kanzlers im Parlament findet sie schon einmal „ganz gemütlich“. Im zweiten Teil der Sendung wird sie sich eine Wahlkampagne basteln und, wie der Trailer verspricht, von u. a. Kurz-„Kanzlermacher“ Philipp Maderthaner und von Wolfgang-Schüssel-Sprecherin und Kommunikationsprofi Heidi Glück beraten lassen. Vielleicht ist der Erkenntnisgewinn dann ja höher.

„Nina Proll: Kann ich Kanzler?“ Teil 1 am 5. September, Teil 2 am 12. September, jeweils 20.15 Uhr, auf Puls 4. Im Anschluss an Teil 1 sendet Puls 4 eine „Pro und Contra“-Spezialfolge: „Idealisten, Karrieristen, Opportunisten – Kann jeder Kanzler?“

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