American Football: Drei steile Thesen zum NFL-Auftakt

5 Sep 2024
Foto: Denny Medley / USA TODAY Network / IMAGO

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In der Nacht auf Freitag ist es so weit, die neue NFL-Saison beginnt. Direkt zum Auftakt empfängt der zweifache Titelverteidiger Kansas City Chiefs im eigenen Stadion die Baltimore Ravens (2.20 Uhr, TV: RTL, Stream: DAZN) – ein Leckerbissen als Aperitif zur restlichen Spielzeit, die in Deutschland, wo der Sport immer populärer wird, ab der Saison 2024/2025 im linearen Fernsehen bei RTL und als Stream bei DAZN übertragen wird.

Sowohl Baltimore als auch Kansas City zählen wieder einmal zu den stärksten Titelkandidaten. Traditionell sind die Machtverhältnisse in der NFL von Jahr zu Jahr ziemlich volatil, so richtig kann man sich vor Saisonbeginn nie sicher sein, wer sein Niveau halten, sich verbessern oder plötzlich abstürzen wird.

Und gerade weil der Football so schwer vorherzusagen ist, legt es der SPIEGEL mal extra darauf an und präsentiert drei steile Thesen zur Saison 2024/2025. Feuer frei:

Bye, Bye, Buffalo

Josh Allen ist mit seinen 1,96 Metern und 107 Kilogramm eine echte Erscheinung. Der Quarterback der Buffalo Bills trägt sein Team seit Jahren auf den Schultern – mit seinem starken Wurfarm, vor allem aber durch die Kombination mit teils halsbrecherischen Alleingängen mit dem Ball in der Hand.

Wenn Allen einmal Fahrt aufgenommen hat, können ihn selbst die fleischigsten Muskelpakete in gegnerischen Defensiven kaum zu Fall bringen. Mit dieser Veranlagung machte Allen in den vergangenen Jahren selbst eine mittelmäßig bestückte Bills-Offensive zum Titelkandidaten, oft fehlte in den Playoffs nur ein wenig Schlachtenglück, um weiterzukommen.

Bills-Spielmacher Josh Allen bei einem Testspiel gegen die Chicago Bears

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Ein gefährliches Spiel, das die Bills da getrieben haben, sich voll und ganz auf Allen zu verlassen. Denn so gut der Kerl auch ist, am Ende ist auch er auf gute Mitspieler angewiesen.

Und das ist der Grund, weshalb Buffalos Zeit als Titelkandidat in dieser Saison enden wird.

Stefon Diggs, Allens bester Receiver, ist fort. Übrig sind Khalil Shakir, eine Randfigur der vergangenen Saison, der verletzte Curtis Samuel und mit Keon Coleman ein NFL-Rookie, der schwer einzuschätzen ist. Einzig Runningback James Cook hat echte Starqualität – allerdings mit Schwächen in der Endzone, wenn es darum geht, einen Ballbesitz mit einem Touchdown zu vollenden.

Der Blick auf die Defensive dämpft die Hoffnung umso mehr: Hinten in der Passverteidigung sind die beiden Stammspieler Jordan Poyer und Micah Hyde weg. Weiter vorn fällt mit Matt Milano der beste Verteidiger im Team lange verletzt aus. Zwar hatten die Bills in der Zeit mit Headcoach Sean McDermott seit 2017 immer eine mindestens durchschnittliche Defense, der Kader hatte aber auch stets eine gewisse Klasse.

Diesen Flickenteppich von einer Mannschaft wird selbst Allen nicht mehr retten können. Die Bills haben das Fenster, in dem sie den Super Bowl hätten erreichen können, nicht genutzt. Jetzt ist es zu. Das war es für Buffalo, dieses Jahr reicht es nicht mal für die Playoffs.

Der Michael Jordan des Footballs

Die Kansas City Chiefs treten an, um zu vollbringen, was – zumindest im Football – noch niemandem je zuvor gelungen ist: der Three-Peat. So wird es im US-Sport bezeichnet, wenn ein Team drei Meisterschaften in Folge gewinnt, die Steigerung von »Repeat« (deutsch: Wiederholung).

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Populär wurde die Phrase in den Neunzigerjahren, allerdings in einer anderen Sportart. Im Jahr 1991 stiegen die Chicago Bulls zum besten Basketballteam der Welt auf, angeführt von Michael Jeffrey Jordan. Einmal oben angekommen, konnte die Bulls erst mal niemanden vom Gipfel stoßen. Zwischen 1991 und 1993 und noch einmal von 1996 bis 1998 gewann Chicago jeweils drei Titel in Folge. Jordan wurde zur Legende.

