Protest gegen Paris: Gewaltausbruch in Neukaledonien

14 Mai 2024

Protest gegen Paris

Im französischen Überseegebiet Neukaledonien ist es zu gewalttätigen Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern gekommen. Die Separatisten sind verärgert über eine geplante Verfassungsänderung der Regierung in Paris, die Tausenden französischstämmigen Männern und Frauen in dem Inselstaat im Südpazifik mehr politischen Einfluss einräumen würde. Die Regierung von Neukaledonien rief angesichts der Eskalation zu „Vernunft und Ruhe“ auf.

Neukaledonien - Figure 1
Foto ORF

Online seit heute, 6.52 Uhr (Update: 11.33 Uhr)

Überall im Großraum Noumea, der Hauptstadt Neukaledoniens, waren die Straßen am Dienstag von den zahlreichen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Randalierern gezeichnet, die am Vortag und in der Nacht stattgefunden hatten. Bei der Feuerwehr gingen fast 1.500 Anrufe ein, es wurden etwa 200 Brandherde registriert. Hunderte Autos wurden angezündet, ebenso mehr als 30 Geschäfte. Über 80 Personen wurden festgenommen.

Augenzeugen und -zeuginnen berichteten in sozialen Netzwerken von Plünderungen und Festnahmen. Schulen und öffentliche Dienste in dem Inselstaat sollen in den nächsten Tagen geschlossen bleiben. Der französische Hochkommissar Louis Le Franc gab bekannt, dass mehrere Polizisten verletzt worden seien und er Verstärkung aus Paris angefordert habe, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten.

Hunderte Autos wurden im Zuge des Protests abgefackelt Ausgangssperre, Flughafen geschlossen

Am Dienstag um 18.00 Uhr (Ortszeit) trat eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Darüber hinaus sind alle Versammlungen im Großraum Noumea sowie das Tragen von Waffen und der Verkauf von Alkohol in ganz Neukaledonien verboten. Die 270.000 Einwohner und Einwohnerinnen der Inselgruppe im Südpazifik wurden auffordert, in ihren Häusern zu bleiben. Der internationale Flughafen ist geschlossen, die Fluggesellschaft Aircalin hat ihre Flüge vorerst ausgesetzt.

Neukaledonien: Gewaltausbruch bei Protesten

Bei gewalttätigen Protesten im französischen Überseegebiet Neukaledonien hat es Dutzende Festnahmen und Verletzte gegeben. Grund für die Demonstration von Unabhängigkeitsbefürwortern war eine geplante Verfassungsänderung, die französischstämmigen Wählern und Wählerinnen mehr politischen Einfluss einräumen würde.

Neukaledonien - Figure 2
Foto ORF

Neukaledonien ist für Paris geopolitisch, militärisch und wegen des dortigen Nickelvorkommens von Bedeutung. Die Bewohner und Bewohnerinnen hatten bei drei Volksabstimmungen 2018, 2020 und 2021 für einen Verbleib bei Frankreich gestimmt. Doch die indigene Bevölkerung, die Kanaken, boykottierte die jüngste Abstimmung. Sie strebt weiterhin nach Eigenständigkeit.

Neukaledonien wurde 1853 unter Kaiser Napoleon III. – Neffe und Erbe Napoleons – französisch und diente jahrzehntelang als Gefängniskolonie. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zu einem Überseegebiet, 1957 erhielten alle Kanaken die französische Staatsbürgerschaft.

Zahlreiche Einsatzkräfte sollen verletzt worden sein Wahlrecht für französischstämmige Bevölkerung

Die Unruhen waren am Montag am Rande einer Demonstration der Unabhängigkeitsbewegung gegen eine geplante Wahlrechtsreform ausgebrochen. Etwa 25.000 französischstämmige Männer und Frauen, die seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen auf der Inselgruppe gelebt haben, sollen das Wahlrecht erhalten. Bisher waren die Stimmen von Bürgern und Bürgerinnen, die nicht schon vor 1998 in Neukaledonien lebten oder Nachfahre sind, „eingefroren“.

Für den französischen Innen- und Überseeminister Gerald Darmanin, der die Verfassungsreform vorangetrieben hatte, ist diese Bestimmung „nicht mehr mit den Grundsätzen der Demokratie vereinbar“ und „führt ins Absurde“. Die Unabhängigkeitsbefürworter dagegen sehen dahinter einen Plan, „das autochthone Volk der Kanak noch weiter zu minorisieren“, das bei der Volkszählung 2019 41,2 Prozent der Bevölkerung der Insel ausmachte gegenüber 40,3 Prozent zehn Jahre zuvor.

Appell der Regierung

„Wir appellieren an die Verantwortung aller Kaledonier, wir fordern sie auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und Wege zu nutzen, um zu Vernunft und Ruhe zurückzukehren“, hielt die lokale Regierung in einer Erklärung fest. „Alle Gründe für Unzufriedenheit, Frustration und Wut können es nicht rechtfertigen, das, was das Land über Jahrzehnte hinweg aufbauen konnte, zu beschädigen oder zu zerstören und die Zukunft zu belasten.“

„Gewalt ist niemals gerechtfertigt oder zu rechtfertigen“, sagte auch der französische Premierminister Gabriel Attal am Dienstag. In der französischen Nationalversammlung sollte im Laufe des Tages über die umstrittene Wahlrechtsreform in Neukaledonien abgestimmt werden.

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