In der NFL hat es das seit Einführung des Super Bowls 1967 noch nie gegeben. Das ändert sich jetzt.

Vergangene Saison verteidigten die Chiefs als erstes Team seit den New England Patriots mit Tom Brady im Jahr 2005 ihren Titel. Und das mit einem Kader, der klaffende Lücken hatte. Das gesamte Jahr über stand kein einziger verlässlicher Receiver zur Verfügung, trotzdem war wohl kaum jemand überrascht, als Kansas City im Februar im Super Bowl stand. Wegen Patrick Mahomes.

Chiefs-Superstar Patrick Mahomes bei einer Partie gegen die Jacksonville Jaguars

Foto: Romeo Guzman / ZUMA Press Wire / IMAGO

Kein Spieler überragt seine Konkurrenz so weit wie Mahomes. Der Quarterback bewegt sich in einer eigenen Kategorie in Sachen Kreativität und Konstanz. Wenn eine Partie mal knapp wird, scheint der Ausgang unausweichlich – Mahomes umgibt schon jetzt ein Nimbus wie einst Michael Jordan.

Dieses Jahr ist Mahomes noch besser ausgestattet. Nach wie vor hat er Travis Kelce, den besten Tight End dieser Generation. Nach Gerüchten um ein Karriereende verlängerte Kelce im April um zwei weitere Jahre, obwohl er genauso gut an der Seite von Taylor Swift den Globus bereisen und sich die Zeit mit einer Medienkarriere vertreiben könnte. Hinzu kamen im Sommer auch noch Marquise Brown und der NFL-Neuling Xavier Worthy, zwei Flitzer auf den Receiver-Positionen. Die Chiefs werden noch besser sein als ohnehin schon.

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Falken im Steigflug

Das letzte Team, das die Chiefs auf ihrem Weg zum Three-Peat schlagen werden, werden die Atlanta Falcons sein. Richtig, die chronisch erfolglosen Falcons werden den Super Bowl erreichen – dieses Format heißt doch »Steile Thesen«, also warum nicht gleich senkrecht?

Historisch gehören die Falcons zu den schlechtesten NFL-Teams überhaupt. Noch nie gab es eine Meisterschaft, erst zweimal standen die Falcons im Super Bowl. Beim bislang letzten Mal 2016 waren sie am falschen Ende des größten Comebacks der Super-Bowl-Historie. Eine Blamage für das eigene Team, das gegen die New England Patriots eine 28:3-Führung verspielte.

Seitdem hatten die Falcons mit dem Titelkampf so gar nichts am Hut. In der Saison 2017/2018 gab es die bislang letzte Playoff-Teilnahme. Nunmehr jahrelang dümpelt Atlanta als Mittelklasse-Team herum, nicht ganz konkurrenzfähig, aber fast. Das lag vor allem daran, dass auf der wichtigsten Position ein guter Spieler fehlte. Jetzt ist aber alles anders.

Kirk Cousins ist in Atlanta. An dieser Stelle werden einige lachen, denn mit 36 Jahren ist der Quarterback nicht gerade als Heilsbringer für die kommenden Jahre zu sehen. Außerdem hatte er vergangene Saison einen Achillessehnenriss, und zuvor gab es häufiger mal Kritik, dass er eben nicht die Extraklasse anderer Kollegen habe. Alles plausibel, aber Cousins ist einer dieser Spieler, an denen so viel bemängelt wird, dass sie schon unterschätzt sind.

Der neue Falcons-Quarterback Kirk Cousins bei einem Vorbereitungsspiel gegen die Jacksonville Jaguars

Foto: Dale Zanine / USA TODAY Network / IMAGO

Mit klaren Verhältnissen und gutem Coaching ist Cousins ein weit überdurchschnittlicher Spielmacher, mit völlig ausreichenden Fähigkeiten für ein Titelteam – wenn der Rahmen, die Karosserie stimmt. Und das ist in Atlanta so.

Im Angriff stehen Cousins der elektrisierende Runningback Bijan Robinson sowie Drake London und Kyle Pitts als hochbegabte Passempfänger zur Seite. Die Offensive wird aber nicht einmal die Stärke der Falcons sein, denn in der Verteidigung sind mit Linebacker Matthew Judon und dem Safety Justin Simmons zwei echte Stars hinzugekommen.

Und für den Fall, dass Cousins nach seiner Verletzung plötzlich abfällt, haben die Falcons Michael Penix Jr. in der Hinterhand. Den Quarterback zog das Team in der ersten Runde in der NFL-Draft als Perspektivspieler. Sollte er jetzt schon ans Steuer geraten, hätte Penix mit Cousins einen perfekten Fahrlehrer.

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